Chinas Grenzen bleiben noch lange geschlossen

China hat die Coronapandemie bereits im Sommer 2020 in den Griff bekommen. Seitdem gab es nur noch vereinzelte, lokal begrenzte Ansteckungen. Infolgedessen konnte die Volksrepublik im Inland weitgehend zur Normalität übergehen. Daran hat auch die kleinere Ansteckungswelle, die Ende Mai 2021 die südliche Provinz Guangdong erfasste, wenig geändert. Doch schon bei kleinsten, lokalen Infektionsausbrüchen werden schwerste Geschütze aufgefahren. In der Provinzhauptstadt Guangzhou mit fast 15 Millionen Einwohnern musste sich beispielsweise die gesamte Bevölkerung testen lassen. Obwohl die Sieben-Tage-Inzidenz wohlgemerkt bei einem Wert von deutlich unter eins lag.
Außerdem kamen in Guangdong lokale Lockdowns zum Tragen und Hunderte von Flügen wurden gestrichen. Auch Containerhäfen mussten ihre Abfertigungskapazitäten herunterfahren. Weil sich mehrere Arbeiter mit dem Coronavirus infiziert hatten, schlossen die Behörden Ende Mai 2021 beispielsweise für eine Woche den Hafen in Yantian bei Shenzhen. Inzwischen beeinträchtigen die lokalen Ausbrüche in Südchina auch den Schiffsverkehr mit Europa und den USA. Die weltweiten Folgen sind nach Einschätzung der Containerschiff-Reederei Maersk weitreichender als die Sperrung des Suezkanals infolge des havarierten Frachters Ever Given. Obwohl die Regierung das Infektionsgeschehen in Südchina schnell unter Kontrolle brachte, blieben etliche Einschränkungen auch Ende Juni 2021 noch in Kraft.
Selbst die Grenze zu Hongkong ist dicht
In vielen weiteren Landesteilen geht das Leben normal weiter; lediglich die Grenzen bleiben geschlossen. Geschäftsreisende und Touristen dürfen seit fast anderthalb Jahren nicht mehr einreisen. Ortsansässige müssen für mehrere Wochen in Hotelquarantäne, selbst wenn sie vollständig geimpft sind. Die Erteilung von Arbeitsvisa erfolgt nur noch schleppend. Selbst die Grenze zur Sonderverwaltungsregion (SVR) Hongkong, wo seit Februar 2021 nahezu keine lokalen Krankheitsfälle mehr verzeichnet wurden, bleibt dicht.
Für ausländische Unternehmen sind die Folgen schwerwiegend. Firmen können Kunden, Lieferanten oder Messen nicht besuchen, wenn sie keine lokalen Kräfte vor Ort haben. Die digitale Geschäftspraxis mittels des Einsatzes von digitalen Tools ermöglicht einen Ausweg. Des Weiteren bietet die Deutsche Auslandskammer (AHK Greater China) entsprechende Dienstleistungen an. Dennoch handelt es sich dabei nur um Notlösungen. Denn was soll etwa ein Maschinenbauer unternehmen, wenn er kein Installations- oder Wartungsteam entsenden kann?
Ausländische Firmen bangen um Marktanteile
Noch können Unternehmen mit der jetzigen Situation zähneknirschend auskommen, da die ausländische Konkurrenz gleichermaßen von der Situation betroffen ist. Doch langsam mehren sich die Sorgen, dass zunehmend Marktanteile an chinesische Wettbewerber verloren gehen. Das Land – so die Befürchtung – nutze die Lage, um die Lokalisierung der Wirtschaft weiter voranzutreiben. Je länger die Grenzen geschlossen bleiben, desto dringlicher wird diese Problematik.
Nahezu alle Firmen, die in China tätig sind, stellen sich daher die gleiche Frage: Wann ist endlich mit Lockerungen der Einreisebeschränkungen zu rechnen? Eine punktgenaue Antwort gibt es hierfür nicht, doch es zeichnet sich ein sukzessiver Prozess ab. Mit großer Wahrscheinlichkeit kann man davon ausgehen, dass 2021 keine Besserung eintreten wird. Die chinesische Wirtschaft wächst auch im abgeschotteten Zustand kräftig. Die Öffnung der Grenzen birgt für die Regierung daher mehr Risiken als Chancen.
Wohl keine Herdenimmunität bis Ende 2021
Zudem dürfte es bis zum Winter 2021 dauern, bis etwa 70 bis 80 Prozent der Bevölkerung geimpft sind. Die ausschließlich verwendeten einheimischen Impfstoffe haben sich im Vergleich zu etablierten westlichen Präparaten jedoch als weniger wirksam erwiesen. Eine Studie der Hong Kong University förderte im Juni 2021 beispielsweise zu Tage, dass der Impfstoff Sinovac zu einer deutlich geringeren Bildung von Antikörpern führt als BioNTech. Wie erfolgreich chinesische Impfstoffe zudem gegen die besonders gefürchtete Delta-Variante schützen, ist ebenfalls fraglich.
Es besteht also die reale Gefahr, dass es eine Weile dauert, bis die Volksrepublik sich der Herdenimmunität annähert. Möglicherweise muss China außerdem 2022 noch einmal mit angepassten Präparaten nachimpfen. Daher dürfte es erst in der zweiten Jahreshälfte 2022 zu ersten Lockerungen der Einreisebeschränkungen kommen. Dies berichtete Ende Juni 2021 etwa das Wall Street Journal.
Öffnungswettbewerb könnte Druck auf China erhöhen
Viel wird auch davon abhängen, wie sich benachbarte Länder verhalten. Momentan haben sich weite Teile des asiatisch-pazifischen Raums abgeschottet. So plant Australien, seine Grenzen erst Mitte 2022 zu öffnen. Falls sich zu diesem Zeitpunkt zahlreiche Nachbarländer dem Kontinent anschließen, dürfte auch der Druck auf China zum Nachziehen zunehmen. Das sonst so vorsichtige Hongkong prescht bereits vor. Die Regierung ließ Ende Juni 2021 verkünden, dass sie die Quarantänezeit für vollständig Geimpfte aus zahlreichen westlichen Ländern künftig auf eine Woche verkürzen werde.
Zugleich kommen Verhandlungen der SVR zur Öffnung der Grenzen zum chinesischen Festland nicht richtig voran. Die chinesische Regierung will die Einreise aus der ehemaligen britischen Kolonie erst ermöglichen, wenn es in Hongkong vier Wochen lang keine lokalen Ansteckungen mehr gegeben hat. Derart unerreichbare Ziele lassen erahnen, dass China mit seiner restriktiven Einreisepolitik noch einen langen Weg vor sich hat. Die Einsicht, dass Covid-19 nicht einfach verschwindet und man in Zukunft gezwungen sein wird, mit dem Virus zu leben, muss erst noch reifen. (01.07.2021)
Quelle: GTAI