„Man darf nicht denken, man erreiche seine Ziele, nur weil man nett aussieht“

Gabriele Brimmers leitet zusammen mit ihrem Mann und ihrem Schwager seit fast einem Vierteljahrhundert die Geschicke der Jakob Raeth GmbH & Co. KG in Straelen. Im Interview spricht sie darüber, wie es Frauen gelingen kann, in der männerdominierten Speditionsbranche erfolgreich zu sein.
Frau Brimmers, Sie sind zuständig für die gesamte Finanz- und Lohnbuchhaltung der Jakob Raeth GmbH & Co. KG. Somit sind Sie in der Geschäftsführung als Frau allein zwischen zwei Männern. Wie funktioniert das?
Gabriele Brimmers: Das funktioniert sehr gut. Wir sind ein Team. Unser Grundsatz ist, dass wir uns gegenseitig respektieren. Jeder hat seinen Bereich, aber die Bereiche funktionieren nur, wenn man zusammenarbeitet. Mein Schwager ist für das operative Geschäft zuständig, also Disposition, Fuhrpark und Werkstatt. Mein Mann ist verantwortlich für die kaufmännische Seite, er kümmert sich um die Finanzen, Akquise und Kundenbindung. Ich habe mich schon immer sehr wohlgefühlt in der Buchhaltung.
Unterscheidet sich der weibliche Blick auf ein Unternehmen oder auf betriebswirtschaftliche Entscheidungen von dem der Männer?
B: Ja, absolut, und das ist auch gut so. Wenn jeder seine Meinung einbringt, entsteht am Ende in der Regel eine vernünftige Lösung. Daher bin ich der Meinung, dass es eine Bereicherung ist, wenn unterschiedliche Sichtweisen aufeinandertreffen.
Gesamtgesellschaftlich betrachtet – die Zahlen belegen es – haben Frauen in der Wirtschaft aber häufig immer noch wenig zu sagen.
B: Leider. Ich finde es immer toll, wenn Frauen ihre Positionen klar und stark vertreten. Sie dürfen da aber auch nicht mit der Brechstange drangehen, sondern müssen sich das Vertrauen der männlichen Mitarbeiter erarbeiten. Ich sehe aber eher viel zu oft junge Frauen, bei denen ich denke: „Mensch, du kannst doch jetzt noch ein bisschen mehr Gas geben und klar ansprechen, was du willst!“. Frauen müssen sich einfach mehr zutrauen.
Ist das ein Rat, den Sie auch Ihren Auszubildenden mit auf den Weg geben?
B: Bei uns beginnt in diesem Jahr zum ersten Mal eine junge Frau die Ausbildung zur Berufskraftfahrerin. Ihr habe ich schon gesagt, dass sie auch mit Menschen zu tun haben wird, die etwas, na ja, hemdsärmelig sind. Da darf sie dann nicht zimperlich sein und muss versuchen, selbstbewusst aufzutreten.
2005 wurde das „Unternehmerinnen Forum Niederrhein“ gegründet, inzwischen hat es mehr als 110 Mitglieder. Sie sind seit dem ersten Treffen dabei. Was hat Sie dazu bewogen, diesem Netzwerk beizutreten?
B: Als Frau hat man in den Firmen oft wenig Ansprechpartner. Die Netzwerke damals waren Männernetzwerke, da hatte ich keinen Anschluss bekommen. Im „Unternehmerinnen Forum“ habe ich sehr viele tolle Frauen kennengelernt. Dadurch habe ich auch eine Portion Selbstbewusstsein mitgenommen.
Sie sind seit beinahe 20 Jahren in einem weiteren Netzwerk aktiv, in dem sich Frauen aus der Speditionsbranche organisieren. Wie fallen die Reaktionen darauf aus, in einer doch sehr männerdominierten Branche?
B: Natürlich kommen von männlichen Kollegen auch mal Sprüche wie „Die Damen treffen sich wieder zum Kaffeekränzchen“. Das nehme ich aber nicht mehr persönlich, ich weiß ja, es geht um einen Austausch auf Augenhöhe. Alle Teilnehmerinnen sind in leitender Position tätig und wir thematisieren alles, was unsere Branche bewegt.
Wie verschaffen Sie sich in Ihrer Branche und bei – wie Sie selbst sagen – „hemdsärmeligen“ Ansprechpartnern Akzeptanz?
B: Niemand darf denken, man erreiche seine Ziele nur, weil man nett aussieht. Wir alle müssen mit Kompetenz überzeugen – Männer wie Frauen. Insgesamt beobachte ich einen gewissen Kulturwandel, ein Umdenken in den Köpfen. Aus diesem Grund haben es Frauen in der Wirtschaft heute auch einfacher als vor 25 Jahren, als ich ins Berufsleben eingestiegen bin.

In den vergangenen 25 Jahren hat Gabriele Brimmers gemeinsam mit ihrem Mann Jakob und ihrem Schwager Lambert die Jakob Raeth GmbH & Co. KG in Straelen geleitet und weiterentwickelt. Heute beschäftigt die Speditionsgruppe mehr als 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und unterhält einen 120 Lkw starken Fuhrpark. Die vierte Generation des Familienunternehmens steht bereits in den Startlöchern. In den kommenden Jahren werden die Kinder der Ehepaare Brimmers die Leitung des Betriebs übernehmen.
Interview: Tobias Appelt