Arbeitnehmerüberlassung: Änderungen ab 1. April 2017
Neuregelungen ab 1. April 2017 - Kurzübersicht
Zur Neuregelung der Arbeitnehmerüberlassung sind nach der Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) folgende Maßnahmen vorgesehen:
- Zeitarbeitnehmer können künftig bis zu einer Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten bei einem Entleiher eingesetzt werden.
- Zeitarbeitnehmer werden nach neun Monaten hinsichtlich des Arbeitsentgelts mit den Stammarbeitnehmern beim Entleiher gleichgestellt (Equal Pay).
- Verleiher und Entleiher haben die Überlassung von Zeitarbeitnehmern in ihrem Vertrag ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung zu bezeichnen, bevor sie Zeitarbeitnehmer tätig werden lassen. Vor der Überlassung haben sie die Person des Zeitarbeitnehmers unter Bezugnahme auf diesen Vertrag zu konkretisieren.
- Kein Einsatz von Leiharbeitnehmern als Streikbrecher.
- Das Informationsrecht des Betriebsrats über den Einsatz von Zeitarbeitnehmern im Betrieb wird gesetzlich klargestellt.
- Bei einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung werden der vermeintliche Werkunternehmer und sein Auftraggeber auch bei Vorlage einer Verleiherlaubnis nicht besser gestellt als derjenige, der unerlaubt Arbeitnehmerüberlassung betreibt.
Zu den wichtigsten Neuregelungen im Einzelnen wie folgt:
Überlassungshöchstdauer 18 Monate
Ein Zeitarbeitnehmer darf nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate an denselben Entleiher überlassen werden. Die 18-Monatsfrist hat keine Auswirkungen auf bestehende und bis zum 30. März 2017 abgeschlossene Verträge. Die Frist dieser Überlassungshöchstdauer beginnt für Einsätze von Leiharbeitnehmern, die bereits vor dem 01.04.2017 oder seit dem 01.04.2017 beschäftigt werden, am 01.04.2017.
Achtung: Das Ende dieser Frist ist jedoch streitig. Die Frist endet spätestens nach 18 aufeinanderfolgenden Monaten am 30.09.2018. Die Überlassungsdauer muss jedoch nach §§ 187, 188 BGB ermittelt werden, so dass aus Gründen der Vorsicht wir dringend raten, als Fristende für die oben genannten Fälle den 22.09.2018 zu notieren (18 x 30 Tage).
Achtung: Das Ende dieser Frist ist jedoch streitig. Die Frist endet spätestens nach 18 aufeinanderfolgenden Monaten am 30.09.2018. Die Überlassungsdauer muss jedoch nach §§ 187, 188 BGB ermittelt werden, so dass aus Gründen der Vorsicht wir dringend raten, als Fristende für die oben genannten Fälle den 22.09.2018 zu notieren (18 x 30 Tage).
Die 18-monatige Überlassungshöchstdauer ist die maximal zulässige Einsatzdauer des einzelnen Zeitarbeitnehmers und ist daher „arbeitnehmerbezogen“ und nicht „arbeitsplatzbezogen“ zu verstehen. Vorherige Einsatzzeiten desselben Zeitarbeitnehmers bei demselben Entleiher werden angerechnet, egal ob der Einsatz auf verschiedenen Arbeitsplätzen im Betrieb erfolgt. Der Verleiher darf denselben Zeitarbeitnehmer nach Ablauf der 18 Monate nicht auf einen anderen Arbeitsplatz beim selben Entleihunternehmen überlassen. Er darf aber demselben Entleiher nach Ablauf der 18 Monate einen anderen Zeitarbeitnehmer überlassen, ohne dass die vorangegangene Überlassung angerechnet wird.
Nach den 18 Monaten muss die Unterbrechungszeit bei demselben Entleiher mindestens 3 Monate übersteigen (also 3 Monate und 1 Tag), damit der gleiche Zeitarbeitnehmer wieder eingesetzt werden darf. Zur Überbrückung der Unterbrechungszeit ist die Überlassung in einem anderen Konzernunternehmen des Entleihers möglich. Urlaub oder Krankheit zählen nicht als Unterbrechung.
Von der maximal zulässigen Einsatzdauer von 18 Monaten kann durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung abgewichen werden. Es muss sich um einen Tarifvertag der Einsatzbranche handeln. Tarifgebundene Unternehmen (also Mitglieder eines Arbeitgeberverbands) können durch Tarifvertag der Einsatzbranche oder durch Betriebsvereinbarung - wenn der Tarifvertrag der Einsatzbranche eine Öffnungsklausel vorsieht - die Überlassungsdauer erhöhen. Eine zeitliche Grenze ist nicht zu beachten. Nicht-tarifgebundene Unternehmen können im Geltungsbereich eines Tarifvertrags der Einsatzbranche durch Betriebsvereinbarung eine tarifvertraglich abweichende Überlassungshöchstdauer inhaltsgleich übernehmen. Sieht der Tarifvertrag keine Regelung zur Überlassungsdauer aber eine Öffnungsklausel vor, kann durch Betriebsvereinbarung die Höchstüberlassungsdauer von 18 auf maximal 24 Monate angehoben werden. Entleiher ohne Tarifbindung und ohne Betriebsrat können nicht von den 18 Monaten abweichen.
- Achtung: Bei einer Überschreitung der 18 Monate wird das Arbeitsverhältnis zwischen Zeitarbeitnehmer und Verleiher unwirksam. Es entsteht automatisch ein Arbeitsverhältnis zwischen Zeitarbeitnehmer und Entleiher, wobei der Entleiher Schuldner der Sozialversicherungsbeiträge wird. Der Zeitarbeitnehmer darf dem innerhalb eines Monats nach Überschreitung der Höchstüberlassungsfrist schriftlich widersprechen und bleibt Arbeitnehmer des Zeitarbeitsunternehmens (sogenannte Festhaltenserklärung). Ein provisorischer, im Voraus erklärter Widerspruch ist unwirksam.
- Ein Verstoß gegen die Höchstüberlassungsdauer ist eine Ordnungswidrigkeit des Zeitarbeitsunternehmens und kann mit einem Bußgeld von bis zu 30.000 Euro je Einzelfall geahndet werden.
- Es droht der Entzug der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis des Zeitarbeitsunternehmens bei Nichteinhaltung der Höchstüberlassungsdauer.
Gleichstellung bei den Arbeitsbedingungen („Equal Treatment“) und Arbeitsentgelt („Equal Pay“)
Nach 9 Monaten ununterbrochener Einsatzdauer hat ein Zeitarbeitnehmer mit Vertrag ab 1. April 2017 einen Anspruch auf die wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts wie ein vergleichbarer festangestellter Mitarbeiter des Einsatzunternehmens, sogenanntes „Equal Treatment” und „Equal Pay”. Überlassungszeiten vor dem 1. April 2017 werden nicht berücksichtigt. Die 9 Monate fangen somit erst ab dem 1. April 2017 an zu zählen. Wie bei der 18-monatigen Höchstüberlassungsdauer gilt eine Unterbrechungszeit, die mindestens 3 Monate übersteigt, das heißt nach einer Einsatzunterbrechung von 3 Monaten und 1 Tag, wird die 9-monatige Frist neu berechnet.
Bei der Berechnung des „Equal Pay”-Anspruchs sollen alle Bruttovergütungsbestandteile der Lohnabrechnung des vergleichbaren Stammmitarbeiters (Einstiegsstufe) des Einsatzunternehmens berücksichtigt werden: Grundvergütung, Zulagen, Sonderzahlungen (Prämien, 13. Monatsgehalt, Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, Provisionen), Arbeitgeberzuschüsse, Sachbezüge.
Eine Abweichung vom „Equal Pay” (nicht „Equal Treatment”) nach 9 Monaten ist bei Einsätzen in Unternehmen mit einem Branchenzuschlagstarif möglich. Spätestens nach 15 Monaten muss mit den Branchenzuschlägen ein Entgelt erreicht werden, das dem tarifvertraglichen Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer der Einsatzbranche angeglichen ist. Die stufenweise Heranführung an dieses Arbeitsentgelt muss spätestens nach einer Einarbeitungszeit von längstens sechs Wochen beginnen.
Eine Abweichung vom „Equal Pay” (nicht „Equal Treatment”) nach 9 Monaten ist bei Einsätzen in Unternehmen mit einem Branchenzuschlagstarif möglich. Spätestens nach 15 Monaten muss mit den Branchenzuschlägen ein Entgelt erreicht werden, das dem tarifvertraglichen Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer der Einsatzbranche angeglichen ist. Die stufenweise Heranführung an dieses Arbeitsentgelt muss spätestens nach einer Einarbeitungszeit von längstens sechs Wochen beginnen.
Achtung: Eine Nichtgewährung einer Arbeitsbedingung oder des gleichen Entgelts ist eine Ordnungswidrigkeit des Zeitarbeitsunternehmens und kann mit einem Bußgeld von bis zu 500.000 Euro je Einzelfall geahndet werden. Bei Nichteinhaltung droht der Entzug der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis des Zeitarbeitsunternehmens.
Stichtage: Die Fristen zur Höchstüberlassungsdauer und zum „Equal Treatment”/„Equal Pay” sind ab dem Stichtag 1. April 2017 zu berechnen. Das bedeutet, das Erreichen der Höchstüberlassungsdauer ist erstmals am 30. September 2018 und „Equal Treatment”/„Equal Pay” ist erstmals ab dem 1. Januar 2018 möglich.
Vertragliche Dokumentationspflichten
Der Vertrag zwischen Verleiher und Entleiher muss schriftlich geschlossen werden und ist ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zu bezeichnen. Der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag ist vor Einsatzbeginn zu unterzeichnen. Darüber hinaus sind die Zeitarbeitnehmer vor Überlassung unter Bezug auf den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag konkret zu benennen. Vor Überlassung ist der Leiharbeitnehmer durch den Verleiher darauf hinzuweisen, dass er als Leiharbeitnehmer tätig wird. Ein Verstoß des Verleihers als auch des Entleihers kann mit einem Bußgeld von bis zu 30.000 Euro geahndet werden.
Streikbrecher-Verbot
Der Entleiher darf keine Zeitarbeitnehmer tätig werden lassen, wenn sein Betrieb unmittelbar durch einen Arbeitskampf betroffen ist. Es sei denn, die Zeitarbeitnehmer führen während des Arbeitskampfs keine Tätigkeiten von streikenden Mitarbeitern aus (zum Beispiel Einsatz in einer anderen Abteilung oder einem nicht bestreikten Bereich).
Ein Verstoß kann mit einem Bußgeld bis zu 500.000 Euro geahndet werden.
Ein Verstoß kann mit einem Bußgeld bis zu 500.000 Euro geahndet werden.
Information des Betriebsrats des Entleihers
Zeitarbeitnehmer beim Entleiher sind künftig bei Schwellenwerten des Betriebsverfassungsgesetzes (Ausnahme: § 112a BetrVG: Erzwingbarer Sozialplan) mitzuzählen. Bei Überlassungszeiten von mehr als sechs Monaten zählen Zeitarbeitnehmer auch bei anderen Mitbestimmungsgesetzen mit.
Zukünftig muss der Entleiher seinen Betriebsrat rechtzeitig über den Einsatz von Zeitarbeitnehmern informieren, insbesondere den zeitlichen Umfang des Einsatzes, den Einsatzort sowie die Arbeitsaufgaben. Auch müssen dem Betriebsrat die dem Einsatz zugrundeliegenden Verträge vorgelegt werden.
Scheinwerkverträge sind nicht mehr durch eine „Vorratserlaubnis“ gedeckt
Die Arbeitnehmerüberlassung muss offengelegt werden. Die Arbeitsverträge zwischen Verleiher und Zeitarbeitnehmer sind ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung zu bezeichnen. In einem Dienst- oder Werkvertrag, der nach der tatsächlichen Durchführung eine Arbeitnehmerüberlassung ist, bietet die Erlaubnis des Verleihers, (auch) Arbeitnehmerüberlassung durchführen zu dürfen, nicht länger einen geeigneten Schutz.
Eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung (sogenannter „Scheinwerkvertrag“ oder „Scheindienstvertrag“) wird zukünftig wie eine Überlassung ohne Erlaubnis behandelt. Das heißt, die bisherige sogenannte „Fallschirmlösung“ bei der sich der Verleiher auf die Vorratsarbeitnehmerüberlassungserlaubnis berufen konnte, wenn sich ein als Dienst- oder Werkvertrag als Arbeitnehmerüberlassung herausstellte, ist nicht mehr möglich. Es wird künftig ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Zeitarbeitnehmer fingiert. Allerdings kann der Zeitarbeitnehmer innerhalb eines Monats gegenüber der Agentur für Arbeit sowie dem Ent- oder Verleiher erklären, dass er am ursprünglichen Arbeitsvertrag festhalten möchte.
Bestehende Dienst- oder Werkverträge müssen bis zum 1. April 2017 darauf geprüft werden, ob es sich wirklich um einen echten Werkvertrag oder Dienstvertrag handelt. Mit der Einfügung eines neuen § 611a im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) wird anhand der höchstrichterlichen Rechtsprechung gesetzlich niedergelegt, wer Arbeitnehmer ist. Damit ändert sich in der Praxis gegenüber der bisherigen Rechtslage nicht viel. Welches Rechtsverhältnis vorliegt, ist nur anhand einer Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist letztere nach dem Bundesarbeitsgericht maßgebend (Urteil vom 25. September 2013 – 10 AZR 282/12).
Die Grenze zur Arbeitnehmerüberlassung ist überschritten, wenn der Auftraggeber den Personaleinsatz genauso steuert wie bei eigenen Mitarbeitern (insbesondere, aber nicht abschließend: arbeitsrechtliche Weisungen hinsichtlich Inhalt, Zeit und Ort der Arbeitsleistung; Eingliederung in die betriebliche Organisation des Auftraggebers wie Einbindung in Dienstpläne, Telefon- und Mitarbeiterverzeichnisse, Einsatz von Betriebsmitteln des Auftraggebers, kein unternehmerisches Risiko des Werkunternehmers). Je mehr der Auftraggeber selbst entscheidet, wer wann was macht und er die Beschäftigten des Werkunternehmers exakt nach Bedarf bestellt und sie dann eigenverantwortlich einsetzt, desto eher ist davon auszugehen, dass es sich um eine Arbeitnehmerüberlassung handelt.
Eine Überlassung ohne Erlaubnis oder ein Verstoß gegen die Offenlegung als Arbeitnehmerüberlassung kann mit einem Bußgeld von bis zu 30.000 Euro geahndet werden.
Hinweis: Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Stand: März 2017.