Niederrheinische IHK

Tradition, Qualität und die Kraft der Familie

Die Marke Underberg steht seit Generationen für Tradition, Qualität und familiäre Verantwortung. Seit 178 Jahren in Familienbesitz, unterscheidet sich das Unternehmen aus Sicht der erfahrenen Unternehmerin Christiane Underberg von klassischen Konzernen: „Ein Familienunternehmen ist ein sehr lebendiger Organismus und hat dadurch auch eine größere Chance zu überleben“, betont sie und hebt im Interview anlässlich ihres 85. Geburtstags auch die Rolle von Frauen hervor.
Frau Underberg, gibt es Werte und Traditionen, die innerhalb Ihrer Familie über Generationen gepflegt werden, die sich auch im Unternehmen widerspiegeln?
Oh ja. Alle Familienmitglieder, die aktiv im Unternehmen waren, haben ein hohes Qualitätsbewusstsein. Das findet sich natürlich in unserer Rezeptur wieder. Aber auch in unserem generationsübergreifenden Faible für Architektur. Schon für den Bau des Stammhauses, das bis heute das Bild der Stadt Rheinberg prägt, hat der Gründer Hubert Underberg einen Architekturwettbewerb veranstaltet. Der endgültige Entwurf stammt von Professor Ernst Giese, einem Schüler der renommierten Semper-Nicolai-Schule von Gottfried Semper.
Sie haben von 1981 bis 2011 mit Ihrem Mann das Unternehmen geleitet und waren dann im Aufsichtsrat. Können Sie sich noch erinnern, wie das ist, wenn man in ein Unternehmen mit so viel Tradition einsteigt?
Ich war ja Quereinsteiger. Typisch für unsere Ehe war der Moment, als mein Mann 100 Prozent des Unternehmens besaß. Er hat mich sofort und noch nachts als Geschäftsführerin eintragen lassen – ohne mich zu fragen. Weil er die Antwort schon kannte. Da ich selbst aus einem Familienunternehmen stamme, haben wir vorher schon immer strategische Gedanken geteilt.
Hatten Sie von Anfang an Autorität im Unternehmen?
Das weiß ich nicht. Da müssten Sie eigentlich die anderen fragen. Ich hatte ja zuvor ein landwirtschaftliches Unternehmen geleitet und aus den roten Zahlen geführt. Insofern hatte ich regional schon immer Kontakte. Und was das Durchsetzen angeht: Ich habe da schon in der Jugend keine Probleme gehabt. Ich hatte einen Bruder, und ich habe mit den Jungs Fußball gespielt und bin klettern gegangen. Die Narben an den Beinen sind heute noch sichtbar. Ich habe später einen Jagdschein gemacht – das ist ja allgemein bekannt, dass ich passionierte Jägerin bin oder unheimlich gerne in der Natur. Da war ich auch die Einzige unter den Männern. Da hilft auch die Herkunft im Ruhrgebiet: Wenn man nicht zimperlich ist, dann wird man akzeptiert.
Underberg hat schon recht früh Frauen in Führungspositionen gehabt.
Damen spielten immer eine wichtige Rolle. Schon die Frau des Gründers war Prokuristin und Geheimnisträgerin. Und so ist das weitergegangen. Der Großvater meines Mannes z.B. war im Preußischen Landtag, also hat seine Frau zu Hause die Stellung gehalten. Diese Präsenz und Mitverantwortung von Frauen hat Underberg sehr gepflegt.
Hat sich das auf die Unternehmenskultur ausgewirkt?
Das Unternehmen prägt seit jeher ein christliches Menschenbild. Ergänzend sei gesagt, dass mein Vater einen eisenverarbeitenden Betrieb hatte und ich mit meiner Ausbildung als Sozialarbeiterin – oder was ich viel lieber sage: Fürsorgerin – wollte Industriebetriebe menschlicher machen. Deswegen habe ich auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei Underberg mit initiiert.
Inwieweit kann die Perspektive von Frauen die strategische Ausrichtung eines Unternehmens beeinflussen?
Frauen haben einen anderen Zugang. Natürlich müssen Zahlen und Fakten auf den Tisch kommen, aber Frauen gucken oft mehr auf das Zwischenmenschliche. Das fehlt mir in manchen Betrieben. Es ist ein Vorteil für das ganze soziale Leben, wenn Teams entstehen. Wichtig ist der Mix, damit kreativ etwas rauskommt. Ich bin nie Feministin gewesen, sondern ich sehe den Wert, den Frauen einbringen, als positiv. Für mich ist der Mensch das Wichtigste. Wir müssen das Verbindende fördern und nicht das Trennende. Wir müssen anerkennen, was unser Beitrag für die Allgemeinheit sein kann.
Dennoch sitzen in den Führungsetagen der meisten Unternehmen hauptsächlich Männer. Muss sich etwas ändern, dass Frauen noch mehr in Spitzenpositionen kommen?
Bei uns betrug der Frauenanteil in Vorstand und Aufsichtsrat zuletzt 30 Prozent und in den Management-Ebenen II und III sollen es bis 2028 rund ein Drittel sein. Da ist noch Gestaltungsraum. Deshalb habe ich früh gesagt: Bei gleicher Qualifikation bevorzugen wir erstmal die Frauen. Denn da gibt es ein Gap, und das wollen wir füllen. Andererseits kann ich nicht erwarten, dass im Kosmetikkonzern nur Männer sind oder in der Stahlindustrie nur Frauen. Dazu gehört ein Gespür, was dem Unternehmen zuträglich ist. Da bin ich nicht für Diktate aus der Politik.
Wie unterstützt Underberg die berufliche Entwicklung von Frauen?
Wir fördern Weiterbildung, nicht nur von Frauen. Ich säße mit 84 nicht da, wo ich bin, wenn ich mich nie weiterbilden würde. Das kann ich den jungen Leuten nicht genug sagen. Wir müssen auch in Sachen Künstliche Intelligenz aufpassen. Wenn wir uns darin jetzt nicht bilden, dann können wir die neuen Herausforderungen nicht bestehen. Wir müssen kritisch konstruktiv denken. Für mich ist Kritik erstmal wertfrei: Was kommt da auf uns zu, was müssen wir gestalten? Wo ist meine Verantwortung, mein Beitrag?
Underberg ist ein Unternehmen, das in Rheinberg gegründet wurde und immer noch dort ansässig ist. Spielen die Wurzeln in der Region eine besondere Rolle für Sie?
Absolut. Wir sind „Niederrheinländer“. Ich war mit Freude für EUREGIO sechs Jahre lang als Ambassadeur unterwegs und habe mich bemüht, Netzwerke mit den Niederlanden zu bilden. Wir profitieren von dem gemischten Raum von Industrie und Landwirtschaft. Ich bin in der Großstadt groß geworden und habe in einem Dorf gelebt, kenne also beides. Die Bindungen auf dem Land sind oft stärker, das möchte ich auch Städtern zeigen. Um diese Bindung zu vermitteln und auch in den Betrieb zu bringen, laden wir immer alle neuen Mitarbeiter zu einem gemeinsamen Frühstück ein, um sie persönlich kennenzulernen. Mehr über Hobbys und Familienleben und nicht nur über den Beruf. Oft ergeben sich Parallelen oder Möglichkeiten, Menschen miteinander zu verknüpfen oder Ortsfremde in die Gegend zu integrieren.

Sie sind zwar nicht mehr im Aufsichtsrat, aber gibt es Visionen, die Sie für die nächsten Jahre haben?
Zunächst mal bin ich dankbar dafür, wie meine Tochter und mein Enkel das Unternehmen führen. Wir haben ein sehr herzliches Verhältnis, ich arbeite ja schon seit Jahrzehnten mit meiner Tochter zusammen. Die Grundwerte müssen da sein und müssen sich in nachfolgenden Generationen neu ausrichten. Sie müssen entsprechende Entscheidungen treffen vor ihrem Gewissen und vor ihren Generationen. Ich wünsche ihnen, dass Sie da immer eine glückliche Hand haben und die richtigen Menschen, die das mit Ihnen durchziehen.

Interview: Torsten Wellmann, Redaktionsbüro Scacht 11
Foto: Semper idem Underberg
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