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„Wir können nicht länger warten“
Voller Saal beim Fachkräftekongress der IHK Nord Westfalen: Rund 300 Geschäftsführende und Personalverantwortliche haben sich am 9. Mai im IHK-Bildungszentrum in Münster informiert, wie Verstärkung auf dem leergefegten Arbeitsmarkt noch zu finden und zu halten ist. (Von Dominik Dopheide)
„Der Fachkräftemangel ist eine existenzbedrohende Herausforderung, und die Fachkräftegewinnung deshalb eine strategische Chefaufgabe“, betonte zu Beginn des
Kongresses Melanie Baum, Vizepräsidentin der IHK Nord Westfalen. Aber: „Wie viele Unternehmensspitzen sind im Saal“? Mit ihrer Frage stellte die Unternehmerin aus Marl schnell fest, dass die Teilnehmenden in der Mehrheit Mitarbeitende aus dem Bereich Personalmanagement sind. Für sie hatte Baum eine Botschaft parat: „Sie haben eine große Verantwortung. Fordern Sie deshalb von Ihren Chefs große Aufmerksamkeit und ausreichend Ressourcen ein“, sagte die IHK-Vizepräsidentin und appellierte: „Halten Sie durch!“
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Aufzugeben im Wettbewerb um Fachkräfte war für die meisten Teilnehmenden ohnehin keine Option. 90 Prozent zeigten sich bei einer Umfrage im Saal überzeugt, mit Eigeninitiative die Fachkräftegewinnung verbessern zu können. IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Fritz Jaeckel zeigte sich erfreut: „Wir können auch nicht länger darauf warten, bis die immer komplexeren bürokratischen Prozesse vereinfacht werden, sondern müssen selbst versuchen, etwas zu verändern“, sagte er. Jaeckel hat dabei die Barrieren im Blick, die potenziellen Fachkräften aus Nicht-EU-Ländern den Weg an den Arbeitsmarkt in Deutschland erschweren. So strebt die IHK Nord Westfalen eine Zusammenarbeit mit der Honorarkonsulin von Honduras an. „Wir wollen erreichen, dass sich Patenschaften zwischen Schulen des Landes und Unternehmen aus Nord-Westfalen gründen“, erklärte Jaeckel.
Mit diesem Modell des Kontaktaufbaus hätten Betriebe aus den USA und Kanada gute Erfahrungen gemacht. Das Fachkräfteeinwanderungssystem in Deutschland jedenfalls funktioniere zurzeit nicht und gehe am Bedarf der Wirtschaft vorbei, betonte Jaeckel. Zwar zeichne sich mit den anstehenden Gesetzesnovellierungen eine erkennbare Ausweitung der Zuwanderungsmöglichkeiten ab. „Das reicht aber nach unserer Einschätzung nicht aus“, stellte der IHK-Hauptgeschäftsführer klar. Zudem steige an vielen Stellen „die ohnehin schon hohe Komplexität des Aufenthaltsrechts". Die Statistik zeigt, welches Potenzial dem Standort verloren geht: Laut Jaeckel bleiben von den 1,2 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, die jährlich Deutschland erreichen, nur etwa 25 Prozent dauerhaft. „Wir sind ein Durchwanderungsland und werden schweren volkswirtschaftlichen Schaden nehmen, wenn wir das nicht ändern“, warnte Jaeckel. Dann nahm der Kongress ein Thema auf, das für Eigeninitiative viel Spielraum bietet: das Ausbildungsmarketing.
Recruiting-Mythen auf dem Prüfstand
Felicia Ullrich, Geschäftsführerin u-form Testsysteme (l.), und Felix von Zittwitz, Geschäftsführer der Plattform Ausbildung.de, zeigten den Teilnehmenden die Mythen auf, denen Unternehmen oftmals noch nachhängen.
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- Alle wollen lieber studieren?
Das ist nur die halbe Wahrheit: Immer mehr Abiturienten entscheiden sich für die Ausbildung. Sie gelte nicht generell als unattraktiv. - Stellenanzeigen sind tot?
Keinesfalls: Sie sind nach wie vor ein wichtiges Instrument des Ausbildungsmarketings und werden gründlich gelesen. Es kommt darauf an, dass sie in den richtigen Kanälen geschaltet werden. - Schülerpraktika lohnen sich nicht?
Falsch: Sie sind laut Studien der erfolgreichste Recruiting-Kanal. - Über Geld spricht man nicht?
Es darf sogar geschrieben werden: Information zur Ausbildungsvergütung gehöre in die Stellenbeschreibung, meinen die Referenten. Neben dem respektvollen Umgang und Chancengleichheit sei eine angemessene Bezahlung ein wesentliches Entscheidungskriterium bei der Wahl des Ausbildungsunternehmens. - Gute Bewerberinnen und Bewerber sind innerhalb von 30 Sekunden zu erkennen?
Pustekuchen: Von Lücken im Lebenslauf, einem durchschnittlichen Anschreiben oder Verstößen gegen den traditionellen Dress-Code sollten sich Unternehmen in ihrem Entscheidungsprozess nicht mehr leiten lassen.
Auch der Recruiting-Prozess sollte Gegenstand einer fundierten Analyse sein, empfahlen von Zittwitz und Ullrich. Wie viele der Kandidatinnen und Kandidaten bewerben sich wirklich? Wie hoch ist die Absage-Quote? Über welchen Kanal gehen die meisten Bewerbungen ein? Solches Wissen sei erforderlich, um das Ausbildungsmarketing stetig zu optimieren. Fortgesetzt wurde der Kongress mit Workshops, zu den Themen „Fachkräfte international gewinnen“, „Azubi-Recruiting und -Marketing“, „Fachkräfte aus den eigenen Reihen sichern“ sowie „Nachhaltigkeit in der Fachkräftesicherung“.
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