Überblick: Sanktionen gegen Russland

(30.01.2019) Trotz der seit 2017 spürbaren Erholung der russischen Wirtschaft gibt es eine Reihe von Aspekten, die deutschen Unternehmen große Sorgen bereiten. Ein großer Hemmschuh sind und bleiben die Sanktionen; vor allem Unsicherheiten im Hinblick auf die US-Sanktionen und die russischen Gegensanktionen. Hier ist die Problematik mittlerweile sehr komplex geworden, da seit 2014 eine regelrechte Sanktionsspirale in Gang gesetzt wurde.

Welche Sanktionsmaßnahmen wurden 2014 verhängt und wie haben sich diese auf die Geschäftstätigkeit deutscher Unternehmen ausgewirkt?

Die EU und andere westliche Partner haben erstmals im Frühjahr 2014 Sanktionen gegen Russland verhängt. Die so genannten „Krim-Sanktionen“ betrafen zunächst nur Einzelpersonen der russischen Machtelite, für die u.a. Reisesperren verhängt wurden oder deren Auslandsvermögen eingefroren wurde. Auch knapp 40 russische Unternehmen wurden im März 2014 mit Sanktionen belegt.
Die EU-Sanktionen wurden im August 2014 insbesondere aufgrund der Einmischung Russlands in der Ostukraine sowie des Abschusses der Passagiermaschine MH 17 zu sektoralen Wirtschaftssanktionen ausgeweitet. Die nach wie vor geltenden Sanktionen betreffen den Finanz- und Rüstungssektor, Explorationstechnik für den Energiesektor sowie Güter mit doppeltem Verwendungszweck (sogenannte „dual-use-Güter“). Für deutsche Unternehmen in den betreffenden Branchen ergibt sich daraus nicht nur das Wegbrechen eines wichtigen Marktes, sondern auch ein deutlich höherer (bürokratischer) Aufwand im Bereich der Exportkontrolle bei der Ausfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck.
Als Reaktion auf die EU-Sanktionen hat Russland im Sommer 2014 Gegensanktionen eingeführt. Sie zielen auf die Schwächung der Absatzmöglichkeiten für den europäischen bzw. deutschen Agrarsektor ab.
EU erwägt neue Sanktionen wegen Kertsch-Krise
Die EU-Außenminister wollen im Februar wegen der Krise im Asowschen Meer über neue Russland-Sanktionen beraten. Die in der Meerenge von Kertsch festgesetzten ukrainischen Seeleute seien weiterhin in Haft, deshalb könnten vor allem Deutschland und Frankreich schärfere Strafen unterstützen, erklärten EU-Diplomaten in Brüssel gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Außerdem ist eine hochrangige EU-Mission unter österreichischer Leitung in die Region entsandt worden, um die politische Situation vor Ort zu untersuchen.

Welchen Einfluss haben die US-Sanktionen auf die Geschäftstätigkeit deutscher Unternehmen in Russland?

Während sich die überwiegende Anzahl der deutschen Unternehmen mit den o.g. EU-Sanktionen bzw. den russischen Gegensanktionen durch eine Veränderung ihres Produktportfolios etc. angepasst haben, treibt die deutsche Wirtschaft seit Sommer 2017 eine neue Sorge um.
Der Grund hierfür ist der so genannte „Countering America´s Adversaries Through Sanctions Act“ (CAATSA), der am 02. August 2017 in Kraft trat. Hierbei handelt es sich um eine Verschärfung der schon vorher bestehenden US-Sanktionen gegen Russland, die u.a. mit der Einmischung Russlands in den US-Wahlkampf sowie Russlands Vorgehen in Syrien begründet wurde. Betroffen von den US-Strafmaßnahmen sind insbesondere der russische Energiesektor, der Bergbau, die Rüstungsbranche sowie der Eisenbahnsektor.
Problematisch aus Sicht der deutschen Wirtschaft ist die mögliche exterritoriale Wirkung der US-Sanktionen, d.h. die Gefahr, dass auch deutsche Unternehmen unter US-Strafmaßnahmen fallen, wenn sie mit russischen Unternehmen in den betreffenden Branchen zusammenarbeiten. Etwaige Strafen umfassen beispielsweise Finanz- und Eigentumstransaktionsbeschränkungen und die Aufnahme in eine „schwarze Liste“. Da viele der exportorientierten deutschen Unternehmen sowohl Russland- als auch US-Geschäft haben, löst die territoriale Beschränkung der Anwendbarkeit des CAATSA auf US-Territorium das Problem für die betroffenen deutschen Unternehmen keinesfalls.
Schaden für die deutsche Wirtschaft droht insbesondere durch ausfallende Neugeschäfte – nicht zuletzt deshalb, weil Banken bei der Finanzierung von Projekten ausländischer Unternehmen in Russland zurückhaltender agieren. Da die US-Sanktionen zudem vergleichsweise explizit auf die Verhinderung (neuer) europäisch-russischer Pipeline-Projekte – insbesondere Nord Stream 2 – abzielen, ist auch die europäische Versorgungssicherheit durch die US-Sanktionen potenziell gefährdet.

Welche aktuellen Entwicklungen gibt es hinsichtlich der US-Sanktionen und wie wirken sie sich auf die Geschäftstätigkeit deutscher Unternehmen in Russland aus?

Im Januar und April 2018 wurden die US-Sanktionen vom US-Schatzamt weiter ausgestaltet. Am 11. Juni 2018 wurden fünf weitere russische Unternehmen und drei russische Personen sanktioniert. So wurden beispielsweise die Vermögenswerte russischer Oligarchen in den USA eingefroren, Einreiseverbote verhängt und geschäftliche Beziehungen der auf der Sanktionsliste stehenden Personen und Unternehmen zu US-Firmen und US-Bürgern untersagt.
Auch hierbei ist eine exterritoriale Wirkung zu befürchten, d.h. auch ausländische Firmen, die zu den Personen auf der Sanktionsliste geschäftliche Kontakte unterhalten, könnten unter die US-Strafmaßnahmen fallen.
Zahlreiche deutsche Unternehmen stellte insbesondere die Aufnahme des Oligarchen Oleg Deripaska auf die US-Sanktionsliste vor große Herausforderungen. Als Vorstandschef des Konzerns En+ hat Deripaska auch die Kontrolle über Rusal, den zweitgrößten Aluminiumproduzenten der Welt sowie über die Automobilwerke GAZ Group. Viele deutsche Unternehmen – nicht zuletzt in der Automobilbranche – sind in nicht unerheblichem Umfang von den Aluminiumlieferungen Rusals abhängig. 
Das OFAC hat am 27.1.2019 die Sanktionslistungen gegenüber den Firmen En + Group plc (En +), UC Rusal plc (Rusal) und JSC EuroSibEnergo (ESE) aufgebhoben. Oleg Deripaskas hat seine direkten und indirekten Beteiligungen an den Unternehmen En +, Rusal und ESE reduziert und hat somit seine Kontrolle abgegeben.
Durch diese Maßnahme wird sichergestellt, dass die Mehrheit der Direktoren im En + und Rusal Board unabhängige Direktoren sein werden, einschließlich US-amerikanischer und europäischer Personen -, die keine geschäftlichen, beruflichen oder familiären Verbindungen zu Deripaska oder einer anderen gelisteten Person (SDN) haben. Die Unternehmen haben sich außerdem gegenüber der OFAC-Behörde erklärt, dass die behördlichen Auflagen zu Prüfungs-, Zertifizierungs- und Berichterstattungsanforderungen vollumfänglich in der Zukunft erfüllt werden. Die Sanktionen gegen Deripaska als Einzelperson bleiben aber weiterhin in Kraft. Unklar bleibt die Zukunft der ebenfalls von US-Sanktionen betroffenen GAZ-Gruppe, die in Russland unter anderem mit VW und Daimler zusammenarbeitet. Oleg Deripaska muss seine Anteile an GAZ laut US-Sanktionsbehörde OFAC bis zum 6. Juli 2019 reduzieren.
Skripal-Sanktionen wahrscheinlich
Das US-Außenministerium hat den Kongress benachrichtigt, dass Russland die Deadline dafür verstreichen ließ, glaubhaft den zukünftigen Verzicht auf einen Chemiewaffen-Einsatz zu versichern. Ende August hatten die USA bereits ein erstes Sanktionspaket eingeführt und eine 90-Tage-Frist gesetzt. Das Ultimatum sah unter anderem die Inspektion russischer Labore durch amerikanische Experten vor, um weitere Maßnahmen zu verhindern. Nachdem Russland diese Frist ohne Reaktion verstreichen ließ, werde man sich nun mit dem Kongress über die Einführung einer Runde neuer Sanktionen beraten, erklärte das State Department.
Die Trump-Administration muss nun drei von sechs möglichen Strafmaßnahmen aus den folgenden Optionen auswählen: 
  • Beschränkungen für die Einfuhr von russischem Öl in die USA
  • Verbot für den Export von US-Technologie- und -Nahrung nach Russland
  • Eingeschränkter Zugang für Russland auf internationale Finanzmärkte
  • Verbot für Kreditvergaben an die russische Regierung
  • Reduzierung der diplomatischen Beziehungen
  • Anflugverbote für russische Airlines in den USA. 
US-Präsident Donald Trump kann die Einführung neuer Sanktionen jedoch verhindern, wenn er der Auffassung ist, dass deren Ablehnung im nationalen Interesse der Vereinigten Staaten ist. Ein Sprecher des US-Außenministeriums betonte, dass es keine Eile gebe, eine Entscheidung zu treffen: Der Chemical and Biological Weapons Control and Warfare Elimination Act von 1991 sehe keinen Zeitplan dafür vor, wann die Konsultationen mit dem Kongress beendet werden müssen.

Welche Auswirkungen haben die russischen Gegensanktionen für deutsche Unternehmen?

In Russland werden derzeit mehrere Gesetzentwürfe für Gegensanktionen diskutiert. Ein russischer Gesetzentwurf, der Managern bei der Befolgung ausländischer Sanktionen mit bis zu vier Jahren Haft oder Arbeitslager droht, könnte abgeschwächt in 2. Lesung womöglich noch vor dem Sommer von der Staatsduma verabschiedet werden. Es gibt Vorschläge, statt der ursprünglich vorgesehenen strafrechtlichen Verantwortlichkeit für die Umsetzung von ausländischen Sanktionen, zunächst nur verwaltungsrechtliche Strafen einzuführen und diese erst bei Wiederholung strafrechtlich zu verfolgen.
Ein weiteres russisches Gesetz zu Gegensanktionen, das sich auf den Import von Gütern bezieht, ist bereits am 4. Juni 2018 in Kraft getreten. Es erlaubt dem russischen Präsidenten, Restriktionen gegen die USA und ihre Verbündeten als Reaktion auf "unfreundliche Aktionen" gegen Russland zu verhängen. Gemäß dem Dokument kann der Präsident insbesondere die Einfuhr bestimmter Waren aus anderen Ländern verbieten und die Zusammenarbeit mit anderen Staaten und Unternehmen, die in deren Zuständigkeitsbereich fallen, aussetzen. Die Verantwortung für die Erstellung einer Liste solcher Güter liegt bei der Regierung. Das Kabinett kann dem Präsidenten auch vorschlagen, den Export von Produkten aus Russland durch ausländische Unternehmen zu beschränken.

Welche Russland-Geschäfte sind für deutsche Unternehmen noch erlaubt?

Deutsche Unternehmen müssen zunächst die seit 2014 geltenden EU-Sanktionen gegen Russland beachten. Die Einhaltung von US-Recht ist danach nicht vorgeschrieben. Allerdings werden die deutschen Unternehmen mit Blick auf eventuelle Sekundär-Sanktionen in den USA selbst abwägen müssen, inwieweit sie sich mit russischen Geschäftspartnern engagieren. Die sogenannten Sekundär-Sanktionen (engl. secondary sanctions) zielen auf Unternehmen und Russland-Geschäfte ohne direkte US-Verbindung. Die Sekundär-Sanktionen können daher auch für deutsche Unternehmen Auswirkungen haben. Denn bei Verstößen gegen die Sekundär-Sanktionen könnten die US-Behörden das Unternehmen auf eine schwarze Liste setzen. Dann dürfte von US-Seite kein Geschäft mehr mit dem gelisteten Unternehmen gemacht werden. Das kann wiederum auch deutsche Unternehmen, die in Russland Geschäft haben, betreffen, wenn nun zum Beispiel Lieferungen aus den USA verweigert werden.
Zwar hat das US-Schatzamt zu den US-Sanktionen neben den Listen sanktionierter Personen auch umfangreiche FAQ veröffentlicht. Entscheidende Fragen bleiben aber dennoch ungeklärt: Ab welcher Höhe gilt eine Transaktion als „signifikant“? Was ist mit Altverträgen? Die amerikanische Rechtslage ist komplex und die umfangreichen Bestimmungen und vagen Ausführungen der amerikanischen Behörden helfen bei der Beurteilung im Einzelfall gerade für kleine und mittelständische Unternehmen ohne eigene Rechtsabteilung nicht weiter.
Unternehmen könnten außerdem indirekt von den US-Sanktionen betroffen sein, wenn sie nach einer Finanzierung für ihr Russland-Geschäft suchen. Denn Banken, die selbst US-Geschäft haben, werden vermutlich zurückhaltend bei der Finanzierung von Russland-Geschäften sein.