BVerfG-Urteil zur Erbschaftsteuer vom 17. Dezember 2014

Stand: 14. Januar 2015
Verschonungsregelung möglich - konkrete Ausgestaltung aber überwiegend verfassungswidrig
Mit Urteil vom 17. Dezember 2014 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Erbschaftsteuer für zum Teil verfassungswidrig erklärt. Grundsätzlich kann aber Betriebsvermögen weiterhin von der Erbschaftsteuer verschont werden. Insbesondere die Privilegierung von großen Unternehmen wird aber ohne eine "Bedürfnisprüfung" als zu weitgehend erachtet. Die Behaltensfristen von fünf oder sieben Jahren und die Lohnsummenregelung sind mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar. Nicht vereinbar ist jedoch die komplette Ausnahme von der Lohnsummenpflicht für Betriebe mit nicht mehr als 20 Beschäftigten.
Tenor
  • Die Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen sind verfassungswidrig und verstoßen in Teilen gegen den Gleichheitsgrundsatz Art 3 Grundgesetz
  • Dies gilt für die Ursprungsfassung des Erbschaftsteuerreformgesetzes vom 24. Dezember 2008 und alle Folgefassungen von Beginn an
  • Die Vorschriften sind zunächst weiter anwendbar; der Gesetzgeber muss bis 30. Juni 2016 eine Neuregelung treffen. Der Gesetzgeber kann rückwirkend auf den 17. Dezember 2014 eine Neureglung beschließen. Insofern gibt es ab sofort keine Rechtssicherheit mehr.
Würdigung des BVerfG im Einzelnen:
  • Die Verschonungsregelung als solche ist mit dem Grundgesetz vereinbar, bedarf jedoch beim Übergang großer Unternehmensvermögen der Korrektur.
  • Der Gesetzgeber hat den Spielraum kleine und mittlere Unternehmen, die in personaler Verantwortung geführt werden, zur Sicherung ihres Bestands und zur Erhaltung der Arbeitsplätze steuerlich zu begünstigen.
  • Die Privilegierung betrieblichen Vermögens ist jedoch unverhältnismäßig, soweit sie größere Unternehmen einschließt, ohne eine Bedürfnisprüfung vorzusehen.
  • Auch eine Steuerverschonung von 100% ist verhältnismäßig im engeren Sinne.
  • Nicht beanstandet wird die Festlegung der begünstigten Vermögensarten. Die Mindestbeteiligung von über 25 % bei Kapitalgesellschaften und die generelle Begünstigung des Erwerbs von Anteilen an Personengesellschaften ist mit dem Gleichheitssatz vereinbar (Rechtsformneutralität).
  • Die 20-Arbeitnehmer-Grenze verstößt gegen das Grundgesetz. Erwerber von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten werden unverhältnismäßig privilegiert. Weit über 90 % aller Betriebe in Deutschland haben nicht mehr als 20 Beschäftigte. Betriebe können daher fast flächendeckend die steuerliche Begünstigung ohne Rücksicht auf die Erhaltung von Arbeitsplätzen beanspruchen, obwohl der mit dem Nachweis und der Kontrolle der Mindestlohnsumme verbundene Verwaltungsaufwand nicht so hoch sei wie teilweise geltend gemacht wird.
  • Die Behaltensfrist von fünf oder sieben Jahren ist im Grundsatz mit dem Grundgesetz vereinbar, zumal sie durch Lohnsummenregelung und Verwaltungsvermögenstest angemessen ergänzt wird.
  • Die Regelung über das Verwaltungsvermögen ist nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Ziele des Gesetzgebers, nur produktives Vermögen zu fördern und Umgehungen durch steuerliche Gestaltung zu unterbinden, sind zwar legitim und auch angemessen. Dies gilt jedoch nicht, soweit begünstigtes Vermögen mit einem Anteil von bis zu 50 % Verwaltungsvermögen insgesamt in den Genuss der steuerlichen Privilegierung gelangt. Ein tragfähiger Rechtfertigungsgrund ist nicht erkennbar.
Folgende Anforderungen stellt das BVerfG an eine Neuregelung:
  • Die Verschonungsregelung soll vor allem Unternehmen schützen, die durch einen
    besonderen personalen Bezug des Erblassers oder des Erben zum Unternehmen geprägt sind, wie es für Familienunternehmen typisch ist. Steuerlich begünstigt werden soll ihr produktives Vermögen, um den Bestand des Unternehmens und seiner Arbeitsplätze nicht durch steuerbedingte Liquiditätsprobleme zu gefährden.
  • Es ist nun Aufgabe des Gesetzgebers, präzise und handhabbare Kriterien zur Bestimmung der Unternehmen festzulegen, für die eine Verschonung ohne Bedürfnisprüfung nicht mehr in Betracht kommt.
  • Sofern der Gesetzgeber an dem gegenwärtigen Verschonungskonzept festhält, wird er die Freistellung von der Lohnsummenpflicht auf Betriebe mit einigen wenigen Beschäftigten begrenzen müssen.
  • Umgehungstatbestände beim Verwaltungsvermögen müssen ausgeschlossen werden z. B. Chash-GmbH und das Aufspalten in eine Besitzgesellschaft und eine Betriebsgesellschaft und Konzernen.
Fazit:
Das Urteil legt dem Gesetzgeber eine Reihe von schwierigen Detailfragen auf den Tisch. Es kommt darauf an, eine Regelung zu finden, die möglichst unbürokratisch ist gerade für kleine Unternehmen. Aber auch die vom Gericht geforderte „Bedürfnisprüfung“ muss den betrieblichen Anforderungen gerecht werden. Das gilt auch für die Neuregelung beim Verwaltungsvermögen.