Elektromobilität in Hongkong auf dem Vormarsch

(22.06.2020) Hongkong bietet im Prinzip ideale Bedingungen für Elektromobilität. Insbesondere die in Deutschland viel diskutierte Reichweitenproblematik spielt so gut wie keine Rolle. Die meisten Autobesitzer können nämlich das Gebiet der Sonderverwaltungsregion, das in etwa so groß wie das Saarland ist, gar nicht verlassen. Die längste Strecke, die man fahren kann, beträgt rund 50 Kilometer.
In Sachen E-Mobility fuhr die Regierung bislang eher eine Zick-Zack-Politik. Zunächst wurde für rein batteriebetriebene Fahrzeuge die hohe Erstzulassungssteuer (First Registration Tax) erlassen. Diese kann bis zu 115 Prozent des Neuwagenpreises betragen. Dann wurden die Vorteile wieder stark zusammengestrichen. Vom 28. Februar 2018 bis zum 31. März 2021 werden private Elektroautos wieder stärker, aber gezielter gefördert.
So gibt es beim Neukauf einen Nachlass der Erstzulassungssteuer in Höhe von umgerechnet 12.500 US-Dollar (US$). Wer jedoch seinen alten Wagen mit Verbrennungsmotor komplett verschrottet, kommt in den Genuss einer Vergünstigung von bis zu 32.000 US$. Der Vorsteuerkaufpreis des neuen elektrischen Pkw darf jedoch bei höchstens 48.400 US$ liegen. Zudem muss das alte Fahrzeug mindestens fünf Jahre alt sein und vor der Verschrottung 18 Monate lang im Besitz des aktuellen Eigentümers beziehungsweise zehn Monate lang auf diesen zugelassen gewesen sein.
Preiswertere Modelle der Mittelklasse befeuern das Geschäft
Die neuen Regelungen führten zunächst zu keiner spürbaren Belebung des Umsatzes an Elektrofahrzeugen. Doch dann zogen Autohersteller nach und fluteten Hongkong mit einem relativ großen Angebot an preiswerten batteriebetriebenen Pkw. Bislang waren auf den Straßen der SVR fast nur die teuren Luxusvarianten S (Limousine) und X (SUV) von Tesla zu sehen. Doch das erfolgreiche US-Unternehmen führte Ende 2019 sein deutlich preiswerteres Model 3 ein, das sich besonders gut verkaufen ließ. Allerdings wurden hochpreisige Modelle nun kaum noch gekauft – ein klassischer Kannibalismuseffekt. Hyundai, Kia sowie Nissan zogen mit nochmals preisgünstigeren Fahrzeugen nach.
Neuzulassungen stiegen 2019 um mehr als das Fünffache
Seitdem kann sich in der SVR auch der Normalverbraucher ein Elektrofahrzeug leisten. Infolgedessen stiegen 2019 die entsprechenden Neuzulassungen (ohne Hybridfahrzeuge) nach Angaben der obersten Hongkonger Verkehrsbehörde, dem Transport Department, im Vergleich zum Vorjahr um den Faktor fünf auf über 2.400 Fahrzeuge. Gemessen an den gesamten Neuzulassungen entsprach dies einer Quote von gut 6 Prozent.
Der Aufwärtstrend setzte sich 2020 trotz der Auswirkungen der Coronakrise, die zu einem deutlichen Absatzrückgang auf dem Gesamtmarkt führte, fort. Im 1. Quartal 2020 zählte die Verkehrsbehörde bereits rund 930 Neuzulassungen von Elektrofahrzeugen. Bei fast drei Viertel handelte es sich um Tesla-Modelle.
Tesla baut mit dem Model 3 seine dominierende Stellung aus
Damit konnte das US-Vorzeigeunternehmen seinen Marktanteil gegenüber 2019 noch einmal deutlich vergrößern. Durch den frühzeitigen Ausbau eines firmeneigenen Schnellladenetzes – in zahlreichen Parkhäusern sind Tesla-Stationen zu finden – konnte es seine Vormachtstellung festigen und auch Absatzflauten wie zuletzt in 2018 überleben.
Deutsche Autobauer konnten vom Absatzboom bei Elektroautos nur bedingt profitieren. Sie erzielten 2019 einen Anteil an den entsprechenden Neuzulassungen von weniger als 6 Prozent. Das ist auch der Modellpolitik geschuldet. BMW und Volkswagen brachten keine neuen Modelle auf den Markt. Smart konnte sich allerdings als Nischenanbieter etablieren. Audi präsentierte 2020 den e-tron und stieg damit erstmals in den Wettbewerb ein. 
Regierung dürfte Elektromobilität noch stärker fördern
Die Nachfrage nach batteriebetriebenen Autos dürfte weiter steigen. Die Regierung will Verbrennungsmotoren langfristig von der Straße verbannen, wobei entsprechende Pläne noch nicht konkret formuliert wurden. Das Umweltministerium nennt einen Zeitrahmen von 10 bis 20 Jahren. Die Behörde ist jedoch nicht besonders einflussreich. Generell spielen Umweltaspekte in der ehemaligen britischen Kolonie nur eine nachgeordnete Rolle.
Ein Gesetz, das Zulassungen von Verbrennungsmotoren ab einem gewissen Zeitpunkt verbietet, ist wohl noch nicht in Vorbereitung. In Hongkong agiert der Staat nur äußerst ungern mit Verboten. Generell greift er kaum ins Wirtschaftsgeschehen ein. Doch zur Bekämpfung der negativen Folgen der Coronakrise pumpt der Fiskus viel Geld in zahlreiche Sparten und Branchen. Wahrscheinlich dürfte auch die Elektromobilität dazu zählen.
Während reine Elektroautos heiß begehrt sind, entwickeln sich Hybridfahrzeuge zum Ladenhüter. Sie genießen nämlich keinerlei Steuervorteile. Wie stark der Rückgang der entsprechenden Neuzulassungen ist, lässt sich allerdings nicht ermitteln. Diese Antriebsart wird statistisch nicht gesondert erfasst. Diesel-Pkw werden zudem praktisch nicht mehr nachgefragt. Sämtliche Taxis in Hongkong setzen auf Gasantrieb (LPG).
Quelle: GTAI