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Fähigkeiten (wert-)schätzen lassen
Clarissa Blaß bescheinigt Erfahrung im Job, wo eine Ausbildung fehlt. Und das für jeden Beruf. Dabei gibt es Bedingungen.
Eine Ausbildung oder ein Studium werden in der Arbeitswelt oft vorausgesetzt. Wer beides nicht hat, bringt vielleicht trotzdem die nötige Berufserfahrung mit. Um sich auch damit bewerben zu können, gibt es das sogenannte Feststellungsverfahren. Die Niederrheinische IHK prüft den bisherigen Werdegang und stellt ein Zeugnis oder einen Bescheid aus. Die richtige Ansprechpartnerin dafür ist Clarissa Blaß. Sie informiert über das Verfahren und betreut die Prüfungen. Dieses Angebot ist seit Januar 2025 im Berufsbildungsgesetz verankert.
Frau Blaß, wer kann sich bei Ihnen melden?
Das Feststellungsverfahren richtet sich an Personen ab 25 Jahren, die keinen Berufsabschluss haben. Stattdessen haben sie aber Berufserfahrung gesammelt und können diese auch nachweisen. Das heißt, interessierte Personen stellen einen Antrag und schicken mir dazu ihren Lebenslauf mitsamt Arbeitszeugnis oder einer Bescheinigung vom Arbeitgeber. Um in einem Beruf geprüft zu werden, sollten sie mindestens das 1,5-fache der regulären Ausbildungszeit als Berufserfahrung vorweisen können. Wenn eine Ausbildung zwei Jahre dauert, muss man also mindestens drei Jahre in dem Job gearbeitet haben. Ich freue mich, wenn sich Interessenten direkt bei mir melden. Aber auch Arbeitgeber können sich für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erkundigen.
Worin unterscheidet sich das Verfahren von einer regulären IHK Abschlussprüfung?
Wir prüfen ausschließlich praktisch oder mündlich. In der Regel besuchen wir die Prüflinge dafür an ihrem Arbeitsplatz. Nehmen wir zum Beispiel Fachkräfte für Lagerlogistik: Wir kommen ins Lager und die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter bearbeitet einen typischen Kundenauftrag. Dabei sollten alle zentralen Aufgaben des Berufs gezeigt werden, wie Warenannahme, verpacken oder das Beladen eines LKWs. Währenddessen stellen wir einige Fragen. So stellen wir sicher, dass die Prüflinge ihre Aufgaben verstehen und das nötige Fachwissen haben. Wenn alles passt, stellen wir ein Zeugnis aus. Für Arbeitssuchende mieten wir bei Bedarf geeignete Räumlichkeiten für die Prüfung an.
Welche Kosten kommen auf die Teilnehmer zu?
Die variieren je nach Beruf. Wer bereit ist, zusätzlich eine schriftliche Prüfung abzulegen, sollte auch die reguläre IHK-Abschlussprüfung in Betracht ziehen. Hier kann man extern teilnehmen, ohne vorab eine Ausbildung durchlaufen zu haben. Diese findet zu festen Terminen statt und kostet die üblichen Prüfungsgebühren.
Was macht das Angebot für Sie besonders?
Das Feststellungsverfahren war bisher bekannt unter dem Namen „ValiKom Transfer“. In den letzten sechs Jahren haben wir am Niederrhein 139 Verfahren erfolgreich begleitet. Unser Ziel war stets, dieses Angebot gesetzlich zu verankern. Das ist nun endlich gelungen. Seit dem 1. Januar 2025 ist das Verfahren Teil des Berufsbildungsgesetzes. Besonders schön finde ich, dass ich viele beeindruckende Menschen und ihre Lebensläufe kennenlernen durfte. Durch das Verfahren konnte ich ihnen auf ihrem Berufsweg helfen. Ich habe erlebt, wie Menschen ihr Selbstbewusstsein gestärkt haben und stolz waren, wenn sie die Prüfung erfolgreich bestanden haben. Deshalb mache ich meine Arbeit gerne.
Interview: Annica Scheper, Foto: Niederrheinische IHK/ Jacqueline Wardeski
Kontakt
Niederrheinische Industrie- und Handelskammer Duisburg-Wesel-Kleve zu Duisburg