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Nr. 4923872

Energiewende: Industrie sieht Wettbewerbsfähigkeit gefährdet und investiert verstärkt im Ausland

„Für 74 Prozent der Industrieunternehmen in unserer Region ist die Energiewende mit negativen Folgen für ihre Wettbewerbsfähigkeit verbunden, 24 Prozent haben bereits Produktionskapazitäten ins Ausland verlagert oder planen es“, stellte Anke Schweda, Geschäftsbereichsleiterin Standortentwicklung, Energie und Innovation, die Kernergebnisse der aktuellen Energieumfrage (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 599 KB) der IHK Osnabrück - Emsland - Grafschaft Bentheim im Rahmen des Online-Formats „Energie-Espresso“ vor.
„Unsere Ergebnisse zeigen erneut, dass die Deindustrialisierung auch in unserer Region fortschreitet. Investitionen im Ausland sind häufig deutlich attraktiver. Unsere Unternehmen brauchen jetzt dringend bessere Rahmenbedingungen für Investitionen am Standort Deutschland. Hierzu gehören wettbewerbsfähige Energiepreise und Versorgungssicherheit. Als ein erster Schritt in diese Richtung gehört die Senkung der Netzentgelte ganz oben auf die Agenda der neuen Bundesregierung“, forderte Anke Schweda. Gerade die energieintensive Industrie sei unter den aktuellen politischen Rahmenbedingungen nicht länger wettbewerbsfähig: 24 Prozent der energieintensiven Betriebe gaben in der IHK-Umfrage an, dass sie ihre Produktion oder ihr Angebot einschränken müssten.
Anke Schweda richtete ihre Worte auch an Filiz Polat, die Parlamentarische Geschäftsführerin von Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag. Die Politikerin nahm als Gast am IHK- „Energie-Espresso“ teil. Dabei verwies die Bramscher Bundestagsabgeordnete auf entsprechende Initiativen der aktuellen Bundesregierung, etwa auf die Senkung der Stromsteuer. Gleichzeitig hob die Parlamentarierin die Vorzüge der Energiewende hervor: „Wir werden mittel- und langfristig wettbewerbsfähiger und unabhängiger durch die Erneuerbaren.“ Nach Auffassung der Vertreter der teilnehmenden Unternehmen reichten die bisher beschlossenen Einzelmaßnahmen allerdings nicht aus, um die Lage insbesondere der energieintensiven Industrie spürbar zu verbessern. Sie berichteten von massiven Problemen durch die hohen und volatilen Strompreise. Konkret kletterte der Strompreis Anfang November an einem trüben Tag ohne Wind auf bis zu 80 Cent pro Kilowattstunde.
Gleichzeitig belegen die Umfrageresultate das hohe Engagement der Unternehmen bei der Transformation: Fast die Hälfte der Industrie hat bereits in eigene erneuerbare Energien investiert, 26 Prozent planen weitere Schritte. 23 Prozent der Industrieunternehmen beschäftigen sich mit dem Thema Direktstromlieferverträge, sogenannten Power Purchase Agreements (PPAs) und haben diese entweder bereits umgesetzt oder planen dies. Wasserstoff bleibt zunächst noch ein Zukunftsthema: 34 Prozent der Industriebetriebe planen den Einsatz und halten diesen ab 2030 für realistisch, 64 Prozent wollen Wasserstoff nicht nutzen.
An der IHK-Umfrage hatten sich im Oktober 350 Unternehmen aus der Wirtschaftsregion Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim beteiligt.

IHK-Fachausschuss Industrie, Energie und Umwelt: Energiepreissenkung und Investitionsanreize sollten für neue Bundesregierung prioritär sein

„Die Belastungen der Industrie durch hohe Energiepreise haben sich in den letzten Jahren immer weiter erhöht. Hinzu kommen geringe Planungssicherheit durch lange Genehmigungsverfahren für notwendige Investitionen. Darunter leidet unser Wirtschaftsstandort.“ Mit diesen Worten forderte Dietmar Hemsath, Vorsitzender des IHK-Fachausschusses Industrie, Energie und Umwelt sowie Geschäftsführer der Georgsmarienhütte GmbH, bei der aktuellen Sitzung im Stahlwerk der Georgsmarienhütte verlässliche Anreizstrukturen für Investitionen, Versorgungssicherheit und wettbewerbsfähige Energiepreise für die Industrie. Die politischen Entscheidungsträger seien in der Pflicht, die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland zu gewährleisten. Vor dieser Herausforderung wird auch die künftige Bundesregierung stehen.
„Es braucht eine deutliche Perspektive über die Verfügbarkeit und das künftige Preisschild alternativer Energieträger wie Wasserstoff, grüner Strom oder Pflanzenkohle. Nur so ist das Ziel erreichbar, in unserem energieintensiven Werk nachhaltig und klimaneutral Stahl zu wettbewerbsfähigen Preisen zu produzieren“, betont Hennig Dickert, Director Innovation bei der gastgebenden GMH-Gruppe. Das Stahlwerk hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2039 klimaneutral zu produzieren. Auch wenn das Wasserstoffkernnetz durch die Bundesnetzagentur genehmigt, worden ist, bleibt fraglich, ob Wasserstoff mittelfristig in der notwendigen Menge und einem wettbewerbsfähigen Preis für die Industrie in der Region zur Verfügung steht. Nadelöhre werden die Anschlüsse der energieintensiven Betriebe an das Kernnetz sein. Hier sind regulatorische und finanzielle Fragen politisch zu beantworten.
„Bei wichtigen Investitionsentscheidungen brauchen die beteiligten Behörden zu lange für die Genehmigungen. Um die Industrie resilient für aktuelle und zukünftige Herausforderungen zu machen, müssen diese Prozesse dringend beschleunigt werden“, forderte Anke Schweda, IHK Geschäftsbereichsleiterin Innovation und Energie.
Unter dem Dach der GMH-Gruppe werden die Kompetenzen von mehr als 15 mittelständischen Produktionsunternehmen aus der Stahl-, Schmiede- und Gussindustrie mit rund 6.000 Mitarbeitern gebündelt. Mit hochmodernen Elektroöfen ist die GMH Gruppe Vorreiter für grünen Stahl und spart gegenüber traditioneller Stahlerzeugung bis zu 80 % CO2.
Der aus ehrenamtlich tätigen Unternehmerinnen und Unternehmern bestehende IHK-Fachausschuss Industrie, Energie und Umwelt trifft sich dreimal jährlich. Seine Mitglieder tauschen sich regelmäßig mit Experten aus Politik, Verwaltung und Wissenschaft aus und erarbeiten Positionen für die IHK-Vollversammlung.
Bildunterschrift: Der IHK-Fachausschuss Industrie, Energie und Umwelt war zu Gast bei der Georgsmarienhütte GmbH. Seine Mitglieder sprachen über den Transformationsprozess für eine nachhaltige Industrie (erste Reihe v. l.): Dr. Sebastian Hock, Director bei Strategy &, Uwe Rittmann, Leiter Familienunternehmen und Mittelstand bei PwC, Anke Schweda, IHK-Geschäftsbereichsleiterin Industrie und Energie, Dietmar Hemsath, Ausschussvorsitzender und Geschäftsführer der Georgsmarienhütte GmbH sowie Henning Dickert, Director Innovation der GMH-Gruppe.

Regionale Unternehmen sehen Energiewende negativer als im Bundestrend

Die IHK-Organisation hat die Ergebnisse ihres bundesweiten Energiewendebarometers (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 46 KB) veröffentlicht. Dabei berichten 56 Prozent der Unternehmen in der Wirtschaftsregion Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim von negativen oder sehr negativen Auswirkungen der Energiewende auf die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Unternehmen. Für nur zehn Prozent gibt es positive Auswirkungen. Der daraus errechnete Energiewendebarometerwert liegt damit auf einer Skala von -100 (sehr negativ) bis +100 (sehr positiv) bei -28,8. Das ist zwar im Vergleich zum Vorquartal (-41,9) eine Verbesserung, dennoch liegt Wert deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt von -15,5. Vor der Energiekrise hatte der Wert im Jahr 2021 sogar noch bei -0,8 gelegen.
„Die Politik tut zu wenig, um die Unternehmen bei der Transformation zu unterstützen. Vor allem die explodierenden Netzentgelte belasten die Betriebe“, erklärte IHK-Hauptgeschäftsführer Marco Graf. Die Bundesregierung habe zwar die Stromsteuer für das produzierende Gewerbe gesenkt, gleichzeitig aber den Bundeszuschuss zu den Netzentgelten gestrichen. „Um im internationalen Wettbewerb zu bestehen, brauchen die Unternehmen wettbewerbsfähige Energiepreise. Und zwar langfristig“, so Graf weiter.
Die Ergebnisse des Barometers auf Bundesebene zeigen in eine ähnliche Richtung, liegen jedoch etwas besser als in der Region. Der bundesweite Barometerwert steht bei -19,8. Auffällig ist vor allem die wachsende Zahl von Unternehmen, die Engpässe bei Übertragungs- und Verteilnetzen sehen. Hier stieg der Wert von 65 auf 80 Prozent. Viele Unternehmen haben in den vergangenen Jahren Maßnahmen durchgeführt, um Energie einzusparen. Daher sehen nur noch zehn Prozent der Unternehmen Einsparpotentiale von mehr als zehn Prozent ihres Energieverbrauchs. In der Industrie sind es sieben, in der energieintensiven Industrie sogar nur 1,3 Prozent. „Substanzielle Einsparungen sind bei vielen Betrieben nicht mehr möglich, ohne die Produktion einzustellen oder das Angebot zu reduzieren“, beschreibt Graf.
Die Umfrage greift auch das Thema Direktstromlieferverträge auf. Bundesweit planen 14 % der Unternehmen sogenannte Power Purchase Agreements (PPAs). Dabei handelt es sich um Abschlüsse von langfristigen Direktstromlieferverträgen, in denen alle Rahmenbedingungen für den Stromverkauf zwischen den Parteien festgelegt sind. Derartige Verträge dienen der Preisfixierung auf der Einkaufsseite und geben auch den Anbietern Planungssicherheit. Weitere 13 % haben solche Verträge bereits realisiert oder setzen sie gerade um. In der energieintensiven Industrie planen oder realisieren 61 % der Unternehmen solche Formen der Stromversorgung aus erneuerbaren Energien. In der Wirtschaftsregion beschäftigen sich 46 % der Unternehmen und damit deutlich mehr als im Bundesdurchschnitt mit PPAs (26 %). Das hohe Interesse der regionalen Wirtschaft am Abschluss von langfristigen Direktstromlieferverträgen wurde auch auf einer kürzlich stattgefundenen IHK-Veranstaltung mit über 60 Unternehmen deutlich.
Unter den 54 teilnehmenden Mitgliedsunternehmen der IHK Osnabrück - Emsland - Grafschaft Bentheim bezeichnen sich sechs Prozent heute schon als klimaneutral, weitere 56 Prozent wollen bis 2030, 2040 oder 2045 klimaneutral werden.
„Wichtig ist, dass aus dem vorliegenden Wachstumspaket der Bundesregierung schnell politische Maßnahmen werden, die bei den Unternehmen ankommen“, so Graf. Es brauche jetzt Wachstumsimpulse, damit die Unternehmen in Zukunftsthemen wie die Energietransformation investieren könnten.