Öffentliche Aufträge: Wie funktioniert das?

Was sind öffentliche Aufträge?
Öffentliche Aufträge werden von Bund, Ländern, Gemeinden und sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts vergeben. Sie unterliegen besonderen Bestimmungen, da hierbei Steuergelder ausgegeben werden.
Welche Vorschriften gibt es in Deutschland?
  • Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB)
  • Verdingungsordnung für Leistungen - ausgenommen Bauleistungen - (VOL)
  • Verdingungsordnung für freiberuflich erbrachte Leistungen (VOF)
  • Vergabeverordnung (VgV)
Zu beziehen bei der Bundesanzeiger-Verlagsgesellschaft mbH, Köln, Tel: 0221/976 68-0, sowie unter www.bundesanzeiger.de. Bekanntmachungsmuster zu den einzelnen Richtlinien können unter www.deutsches-ausschreibungsblatt.de heruntergeladen werden.
Das Vergaberecht für öffentliche Aufträge ist in Deutschland ein zweigeteiltes Recht.
  • Unterhalb der europäischen Schwellenwerte das auf den Haushaltsordnungen in Verbindung mit den Verdingungsordnungen VOL/A und VOB/A (jeweils Abschnitt 1) basierende nationale Vergaberecht sowie
  • Oberhalb der Schwellenwerte das auf dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in Verbindung mit der Vergabeordnung (VgV) und den Verdingungsordnungen VOL, VOB und VOF (Abschnitte 2, 3 und 4) basierende internationale Vergaberecht.
Die durch das Vergaberechtsänderungsgesetz vom 01.01.1999 in das GWB eingefügten Vorschriften bieten einem Unternehmen, das sich an einer internationalen Ausschreibung beteiligt, erstmals subjektive Rechte auf Einhaltung der Vergabevorschriften. Bei einer Verletzung dieser Vorschriften steht dem Unternehmen der Rechtsweg zur Vergabekammer und schließlich zum OLG offen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn die sog. EU-Schwellenwerte (Netto-Auftragswerte ohne Umsatzsteuer) erreicht oder überschritten werden.
Seit dem 1. Januar 2018 gelten folgende EU-Schwellenwerte:
  • Liefer- und Dienstleistungsaufträge öffentlicher Auftraggeber: 221.000 Euro;
  • Liefer- und Dienstleistungsaufträge Oberer und Oberster Bundesbehörden: 144.000 Euro;
  • Liefer- und Dienstleistungsaufträge von Sektorenauftraggebern und für Aufträge im Bereich Verteidigung und Sicherheit: 443.000 Euro;
  • Bauaufträge und Konzessionsvergaben: 5.548.000 Euro.
Welche Vorschriften gibt es in Europa und darüber hinaus?
In der Europäischen Union:
  • Baukoordinierungsrichtlinie (BKR)
  • Lieferkoordinierungsrichtlinie (LKR)
  • Dienstleistungsrichtlinie (DLR)
  • Sektorenrichtlinie (SKR) für Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie Telekommunikation.
  • Überwachungsrichtlinien zu den einzelnen Richtlinien
Einzusehen unter http://ec.europa.eu. Hier sind auch die aktuellen Schwellenwerte für die Anwendung der Richtlinien, die CPV-Codes für die Artikel sowie weitere Informationen zu europaweiten öffentlichen Aufträgen zu finden.
Weltweit:
  • WTO (früher: GATT-Kodex "Regierungskäufe"), der für die über 80 Mitgliedsländer Ausschreibungsregeln für öffentliche Aufträge des Bundes enthält.
Welche Beschaffungsverfahren gibt es?
Das offene Verfahren (öffentliche Ausschreibung) ist für nationale und internationale Ausschreibungen vom Wettbewerbsgedanken her das bedeutendste Verfahren. Der öffentliche Auftraggeber macht dabei einer möglichst großen Zahl von Unternehmen bekannt, dass er eine bestimmte Leistung beziehen möchte. Im uneingeschränkten Wettbewerb soll das wirtschaftlichste Angebot ermittelt werden. Die Informationen müssen veröffentlicht werden: EU-Ausschreibungen müssen zwingend im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden. Auftraggeber des Bundes veröffentlichen in der Regel im Bundesausschreibungsblatt, für andere Auftraggeber (z.B. Länder und Kommunen) besteht auf nationaler Ebene keine zentrale Verpflichtung ein bestimmtes Publikationsorgan zu verwenden. Die Veröffentlichung der Ausschreibung ist auch nicht mit einem Pflichtenheft bei einer privatwirtschaftlichen Ausschreibung zu vergleichen; der Auftraggeber muss grundlegende Informationen über den Ausschreibenden, den Ausschreibungsgegenstand, den Zeitpunkt des Angebots und der Lieferung, besondere Qualifikationsansprüche an den Lieferanten, besondere Konditionen des Auftrags sowie die Möglichkeit einer Rechtsbeschwerde mitteilen. Hat ein potenzieller Bieter Interesse, muss er sich die Ausschreibungsunterlagen nebst Leistungsverzeichnis beim Auftraggeber besorgen; nur anhand dieser Unterlagen kann er sein Angebot korrekt einreichen. Jedes interessierte Unternehmen kann sich beteiligen. Sie werden überwiegend in Ausschreibungsblättern, wie dem Supplement zum Amtsblatt der EU, dem Deutschen Ausschreibungsblatt oder Landesausschreibungsblättern, veröffentlicht. In den Verdingungsordnungen sind sie als Regelbeschaffung vorgesehen.
Das nicht offene Verfahren (beschränkte Ausschreibung) kommt in begründeten Ausnahmefällen zur Anwendung und spricht eine begrenzte Zahl von Unternehmen direkt an. Da hier der Wettbewerb eingeschränkt ist, muss ein Unternehmen dem Auftraggeber schon bekannt sein, damit es aufgefordert werden kann, ein Angebot abzugeben. Sind dem Auftraggeber selbst nur wenige potenzielle Lieferanten bekannt, so müssen Markterkundungen durchgeführt werden, wofür die IHKs teilweise Hilfestellungen geben.
Das Verhandlungsverfahren (freihändige Vergabe) beschränkt den Wettbewerb noch mehr und bedarf als besonderer Ausnahmefall einer besonderen Begründung. Die Ausschreibung beschränkt sich hier auf nur ganz wenige mögliche Anbieter. Wie der Name schon sagt, gibt es im Unterschied zu den vorgenannten beiden Verfahren wenige Formvorschriften. Der öffentliche Auftraggeber kann ihm bekannte Unternehmen sogar ganz kurzfristig zur Abgabe eines Angebots auffordern, auch per Telefon. Hier können nur Betriebe zum Zuge kommen, die beim Auftraggeber hinreichend bekannt sind. Wer bei Verhandlungsverfahren mitmachen möchte, muss sich dementsprechend weit im Vorfeld möglicher Ausschreibungen bei öffentlichen Auftraggebern vorstellen und Kontakte regelmäßig pflegen.

Um Missbrauch zu vermeiden, muss der öffentliche Auftraggeber die Auswahl des Vergabeverfahrens begründen und dokumentieren. Trotzdem ist in der Praxis der Trend festzustellen, dass beschränkte Verfahren und die freihändige Vergabe immer mehr angewendet werden - die Ausnahme wird zur Regel. Um dieser Gefahr vorzubeugen, besteht oberhalb bestimmter Schwellenwerte die Verpflichtung für den Auftraggeber, einem beschränkten oder formlosen Verfahren einen so genannten offenen Teilnahmewettbewerb vorzuschalten. Dieser Teilnahmewettbewerb hat den Charakter einer öffentlichen Ausschreibung und gibt allen interessierten Firmen die Gelegenheit, sich um eine Teilnahme am folgenden nicht offenen oder Verhandlungs- Verfahren zu bemühen.

Berücksichtigung mittelständischer Interessen
Öffentliche Auftraggeber sind verpflichtet, mittelständische Interessen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen (§ 97 Abs. 3 GWB). Das GWB schreibt öffentlichen Auftraggebern daher vor, Leistungen grundsätzlich in der Menge aufgeteilt (so genannte Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (so genannte Fachlose) zu vergeben.

Welche Bevorzugtenrichtlinien gibt es?
  • Mittelstandsrichtlinie des Bundes - vom 1. Juni 1976
  • "Richtlinie der Bundesregierung zur angemessenen Beteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen in Handwerk, Handel und Industrie bei der Vergabe öffentlicher Aufträge nach der Verdingungsordnung für Leistungen - ausgenommen Bauleistungen - (VOL)"
    Größere Aufträge sollen demnach möglichst in Lose aufgeteilt werden, um eine bessere Beteiligung des Mittelstandes zu gewährleisten.
  • Richtlinien für die Berücksichtigung bevorzugter Bewerber bei der Vergabe öffentlicher Aufträge (Vertriebene, Sowjetzonenflüchtlinge, Verfolgte, Evakuierte, Werkstätten für Behinderte und Blindenwerkstätten)