EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD)
Die EU-Richtlinie über unternehmerische Sorgfaltspflichten für nachhaltige Lieferketten (Corporate Sustainability Due Diligence Directive – CSDDD) verpflichtet große europäische und ausländische Unternehmen EU-weit dazu, ihren eigenen Geschäftsbereich sowie ihre Lieferketten auf zu schützende Umwelt- und Menschenrechtsbelange zu überprüfen, Risiken zu identifizieren und diese zu vermeiden. Ziel ist es, soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit im Unternehmenskontext zu stärken. Einen Überblick über die Richtlinie und die daraus entstehenden Pflichten erhalten Sie hier.
In Deutschland wird die Umsetzung voraussichtlich durch eine Anpassung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) oder ausweislich des Koalitionsvertrags durch die Einführung eines „Gesetzes über die internationale Unternehmensverantwortung“ erfolgen.
Am 4. April 2025 hat der Rat der EU einer zeitlichen Verschiebung der Vorschriften zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten zugestimmt. Die Pflichten treten stufenweise wie folgt ein:
- Ab 26. Juli 2026: Unternehmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten und mehr als 1,5 Milliarden Euro weltweitem Nettojahresumsatz
- Ab 26. Juli 2028: Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten und mehr als 900 Millionen Euro weltweitem Nettojahresumsatz
- Ab 26. Juli 2029: Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten und mehr als 450 Millionen Euro weltweitem Nettojahresumsatz
Von dem Anwendungsbereich umfasst sind auch Nicht-EU-Unternehmen, soweit diese in der EU liefern.
Sachlich bezieht sich die Richtlinie auf die Einhaltung umwelt- und menschenrechtlicher Vorgaben in den Lieferketten. Im Vergleich zum LkSG soll insbesondere der Schutz der Umwelt verschärft werden, indem alle messbaren Umweltbeeinträchtigungen wie schädliche Bodenveränderungen, Wasser- oder Luftverschmutzung, schädliche Emissionen, übermäßiger Wasserverbrauch sowie weitere Auswirkungen auf die natürlichen Ressourcen berücksichtigt werden. Die umfangreichen geschützten Menschenrechte umfassen beispielsweise das Recht auf gerechte und günstige Arbeitsbedingungen, Kinderrechte und das Verbot der Zwangs- oder Pflichtarbeit.
Unternehmen müssen sowohl die vorgelagerte ("upstream") als auch die nachgelagerte ("downstream") Lieferkette überprüfen. Die Überprüfung der nachgelagerten Lieferkette ist auf Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Vertrieb, dem Transport sowie der Lagerung von Produkten in Bezug auf direkte Geschäftspartner bezogen. Die Überprüfung der vorgelagerten Lieferkette bezieht sich hingegen auch auf indirekte Geschäftspartner.
Unternehmen haften nur für eigenes Verschulden und nur für vorhersehbare und vermeidbare Schäden. Bei Verstößen gegen die Sorgfaltspflichten müssen sie mit Ansprüchen von betroffenen Privatpersonen rechnen. Die Geldstrafen sind unter Berücksichtigung des weltweiten Nettoumsatzes zu berechnen und sollen bis zu fünf Prozent von diesem betragen.
- Sachlicher Anwendungsbereich: geschützte Menschenrechte und tangierte Umweltbelange
Die Lieferkette muss auf geschützte Menschenrechte und tangierte Umweltbelange geprüft werden.Die geschützten Menschenrechte umfassen:
- Das Recht auf Leben
- Das Verbot von Folter, grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung
- Das Recht auf Freiheit und Sicherheit
- Das Verbot willkürlicher oder rechtswidriger Eingriffe in das Privatleben, die Familie, die Wohnung oder den Schriftverkehr einer Person
- Das Verbot der Beeinträchtigung der Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit
- Das Recht auf gerechte und günstige Arbeitsbedingungen, einschließlich eines gerechten und eines angemessenen existenzsichernden Lohns
- Das Verbot, den Zugang der Beschäftigten zu angemessener Unterbringung zu beschränken, wenn Arbeitskräfte in einer vom Unternehmen bereitgestellten Unterkunft untergebracht sind
- Das Recht des Kindes auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit
- Das Recht des Kindes auf einen angemessenen Lebensstandard
- Den Schutz des Kindes vor wirtschaftlicher Ausbeutung
- Den Schutz des Kindes vor allen Formen sexueller Ausbeutung und sexuellen Missbrauchs sowie Schutz vor Entführung, Verkauf oder rechtswidriger Verbringung an einen anderen Ort innerhalb oder außerhalb ihres Landes zum Zwecke der Ausbeutung
- Das Verbot der Beschäftigung von Kindern vor Erreichen des Alters, an dem die Schulpflicht endet und das auf keinen Fall unter 15 Jahren liegen darf
- Das Verbot der schlimmsten Formen der Kinderarbeit
- Das Verbot der Zwangs- oder Pflichtarbeit
- Das Verbot aller Formen der Sklaverei und des Sklavenhandels
- Das Recht auf Vereinigungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, das Vereinigungsrecht und das Recht zu Kollektivverhandlungen
- Das Verbot der Ungleichbehandlung in der Beschäftigung
- Das Verbot, messbare Umweltschädigungen wie schädliche Bodenveränderungen, Wasser- oder Luftverschmutzung, schädliche Emissionen, übermäßigen Wasserverbrauch, Landschädigung oder andere Auswirkungen auf natürliche Ressourcen wie Entwaldung zu verursachen
- Das Recht von Einzelpersonen, Gruppierungen und Gemeinschaften auf Land und Ressourcen sowie darauf, nicht ihrer Existenz beraubt zu werden
Die tangierten Umweltbelange umfassen:- Die Verpflichtung, negative Auswirkungen auf die biologische Vielfalt zu vermeiden oder zu minimieren
- Das Verbot der Einfuhr, Ausfuhr, Wiedereinfuhr oder das Einbringen aus dem Meer frei lebender Tiere oder Pflanzen
- Das Verbot der Herstellung, Einfuhr oder Ausfuhr von mit Quecksilber versetzten Produkten
- Das Verbot der Verwendung von Quecksilber oder Quecksilberverbindungen
- Das Verbot der unrechtmäßigen Behandlung von Quecksilberabfällen
- Das Verbot der Produktion und Verwendung von Chemikalien, die im POP Übereinkommen aufgeführt sind
- Das Verbot der unrechtmäßigen Handhabung, Sammlung, Lagerung und Entsorgung von Abfällen
- Das Verbot der Einfuhr oder Ausfuhr von Chemikalien, die im UNEP/FAO Übereinkommen aufgeführt sind
- Das Verbot der unrechtmäßigen Produktion, des unrechtmäßigen Verbrauchs sowie der unrechtmäßigen Einfuhr oder Ausfuhr der von dem Wiener Übereinkommen aufgeführten Stoffe
- Das Verbot der Ausfuhr gefährlicher oder anderer Abfälle, die im Basler Übereinkommen aufgeführt sind
- Das Verbot der Ausfuhr gefährlicher oder anderer Abfälle aus Staaten, die im Basler Übereinkommen aufgeführt sind
- Das Verbot der Einfuhr gefährlicher Abfälle und anderer Abfälle aus Nichtvertragsparteien, die das Basler Übereinkommen nicht ratifiziert haben
- Die Verpflichtung, negative Auswirkungen auf als Naturerbe abgegrenzte Grundstücke im Sinne des „Welterbeübereinkommens“ zu verhindern oder zu minimieren
- Die Verpflichtung, negative Auswirkungen auf Feuchtgebiete zu vermeiden oder zu minimieren
- Die Verpflichtung, die Verschmutzung durch Schiffe zu verhindern
- Die Verpflichtung, die Verschmutzung der Meeresumwelt durch Einbringen zu verhindern, zu verringern und zu überwachen
- Sorgfaltspflichten
Sorgfaltspflichten müssen in die Unternehmenspolitik einbezogen werden und die Unternehmen sind dazu verpflichtet, eine Strategie zur risikobasierten Erfüllung dieser zu entwickeln.Folgende Sorgfaltspflichten sind zu erfüllen:
- Risikoanalyse
- Betroffene Unternehmen müssen potenzielle negative Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt entlang der Lieferkette identifizieren, bewerten und priorisieren.
- Prävention und Abhilfe
- Nachteilige Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt müssen durch angemessene präventive Maßnahmen verhindert oder gemindert werden. Bereits eingetretene nachteilige Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt müssen durch angemessene Abhilfemaßnahmen abgestellt werden.
- Sinnvolle Einbeziehung von Interessenträgern (Stakeholder)
- Intern müssen Beschäftigte in die Umsetzung der CSDDD einbezogen werden.
- Extern müssen Geschäftspartner eingebunden werden.
- Meldemechanismus und Beschwerdeverfahren
- Unternehmen müssen ein gerechtes, öffentlich verfügbares, zugängliches, berechenbares und transparentes Beschwerdeverfahren einrichten oder sich an einem öffentlich verfügbaren Beschwerdeverfahren beteiligen.
- Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle stellt eine Handreichung zur Organisation, Umsetzung und Evaluation eines Beschwerdeverfahrens zur Verfügung: BAFA - Homepage - Beschwerdeverfahren organisieren, umsetzen und evaluieren
- Überwachung
- Die ergriffenen Maßnahmen müssen regelmäßig risikobasiert auf ihre Angemessenheit und Wirksamkeit bewertet werden.
- Risikoanalyse
- Berichtspflicht
Die Unternehmen haben jeweils darüber Rechenschaft abzulegen, inwiefern negative Auswirkungen ihrer Aktivitäten auf die Menschenrechte und die Umwelt ermittelt werden und wie mit den tatsächlichen und potenziellen negativen Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf die Menschenrechte und die Umwelt umgegangen wird sowie verhindert und gemindert werden.Die Richtlinie sieht keine zusätzlichen Berichtspflichten für Unternehmen vor, die in den Anwendungsbereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) fallen. Das bedeutet, dass die Berichtspflicht nach der CSDDD mit der Veröffentlichung eines Nachhaltigkeitsberichtes nach den Vorgaben der CSRD-Umsetzungsgesetzes erfüllt wird.
Alle anderen Unternehmen müssen jährlich, spätestens zwölf Monate nach Abschluss des Geschäftsjahres über ihre Aktivitäten berichten und eine Erklärung auf ihrer Webseite veröffentlichen. - Besonderheiten bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)
Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU) fallen daher nicht unter die Vorschriften der CSDDD. Sie können aber trotzdem mit den Anforderungen in Berührung kommen, wenn sie einem anderen Unternehmen Dienste leisten oder Produkte zuliefern, das der CSDDD unterliegt.Artikel 10 und 11 CSDDD sehen vor, dass Unternehmen sich von ihren Geschäftspartnern zusichern lassen, dass sie den Verhaltenskodex des erfassten Unternehmens einhalten und Informationen weiterleiten. Als Entlastung für KMU sind die großen EU-Unternehmen gemäß Artikel 10 und 11 CSDDD dafür verantwortlich, diesen den “Zugang zu Kapazitätsaufbau, Schulungen oder die Modernisierung von Managementsystemen” zu ermöglichen. Sie müssen zudem “gezielte und angemessene finanzielle Unterstützung” leisten, sofern sonst die “Tragfähigkeit des KMU gefährdet würde”.Es kann daher auch zu bürokratischen Pflichten für KMU kommen, weshalb es für diese entscheidend ist, sich frühzeitig auf die Anforderungen vorzubereiten und Maßnahmen zu implementieren.Hilfestellungen für KMU bietet beispielsweise der KMU Kompass.
- Besonderheiten bei Holdinggesellschaften
Sofern sich die Tätigkeit einer Holdinggesellschaft ausschließlich auf das Halten von Anteilen beschränkt und dadurch keine Management-, Betriebs- oder finanzielle Entscheidung getroffen wird, die den Konzern oder einzelne Tochtergesellschaften betreffen, kann sie von ihren Sorgfaltspflichten befreit werden.
Erleichterungen durch die Omnibus-Pakete der EU
Ende Februar 2025 hat die EU-Kommission in Form von zwei Omnibus-Paketen Vorschläge für Entlastungen in den Bereichen der Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD), Taxonomie, dem CO2-Ausgleichsmechanismus (CBAM), dem Fonds InvestEU und der CSDDD veröffentlicht.
Die Entwürfe sehen in Bezug auf die CSDDD folgende inhaltliche Erleichterungen für Unternehmen vor:
- Das Streichen der Überprüfungsklausel über die Einbeziehung von Finanzdienstleistern in den Geltungsbereich der CSDDD (Artikel 2 CSDDD)
- Die Verkleinerung der Gestaltungsspielräume der Mitgliedsstaaten, damit die Umsetzungsgesetze nicht so stark voneinander abweichen (Artikel 4 CSDDD)
- Die Ermittlung und Bewertung negativer Auswirkungen soll nur noch in Bezug auf die direkten Geschäftspartner erfolgen (Artikel 8 CSDDD)
- Die Pflicht zur Vertragsbeendigung bei schwerwiegenden potenziellen oder tatsächlichen negativen Auswirkungen soll entfallen (Artikel 10 Abs. 6, Artikel 11 Abs. 7 CSDDD)
- Die Einbeziehung der Stakeholder (direkt Betroffene, Verbraucher, Menschenrechts- und Umweltorganisationen) wird begrenzt (Artikel 13 CSDDD)
- Unternehmen sollen nur noch alle fünf Jahre (nicht mehr einmal jährlich) und bei konkretem Anlass Überwachungsmaßnahmen ergreifen müssen (Artikel 15 CSDDD)
- Die Kommission soll die Leitlinien Unternehmen und Mitgliedsstaaten früher veröffentlichen (Artikel 19 CSDDD)
- Die Klimapläne müssen zwar Umsetzungsmaßnahmen enthalten, die tatsächliche Umsetzung soll aber nicht mehr verpflichtend sein (Artikel 22 CSDDD)
- Anstelle einer Mindestobergrenze für Sanktionen in Höhe von 5 Prozent des weltweiten Nettoumsatzes, soll es nur noch Leitlinien für Sanktionen und die zivilrechtliche Haftung geben (Artikel 27, 29 CSDDD)
- Der Anwendungsstart wird auf den 26. Juli 2027 verlegt (Artikel 37 CSDDD)
Weitergehende Informationen über die Omnibus-Entwürfe finden Sie auf der Homepage der Europäischen Kommission. Zu den Vorschlägen selbst kommen Sie hier.
Diese Informationen können ebenfalls helfen:
Eine Themenseite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales bietet eine umfangreiche Übersicht und ein FAQ zu der CSDDD.
Auch auf der Homepage der EU-Kommission finden Sie weitergehende Informationen zu der CSDDD (bislang nur auf Englisch).
Informationen zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) finden Sie auf der zugehörigen Themenseite im Bürokratie-Guide.
Mehr über aktuelle Entwicklungen erfahren Sie auch in folgenden Artikeln:
Mah/Be
Kontakt

Falko Lehmeier