Einblick-Interview

"Das ist Stadtgeschichte zum Anfassen"

Ingeborg Deselaers-Pottgießer aus Wesel ist Stadtentdeckerin. Sie macht sich mit Kindern auf die Suche nach dem Silberschatz und taucht mit ihnen ein in die Geschichte der Hanse.  
Stadtentdeckerin Ingeborg Deselaers-Pottgießer sitzt auf einem Stuhl und schaut in die Kamera.
Frau Deselaers-Pottgießer, warum haben Sie sich für den Schritt in die Selbstständigkeit entschieden?
Ich bin gelernte Erzieherin und habe immer gerne in dem Bereich gearbeitet. Und trotzdem schlummerte tief in mir der Wunsch nach einer beruflichen Veränderung. Dieses Gefühl hat sich zu Beginn der Corona-Pandemie noch einmal verstärkt. Ich durfte die Einrichtung, in der ich gearbeitet habe, nicht mehr betreten, weil ich als über 50-Jährige nach damaligem Stand zur Risikogruppe gehört habe. Das war keine einfache Zeit. Die Situation habe ich aber genutzt, mir mehr Gedanken über meine berufliche Zukunft zu machen.  
Und wie kamen Sie auf die Idee, als Stadtentdeckerin loszuziehen?
Die entstand nach einem Besuch in der Stadtinformation. Dort wollte ich mich informieren, welche Führungen durch Wesel angeboten werden. Die Auswahl war überschaubar. Für Kinder gab es gerade mal eine Karte für eine Stadtrallye zum Download – mehr war es nicht. Ich dachte mir: Das kann es doch nicht gewesen sein. Wesel ist eine Stadt mit 800 Jahren Geschichte, in der es so viel zu entdecken gibt. Bei mir sprudelten sofort neue Ideen. Bald hatte ich schon ein Konzept für Stadttouren mit Familien und Kindern entwickelt. Doch bevor ich mein kleines Unternehmen gründen konnte, hatte ich noch viel zu erledigen. 
Was stand auf Ihrer Liste?
Plötzlich beschäftigten mich Themen, über die ich mir als Angestellte nie Gedanken machen musste. Das begann beim Versicherungsschutz für die Teilnehmer der Touren bis hin zur Berechnung meines eigenen Stundenlohns. Eine Stadtentdeckung dauert in der Regel 90 bis 120 Minuten. Aber in die Vorbereitung investiere ich unzählige Stunden – und das muss sich am Ende rechnen. Ich habe dann eine Förderung beim „Beratungsprogramm Wirtschaft NRW“ bei der IHK beantragt, das war mir eine riesengroße Hilfe. Auch der Austausch mit der Gründungsberaterin Julia Brouns war sehr wertvoll.
Was gehörte noch zur Vorbereitung?
Ich habe mir mithilfe des Weseler Designers Moritz Hippich einen professionellen Auftritt verpasst – dazu gehören eine moderne Homepage und hochwertige Flyer. Ich rate auch dazu, nicht am falschen Ende zu sparen. Flyer mit labbrigem Papier sind keine guten Visitenkarten. Ich habe für die Stadtentdeckungen noch zwei Figuren erfunden: Fritz und Alma begleiten die Kinder nun auf unseren Touren. Letztendlich habe ich mir für die Rundgänge noch einen alten Bollerwagen gekauft, der mittlerweile mein Markenzeichen geworden ist. 
Für die Führungen durch die Stadt benötigen Sie viel Wissen über die Weseler Geschichte. Wie haben Sie sich dieses angeeignet?
Geschichte war schon immer meine Leidenschaft – insbesondere die meiner Heimat. Ich habe Bücher zu historischen Themen regelrecht verschlungen. Jetzt bestand die Aufgabe darin, die Themen kindgerecht zu verpacken. Die Geschichten nur zu erzählen, wäre viel zu langweilig geworden. Und so machen sich die Kinder nun auf die Suche nach dem Silberschatz von Wesel. Auch die Geschichte der Hanse rattere ich nicht einfach runter. Die Kinder bekommen Tuche oder Salze in die Hand und können mit alten Münzen einkaufen. Es ist Stadtgeschichte zum Anfassen.    
Seit Mai 2021 sind Sie nun als Stadtentdeckerin im Einsatz. Wie fällt Ihre bisherige Bilanz aus?
Bis Ende 2022 war ich mit insgesamt 1500 Menschen in Wesel und Umgebung unterwegs. Die Zahl hat mich echt umgehauen. Mit so einer Entwicklung hätte ich nie gerechnet. Von der Zahl mal abgesehen, habe ich es zu keiner Zeit bereut, mich selbstständig gemacht zu haben. Wenn ein Kind bei einer Stadtentdeckung eine originelle Frage stellt, ist das jedes Mal ein schöner Moment. Es ist immer das Ende eines kindlichen Gedankenganges. Eine Frage zeigt mir, dass das Kind ganz bei der Sache ist.
Welche Pläne haben Sie noch für die Zukunft?
Ich habe immer Ideen für weitere Stadttouren – auch außerhalb von Wesel. So geht es demnächst mit einer Gruppe zum Haus Esselt nach Hünxe. Dort werden wir uns auf die Spuren des Heimatmalers Otto Pankok begeben. Jetzt kam auch aus dem Rathaus die Anfrage, den Tag des Städtebaus am 13. Mai mitzugestalten. Auch den Erwachsenen scheint das Konzept zu gefallen.      
Stadttour als Kindergeburtstag
Ingeborg Deselaers-Pottgießer, 54, empfiehlt ihre Touren für Kinder ab dem letzten Kindergartenjahr und bis zu einem Alter von zehn Jahren. Teilnehmen können sowohl Kitas und Schulen als auch private Gruppen wie Kindergeburtstage.

Foto: Katharina Neuenhaus

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