Auswirkungen der Umsetzung der Industrieemissionsrichtlinie für Anlagenbetreiber
Anfang Mai hat der Bundesgesetzgeber – leicht verspätet – die legislatorische Umsetzung der EU-Richtlinie über Industrieemissionen (RL 2010/75/EU, abgekürzt IED) abgeschlossen. Am 02.05.2013 sind ein Gesetz zur Umsetzung der IED sowie ein dieses flankierendes Verordnungspaket in Kraft getreten. Die Bundesregierung hat für die Wirtschaft einen aus der Erfüllung der neuen Anforderungen resultierenden Aufwand von 12,466 Millionen EUR errechnet (siehe Bundesrats-Drucksache 314/12, S. 66).
Betroffen von den neuen Rechtsvorschriften sind die Betreiber bestimmter Großanlagen. Um welche Anlagen es sich konkret handelt, ist aus dem überarbeiteten Anhang 1 der Vierten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen – 4. BImSchV) ersichtlich. Die „IED-Anlagen“ sind dort mit dem Buchstaben "E" gekennzeichnet. Nach der Begründung der Bundesregierung zum Umsetzungsgesetz existieren in Deutschland aktuell etwa 9.000 solcher IED-Anlagen.
Die wesentlichen Auswirkungen der IED-Umsetzung für die Betreiber von IED-Anlagen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Überprüfung und Aktualisierung der Genehmigungsauflagen
Zentrales Element der IED und dementsprechend auch der deutschen Umsetzung ist die Aufwertung der BVT-Merkblätter. Bislang waren diese lediglich zu berücksichtigen, nunmehr ist ihr Inhalt, auch wenn den Genehmigungsbehörden ein relevanter Spielraum verbleibt, in allen EU-Mitgliedsstaaten als Mindeststandard verbindlich.
„BVT“ steht als Abkürzung für die „besten verfügbaren Techniken“. Die BVT sollen den effizientesten und fortschrittlichsten Entwicklungsstand abbilden und als Grundlage für die Festlegung von Emissionsgrenzwerten und anderen Genehmigungsauflagen dienen. Welches die BVT in Bezug auf eine bestimmte industrielle Tätigkeit sind, wird in den erwähnten BVT-Merkblättern umfangreich präzisiert und in sog. BVT-Schlussfolgerungen – auch diese Rechtsfigur ist neu – verbindlich zusammengefasst. Die Bundesregierung muss innerhalb eines Jahres nach der Veröffentlichung einer neuen oder überarbeiteten BVT-Schlussfolgerung überprüfen, ob die Rechtslage in Deutschland den Vorgaben der BVT-Schlussfolgerungen genügt und erforderlichenfalls die einschlägigen Verordnungen und (normkonkretisierenden) Verwaltungsvorschriften (z. B. die TA Luft) anpassen.
Neu zur Genehmigung gestellte Anlagen müssen grundsätzlich von ihrer Inbetriebnahme an die BVT zum Einsatz bringen. Altanlagen haben innerhalb von vier Jahren nach dem Erlass einer BVT-Schlussfolgerung prinzipiell (Ausnahmen sind in engen Grenzen möglich) der einschlägigen BVT-Schlussfolgerung zu entsprechen. Dieser zeitliche Korridor schafft bei den zuständigen Behörden einen erheblichen Überwachungsaufwand. Sofern die zuständige Behörde im Rahmen der Überwachung feststellt, dass eine IED-Anlage hinter den Anforderungen zurückbleibt, ist sie zum Handeln gezwungen. Sofern der Anlagenbetreiber nicht noch von sich aus die notwendigen Änderungen vornimmt, muss die sie eine nachträgliche Anordnung erlassen und erforderlichenfalls durchsetzen.
Auf EU-Ebene ist vorgesehen, die BVT-Merkblätter in regelmäßigen Abständen zu überprüfen und nötigenfalls zu aktualisieren. Auch wenn der Anpassungsbedarf in vielen anderen Ländern der EU zurzeit deutlich größer sein dürfte als hierzulande, empfiehlt es sich für die Betreiber von IED-Anlagen, die Entwicklungen in Bezug auf die ihre Anlagen betreffenden BVT-Merkblätter im Blick zu behalten.
Berichtspflicht
Neu ist die Pflicht der Betreiber von IED-Anlagen, gegenüber der zuständigen Behörde jährlich Bericht zu erstatten. Der Bericht hat eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Emissionsüberwachung sowie sonstige Daten zu enthalten, die die Prüfung ermöglichen, ob der Betreiber die Anforderungen erfüllt, die das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) und die zu diesem ergangenen Rechtsverordnungen an den Anlagenbetrieb stellen. Soweit die Daten bereits aufgrund einer anderen Rechtsvorschrift zu übermitteln sind, müssen sie im Bericht nicht aufgeführt werden.
Umweltinspektionen
Eine weitere Innovation sind die sog. Umweltinspektionen. Die zuständigen Behörden sind verpflichtet, die gesamte Bandbreite der von IED-Anlagen ausgehenden umweltrelevanten Wirkungen nach einem Umweltinspektionsplan zu überprüfen. Die Betreiber müssen den Behörden hierfür jede notwendige Unterstützung zukommen lassen. Nach jeder Vor-Ort-Besichtigung hat die Behörde einen Bericht zu erstellen, der ausweist, ob in Bezug auf die betreffende Anlage die Genehmigungsauflagen eingehalten werden und inwieweit weitere Maßnahmen notwendig sind. Der Bericht ist nach vier Monaten der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Wie oft eine Anlage einer Umweltinspektion unterzogen wird, ist abhängig von den von ihr ausgehenden Risiken für die Umwelt. Der zeitliche Abstand zwischen zwei Vor-Ort-Besichtigungen darf bei Anlagen der höchsten Risikostufe ein Jahr und bei Anlagen mit der niedrigsten Risikostufe drei Jahre nicht unterschreiten. Dies kann bei einigen Anlagen zu häufigeren Kontrollbesuchen der Überwachungsbehörde gegenüber dem bisherigen Zustand führen.
Ausgangszustandsbericht und Rückführungspflicht
Wird für eine neu zu errichtende IED-Anlage eine Genehmigung bzw. für eine bestehende Anlage eine Änderungsgenehmigung beantragt und soll im Rahmen der Anlagentätigkeit mit gefährlichen Stoffen umgegangen werden, muss der Betreiber zukünftig einen sog. Ausgangszustandsbericht erstellen und mit den Genehmigungsunterlagen vorlegen. Im Ausgangzustandsbericht ist insbesondere darzustellen, inwieweit der Boden und das Grundwasser auf dem Anlagengrundstück verschmutzt sind. Kann nicht auf bestehende Daten zurückgegriffen werden, muss der Betreiber entsprechende Beprobungen in Auftrag geben. Wird die betreffende Anlage zu einem späteren Zeitpunkt stillgelegt, hat ein Abgleich mit dem Ausgangszustandsbericht zu erfolgen. Ergibt sich aus diesem, dass der Boden oder das Grundwasser durch die Anlagentätigkeit in der Zwischenzeit in relevanter Weise erstmalig oder über das Ausgangsniveau hinaus verschmutzt worden ist, ist der Anlagenbetreiber verpflichtet, das Anlagengrundstück durch Sanierung wieder in den Ausgangszustand zu versetzen.
Quelle: Dr. Jan Christoph Weise, Rechtsanwalt
Prof. Versteyl Rechtsanwälte (Hannover)
Prof. Versteyl Rechtsanwälte (Hannover)