"Wir fordern ein Umdenken von der Politik"

von Frank Hesse, IHK
Die Delkeskamp Verpackungswerke sind eines der ersten regionalen Unternehmen, das in der Folge der Russland-Ukraine-Krise eine Betriebsschließung erwog. Was war der Anlass der Überlegungen?
Nach den unvorhersehbaren Ereignissen des Ukraine-Krieges seit dem 24. Februar 2022, haben sich die schon seit Ende 2021 auf sehr hohem Niveau befindlichen Erdgaspreise nochmals verdreifacht. Um nicht die gesamte Unternehmensgruppe zu gefährden, entschlossen wir uns, den Betriebsteil der Papierherstellung aus Altpapier in Gänze zu schließen - was uns wahrlich nicht leichtgefallen ist angesichts einer 60jährigen Tradition dieses Geschäftsfeldes. Aber aufgrund all der uns zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Informationen und den unvorhersehbaren Auswirkungen der Ukrainekrise für die Zukunft, gab es keine Alternative.
Zwischenzeitlich zeichnet sich ab, dass eine Schließung möglicherweise abgewendet werden kann…
Geschäftspartner, Lieferanten und insbesondere unsere Kunden haben sich ad hoc gemeldet und unterschiedlichste Arten der Hilfen in großer Solidarität angeboten. Aktuell sind wir mit allen im Gespräch, um nachhaltige Lösungen zu suchen, die für alle tragbar sind und die Arbeitsplätze der Mitarbeiter sichern.
Ihr Unternehmen ist nicht das einzige, das unter den hohen und weiter steigenden Gaspreisen leidet. Welche kurzfristige Unterstützung erwarten Sie von der Politik?
Die Politik ist leider sehr beschäftigt mit den Auswirkungen des Ukraine-Krieges und der absolut notwendigen diplomatischen Verhandlungen. Die Arbeitgeberverbände und meine Person als stellv. Vorsitzender des IAV Osnabrück versuchen derzeit alles Mögliche, um auch auf die innerdeutschen Probleme ihrer Mitglieder hinzuweisen. Wir brauchen nicht nur Maßnahmen, die der Bevölkerung helfen, sondern klare, schnelle Unterstützung für die Industriebranchen, die von der Explosion der Energiekosten extrem betroffen sind. Die Politik muss durch Verzicht auf Steuern und Abgaben bei den Energiekosten entlasten. Und es geht uns auch um Beschäftigung! In der jetzigen Situation greift das Instrument der Kurzarbeit leider nicht. Hier fordern wir ein Umdenken von der Politik und den Agenturen für Arbeit, um Mitarbeiter – trotz vorübergehender Stilllegungen – bei ihren Arbeitgebern halten zu können.
Aktuell ist der Krieg der Anlass für die Gaspreissteigerungen. Die Energiekosten zogen jedoch schon vorher an. Insbesondere durch die Energiewende. Wie bewerten Sie diese für den Standort Deutschland?
Langfristig brauchen wir eine nachhaltige Energiepolitik, die bestehende hohe Abhängigkeiten mindert und dadurch den Standort Deutschland stärkt. Dies ist in den vergangenen zehn Jahren leider mehr als versäumt worden. Spontane Entscheidungen zur Einstellung der Atomkraft - der Tschernobyl-Effekt-, oder derzeitige Überlegungen mit Gaskraftwerken die Wende zu schaffen, sind ebenso wie fehlende Stromtrassen für Offshore-Windkraft mit Blick auf den Klimaschutz die falschen Ansätze.
Was können Unternehmen selbst tun, um dem Problem steigender Energiepreise und damit geringerer Wettbewerbsfähigkeit zu begegnen?
Auf die aktuellen Veränderungen in puncto steigender Preise in vielen Bereichen, und das heißt nicht nur: mit Blick auf die Energiekosten, können Unternehmen in so kurzen Zeiträumen nicht wirklich reagieren. Mit wenigen Ausnahmen trifft es innerhalb der einzelnen Industriebranchen alle gleichermaßen, so dass die Wettbewerbsfähigkeit weniger kritisch ausfallen wird. Jetzt müssen nur alle am gleichen Strang ziehen. Mittel- bis langfristig müssen Politik und Unternehmen mehr Alternativen entwickeln, was den Bezug von notwendigen Rohstoffen und fossiler Energie anbelangt und deren Bezug sichert.
Energiesparen ist nur ein Aspekt von Nachhaltigkeit. Was tut ihr Unternehmen außerdem in Sachen Nachhaltigkeit?
Mit einer eigenen Nachhaltigkeitsstrategie haben wir den Weg für eine ökologisch nachhaltige, wirtschaftlich zukunftsfähige und sozial gerechte Unternehmensgruppe geebnet und wird diesen Weg weiter erfolgreich beschreiten. Das Fundament der ökonomischen Nachhaltigkeit bei Delkeskamp sind stetes Wachstum und der wirtschaftliche Erfolg. Die Unternehmensgruppe orientiert sich dabei an den Anforderungen des Marktes. Ein vorausschauendes betriebswirtschaftliches Vorgehen sorgt für sichere Arbeitsplätze, Investitionsfreude und damit eine nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit.
Soziale Verantwortung aktiv wahrzunehmen, das ist tief in der Familien-DNA verwurzelt. Wir suchen bewusst den partnerschaftlichen Austausch mit unseren Kunden, Lieferanten und Geschäftspartnern und engagieren uns auf vielfältige Weise für unsere Beschäftigten, die Region, Vereine und Institutionen.
Umwelteffiziente und fortschrittliche Technologien sowie eine kontinuierliche Verbesserung der Produktionsprozesse, der eingesetzten Energien und eine Verringerung der Beanspruchung natürlicher Ressourcen sind zentrale Themen unserer Verantwortung für nachfolgende Generationen.
Ein kurzer Blick zurück: Wie hat sich Ihr Unternehmen eigentlich in der Corona-Krise entwickelt?
Der hohe Anteil an Kunden in der Lebensmittelindustrie und ein zunehmender Onlinehandel haben auch in der Corona-Krise zu stabilen Umsätzen geführt. Hinzu sind unterschiedliche Kundenbranchen, z.B. die Handwerker- und Elektronikbranche, gekommen, die aufgrund von Entbehrungen der Menschen - z.B. Urlaub - in der Krise zu verstärkten Umsätzen gekommen sind.
Sie führen das Unternehmen in vierter Generation. Wird die Delkeskamp-Gruppe weiter ein regional verwurzeltes Familienunternehmen bleiben?
Die Kultur als Familienunternehmen mit einer engen Bindung zu den Mitarbeitenden und den Menschen im Umfeld ist seit über hundert Jahren ein entscheidender Erfolgsfaktor. Das wird so bleiben. Dennoch werden wir auch immer wieder im Blick haben, wie es gelingt, die Unternehmensgruppe wettbewerbsfähig zu halten.
Im Jubiläumsjahr 2021 wurden in der Delkeskamp Unternehmensgruppe zentrale Weichen für die nächsten Jahre gestellt. Mit meinem Sohn, Nicholas Delkeskamp, ist die fünfte Generation der Inhaberfamilie in das Unternehmen eingetreten. Vorgesehen ist, dass er ab 2023 nach und nach die Verantwortung in der Steuerung der Unternehmensgruppe übernimmt. Sein wichtigster Partner in der Geschäftsführung wird dabei Felix Levold sein. Für meine langjährige Geschäftsführung, die Ende 2022 enden wird, ist es an der Zeit und gute Gelegenheit zugleich, jetzt einen Beirat zu berufen. Ich beabsichtige, den Vorsitz zu übernehmen, um das neue Gremium ab 2023 mit beratender Funktion, wenigen Entscheidungsbefugnissen, aber der familiären Kontrollfunktion aller Gesellschafter zu lenken.
Wo sehen Sie die wesentlichen Zukunftsfelder für Ihr Unternehmen?
Grundsätzlich ist das Kerngeschäft von DELKESKAMP, ein integraler Bestandteil der Kreislaufwirtschaft durch die nachhaltige Nutzung von Altpapier für die Herstellung von Wellpappenrohpapieren sowie deren Weiterverarbeitung in der Wellpappenherstellung.
Ein spannendes Thema ist der individualisierte Digitaldruck, d.h. die Möglichkeit, Verpackungen mit qualitativ hochwertigem Druck zu veredeln ohne hohe Rüstzeiten der Maschine. Es ist davon auszugehen, dass wir in der Zukunft – anders als heute an einer Stelle zentral – vor jeder unserer Stanzen direkt ein eigenes Digitaldruckwerk stehen haben. Damit sind wir in der Lage, schneller auf Kundenwünsche individualisierter Druckbilder zu reagieren.
Ein weiterer Trend ist, dass sich die Zahl der Wellpappenverpackungen im Handel verbreitert, und es gibt eine Entwicklung hin zu nachhaltigen Mehrwertmaterialien. Insgesamt geht es darum, für weitere Verpackungslösungen umweltfreundlichere Ansätze zu finden. Für unsere Entwicklungsabteilung lautet die Frage: Was gibt es noch, wo wir mit unseren Produkten neue Lösungen bieten können?
Mit Blick auf den Online-Handel sind wir überzeugt, dass überwiegend keine Verpackungen wegfallen, sondern meist eine weitere Umverpackung dazukommt. Aus unserer Sicht sind die Chancen insgesamt größer als die Risiken, die diese Veränderungen nach sich ziehen. Allerdings: Wenn der Handel durch einen Online-Riesen betrieben wird oder die Waren direkt aus China kommen, dann sind wir nicht der richtige Partner. Zum einen wegen unserer Firmengröße, zum anderen, weil Verpackungen dort hergestellt werden, wo sie benötigt werden.