„Vitale Startups sind ein Magnet für die Region“

von Robert Alferink, IHK
Niklas Schwichtenberg (30) kennt die Startup-Szene der Region gleich aus mehreren Blickwinkeln. Der gebürtige Osnabrücker ist mehrfacher Gründer erfolgreicher Start-ups wie Quii, angestellte Führungskraft bei der Electro-fleet GmbH, Berater von Kapitalgebern und organisatorischer Leiter der MACHacademy. Wir sprachen mit ihm über seine Vision für die Zukunft der Startup-Branche.
Niklas Schwichtenberg
Auf Wachstumskurs: Das Osnabrücker Seedhouse hat seit seiner Gründung 2018 fast 50 Startups in den Bereichen Agrar, Food und Digital gefördert und begleitet. Vorn im Bild: Seedhouse-Geschäftsführer Florian Stöhr. © IHK
_ Niklas, Du bist Osnabrücker, hast gerade erst den Bachelor of Laws gemacht, bist Gründer, Berater und gleichzeitig Angestellter. Wieso macht Dein Chef das mit?
Ich habe das große Glück, dass mein Chef, Mark Hellmann Regouby, die Vorteile dieser Kombination genauso sieht wie ich. Ich bin sein Chief of Staff bei der ElectroFleet GmbH, halte ihm den Rücken frei und verantworte dort aktuell beispielsweise unser erstes großes Kundenprojekt. Gleichzeitig arbeite ich an meinen eigenen Projekten wie etwa an meinem aktuellen Startup Quii. Ich sehe in dieser Kombination eine Win-win-Situation.
_ Worin genau liegt die Win-win-Situation für Deinen Chef?
Die Verknüpfung von Angestelltendasein mit eigenen Projekten weist für mich in die Zukunft, weil sie das unternehmerische Denken fördert. Das heißt umgekehrt: Der Chef fördert die unternehmerische Selbstverwirklichung seiner Mitarbeiter und gibt ihnen einen Grund zu bleiben. Gerade heute, wo Arbeits- und Fachkräfte überall fehlen, ist das ein Gewinn für alle. Und selbst wenn die Leute irgendwann mit ihrem „side hustle“, also ihrem persönlichen Zusatzprojekt, komplett selbstständig sind, bleiben sie dem dann ehemaligen Arbeitgeber ja erhalten: als Partner, als zukünftiger Zulieferer, als Kunden.
_ Und gelingt es Dir, das Mehrfach-Programm zeitlich zu bewältigen?
In erster Linie wohl durch meine Herangehensweise. Ich sehe keine Jobs, ich sehe Projekte. Daher habe ich auch keine klassische Prioritätenliste. Und ich arbeite nicht allein, sondern immer in Teams. Ich schaue, wo kann ich jetzt meinen Beitrag leisten. Meine Aufgabe sehe ich sowohl als Gründer, als Berater oder Angestellter darin, dafür zu sorg en, dass die Menschen, mit denen ich zusammenarbeite, erfolgreich weiterarbeiten können. Meine Aufgabe ist es also, bei allen Projekten meinen Anteil zu leisten, damit es für das jeweilige Projekt weitergeht. Und das gilt für jeden Bereich, in dem ich tätig bin.
_ Wir hatten bereits Dein Startup Quii genannt. Was steckt dahinter?
Die Idee hinter Quii ist, dass wir Unternehmen den niederschwelligen Einstieg ins Thema „Mentales Wohlbefinden“ ermöglichen. Viele Unternehmen bieten Programme für physisches Wohlbefinden an, etwa vergünstigte Mitgliedschaften in Fitnessstudios. Das Thema „Mentales Wohlbefinden“ fristet aber ein Schattendasein. Und das, obwohl viele Arbeitnehmer durch Krieg, Krisen und Corona-Nachwirkungen fundamentale Auswirkungen auf das mentale Wohlbefinden spüren.
_ Wie geht Ihr das Thema „Mentales Wohlbefinden“ genau an?
Mit unserem Healthy-Workplace-Konzept bieten wir Unternehmen präventive Konzepte an. Auch, weil jeder einzelne Fehltag ein Unternehmen im Schnitt 250 Euro kostet. Und oftmals sind die Gründe absolut vermeidbar. Falsche Belastung zum Beispiel schränkt die Leistungsfähigkeit bereits vor einer Erkrankung ein. Maßnahmen zur Steigerung des Wohlbefindens richten ihr Augenmerk also auf so wichtige Dinge wie Stressreduzierung und eine höhere emotionale Widerstandsfähigkeit.
_ Angeblich werden 9 von 10 Startups nie profitabel und gehen wieder ein. Welche Risiken seht Ihr für Quii?
Viele Startups beschäftigen sich zu wenig mit der Frage, wie sie mit ihrer Idee Geld verdienen können. Wichtig ist, dass es einen Bedarf gibt, der Markt zahlungswillig ist, und ich den Bedarf auch bedienen kann. Wenn niemand da ist, der das Produkt tatsächlich kauft, hast du ein Problem. Wir waren mit Quii an diesem Punkt. Wir hatten für viel Geld eine App entwickelt und haben gemerkt, dass wir diese App nicht sofort monetarisieren konnten. Also haben wir radikal umgesteuert und sind nun als Unternehmen profitabel. Und wir wachsen.
_ Warum hat die App nicht sofort gezündet?
Die App an sich ist klasse und wir werden sie auch in Zukunft in unser neues Konzept integrieren. Wir sind mit der App in die Unternehmen gegangen und alle haben gesagt: Tolle Idee, tolles Konzept. In der praktischen Umsetzung war es dann aber zu kompliziert. Datenschutz und Datensicherheit sind gerade im gesundheitlichen Bereich sehr sensibel. Es war schwierig die Unternehmen davon zu überzeugen, dass wir diese Themen mitgedacht haben.
_ In der MACHacademy, über die wir im ihk-magazin berichtet haben, schult Ihr angehende Unternehmerinnen und Unternehmer…
In Osnabrück fehlte uns die Vorschule für das Unternehmertum. Sei es für angehende Entrepreneure als auch Intrapreneure. Bei der inhaltlichen Gestaltung der MACHacademy war immer mein Ansatz, es so zu machen, dass mein 20-jähriges „Ich“ sich als Erster beworben hätte. Ich möchte anderen die Möglichkeit bieten in das Thema einzusteigen, so wie ich mir das gewünscht hätte. Da hilft natürlich, dass ich auch sehr gut vernetzt bin und die entscheidenden Leute schnell zusammenholen konnte.
_ Was bietet die Region Osnabrück denn Besonderes für angehende Startups?
Die Region Osnabrück hat einen fantastischen Kundenstamm. Und das nicht nur in den besonders starken Bereichen Agrar, Digital oder Dienstleistungen. Die Wege sind zudem sehr kurz. Man kennt immer wen, der irgendwen kennt. Und inzwischen, und das ist besonders auch der Verdienst der Acceleratoren, gibt es ein großes Netzwerk, das junge Startups unterstützt. Mit der MACHacademy wollen wir dieses Ökosystem komplettieren.
_ Du wirst mit Quii selbst von einem Accelerator, dem OHA, gefördert. Welche Vorteile bietet das?
Der OHA hat uns bei dem Prozess, weg von der reinen App, gut begleitet. Es ist auch deren Verdienst, dass wir nun profitabel arbeiten. Außerdem ist es gut, einen Sparrings-Partner zu haben, der nicht am eigenen Unternehmen beteiligt ist, sondern einen ganz neutralen Blick darauf hat. Uns hat der OHA auch bei der Professionalisierung sehr gut weitergeholfen. Wir haben z. B. Workshops gemacht, um uns Themen wie Geschäftsmodell und Vertrieb ganz neu zu nähern.
_ Das finanzielle Engagement „etablierter“ Unternehmen fällt gerade hier vor Ort auf. Woran liegt das?
Ich glaube, dass die Unternehmen mit ihrem Engagement ganz gezielt die Region an sich fördern wollen. Ein vitales Startup-Ökosystem und eine vitale Gründerszene sind ein Magnet für Fachkräfte, für Forschung, für Investitionen. Und es gibt natürlich auch viele Gesellschafter in den Acceleratoren, die dies als Investment ansehen, von dem sie irgendwann selbst finanziell profitieren. Sei es durch eine Steigerung des Wertes ihrer Investments in bestimmte Startups oder sei es durch Wissens- und Know-how-Transfer in das eigene Unternehmen. Wenn sich dann mit der Zeit Beispiele solcher erfolgreichen Investments mehren, tut dies wiederum der ganzen Region gut, weil diese Positivbeispiele neue Gründer anziehen.
_ Wo könnten wir in der Region besser werden?
Wichtig wäre ein leichterer Zugang zu Kapital. Wir brauchen mehr Business-Angel. Das sind Private oder Unternehmen, die keine beruflichen Investoren sind, sondern nur im Einzelfall Startups eine Anschubfinanzierung bieten. Die Vernetzung dieser Menschen und Unternehmer mit den Startups ist immer noch sehr schwierig. Ich könnte mir vorstellen einen Pool von Unternehmen aufzubauen, die zwar nicht aktiv in den Acceleratoren mitarbeiten, aber die Möglichkeit haben wollen sich über neue Startups zu informieren. Da gibt es in anderen Regionen z. B. Startup-Newsletter, in denen immer wieder die Startups aufgelistet werden, die gerade Finanzierungen bekommen haben oder neu an den Start gehen. Wenn man sowas für die Region transparent machen würde, könnte ich mir vorstellen, dass mehr Kapital in Startups fließen würde.
_ Wo siehst Du da die Rolle der IHK?
Die IHK ist aus meiner Sicht der perfekte Partner für die Vernetzung von Startups und etablierten Unternehmen. Im Endeffekt müsste ich zur IHK kommen und mit meiner Idee pitchen. Und die IHK müsste dann im Idealfall auf einen Knopf drücken und mir 50 Unternehmen aus Osnabrück, dem Emsland und der Grafschaft Bentheim nennen, mit denen es passen könnte. Die Ergebnisse könnten ein potenzieller Kunde sein, das könnte aber auch ein Investor sein oder ein Multiplikator. Und dann sprechen IHK und Startup diese Unternehmen zusammen an. Das wäre ein Gamechanger
Robert Alferink
Recht und Steuern
Projektleiter