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Es muss noch mehr Schwung reinkommen!
Heike Denecke-Arnold ist Vorstandsmitglied des größten deutschen Stahlherstellers. Seit fast einem Vierteljahrhundert arbeitet sie bei Thyssenkrupp. Im Interview spricht sie darüber, wie sie als Frau in der Stahlindustrie Karriere gemacht hat.
Frau Denecke-Arnold, seit 1999 sind Sie für Thyssenkrupp tätig. Was hat Sie damals dazu motiviert, in diese doch sehr männerdominierte Branche einzusteigen?
Heike Denecke-Arnold: Die Weichen hatte ich mit der Wahl meines Studienfachs gestellt. Ich hatte schon immer ein großes Interesse an Naturwissenschaften. Das habe ich Metallurgie und Werkstofftechnik studiert, bevor ich dann im Fach Eisenhüttenkunde promoviert habe. Im ersten Semester waren unter den 120 Studenten nur fünf Frauen.
Wie hat sich das für Sie angefühlt?
D-A: Gut. Ich habe das gar nicht so wahrgenommen. Na klar, wir Frauen waren gewissermaßen eine Minderheit, aber das war irgendwie gar kein Thema. Nach dem Studium bin ich dann zu Thyssenkrupp gegangen.
War es schwierig für Sie als junge Frau in dieser Männerwelt?
D-A: Nein. Und das, obwohl ich in dem Bereich, in dem ich gearbeitet hatte, tatsächlich die erste Ingenieurin war. Ich habe eher so eine Art Unsicherheit bei manchen Kollegen beobachtet. Einige wussten wohl nicht so recht, wie sie damit umgehen sollten, dass sie nun eine weibliche Kollegin haben. Das hat dann dazu geführt, dass viele mir gegenüber eher höflich und sehr zuvorkommend waren.
Dr. Heike Denecke-Arnold Jahrgang 1970, ist seit Mai 2022 Vorstandsmitglied der Thyssenkrupp Steel Europe AG. Als Chief Operations Officer (COO) verantwortet sie den Vertrieb, die Vertriebssteuerung, die Produktionsplanung und die operativen Produktionsbereiche und damit das gesamte Feld von der Eisen- und Stahlproduktion bis zu den Veredelungsstufen sowie Qualität und Logistik. |
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Gab es auch Ausnahmen?
D-A: Ja, da waren natürlich auch einige ältere Semester, die offen signalisiert haben, dass sie es nur für die zweitbeste Idee halten, dass da jetzt eine Frau mitarbeitet. Das wurde dann auch durch bestimmte Sprüche zum Ausdruck gebracht.
Und wie haben Sie darauf reagiert?
D-A: Mit Humor. Manchmal habe ich einen Spruch zurückgegeben. Ich war nie eingeschnappt. Man musste schon eine gewisse Portion Gelassenheit mitbringen und auch ein bisschen schlagfertig sein.
Das klingt einfacher, als es wahrscheinlich ist.
D-A: Ich konnte das tatsächlich gut ausblenden. Wenn ich mir die Jahrgänge dieser Menschen angeguckt hatte, habe ich mir gesagt: Reg’ dich nicht auf. Du wirst noch hier sein, wenn diese Kollegen längst in Rente sind.
Wie ist die Situation heute?
D-A: Die Verhältnisse haben sich grundlegend verändert. Inzwischen sind viel mehr Frauen in den technischen Berufen angekommen. Es gibt auch immer mehr Frauen in Führungspositionen. Das Geschlecht spielt keine Rolle mehr. Hauptsache, die Qualifikation stimmt. Aber gerade in unserer Branche ist es so, dass es immer noch viel zu wenige gut ausgebildete Frauen gibt, sodass sich die Unternehmen förmlich um sie reißen.
Was sind die Ursachen?
D-A: Es würde mich freuen, wenn noch mehr Frauen Interesse an naturwissenschaftlich- technischen Studiengängen hätten. Da muss einfach noch viel mehr Schwung reinkommen, mehr weibliche Absolventinnen sind notwendig, damit technische Unternehmen auch ein größeres Potenzial haben, aus dem sie schöpfen können.
Wenn die Frauen dann einmal drin sind im Unternehmen, welche Möglichkeiten bestehen dort, sie zu fördern?
D-A: Unternehmen können viel machen. Flexibilität in der Arbeitszeit, Homeoffice, Trainee- und Mentoren- Programme. Fakt ist: Wenn man in eine Führungsposition rein will, ist das eine Herausforderung. Immer. Und wer Kinder hat oder haben möchte, braucht ein Netzwerk, das den Karrierewunsch der Frau unterstützt. Wenn aber der Rahmen klar ist, kann, meines Erachtens, jede Frau ihren Weg gehen. Sie sind Vorstandsmitglied in einem Weltkonzerns. Sie haben aber auch die Wirtschaft unserer Region genau im Blick. So gehören Sie zum Führungstrio der „Business Women IHK Niederrhein“.
Was reizt Sie daran?
D-A: Dass es ein Netzwerk ist, in dem Vertreterinnen aus vielen unterschiedlichen Branchen zusammenkommen und ihre professionellen beruflichen Perspektiven einbringen. Die müssen nicht unbedingt besser sein als männliche Sichtweisen. Aber ich glaube schon, dass Frauen auf viele Themen anders gucken als Männer.
Die „Business Women IHK Niederrhein“ gibt es seit März. Wie sehen die Pläne für die Zukunft aus?
D-A: Seit der Gründung ist bereits viel passiert. Es hat sehr interessante Treffen gegeben, das Netzwerk wächst. Jetzt geht es darum, unser Profil zu schärfen und fachliche Themen in den Fokus zu rücken.
Verraten Sie uns doch noch, welchen Rat Sie Frauen geben würden, die eine Führungsposition anstreben?
D-A: Seid neugierig, mutig und offen für neue Erfahrungen! Probiert Dinge aus, auch wenn ihr zunächst den Eindruck habt, dass es nicht hundertprozentig passt. Männer sind da oft etwas cooler. Die sagen sofort „Klar, kann ich!“. Frauen hingegen sind in solchen Situationen sehr gewissenhaft, sehr reflektiert. Da dürfen sie dann ruhig auch mal etwas zocken. Am Ende zahlt sich der Mut zum Sprung ins kalte Wasser aus.
Interview: Tobias Appelt
Kontakt
Niederrheinische Industrie- und Handelskammer Duisburg-Wesel-Kleve zu Duisburg