Betriebsübergang

Gemäß § 613a BGB besteht für den Arbeitgeber oder den neuen Inhaber eine Unterrichtungspflicht über den Betriebsübergang und ein Recht der Arbeitnehmer zum Widerspruch gegen den Betriebsinhaberwechsel. In § 613a Abs. 5 sind umfangreiche Unterrichtungspflichten vorgesehen. Die Nichtbeachtung kann nach Absatz 6 dieser Vorschrift zu einem langfristigen Widerspruchsrecht der betroffenen Arbeitnehmer führen.
Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Der § 613a BGB ist eine Regelung, die dem Schutz der Arbeitnehmer dient. Deshalb kann sie nicht durch eine Vereinbarung zwischen Veräußerer und Erwerber ausgeschlossen werden. Darüber hinaus ist der Begriff des Betriebs bzw. Betriebsteils aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes weit auszulegen. Maßgeblicher Zeitpunkt für einen Betriebsinhaberwechsel ist der Moment, zu dem der Erwerber rechtlich nicht mehr gehindert ist, die Leitungs- und Organisationsgewalt anstelle des Betriebsveräußerers auszuüben.
1. Allgemeines zu Unterrichtungspflichten und Widerspruchsrecht
Mit Wirkung zum 1. April 2002 wurde der § 613a BGB um die Absätze 5 und 6 erweitert. § 613a Abs. 5 BGB legt Informationspflichten des Betriebsveräußerers oder des Betriebserwerbers gegenüber dem vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer fest. Außerdem hat der Gesetzgeber in § 613a Abs. 6 BGB das vom Bundesarbeitsgericht (BAG) in ständiger Rechtsprechung vertretene und vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) anerkannte Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer gesetzlich festgeschrieben. Schon lange war von der Rechtsprechung anerkannt, dass sich kein Arbeitnehmer gegen seinen Willen "verkaufen lassen" muss.
Das nun gesetzlich geregelte einmonatige Widerspruchsrecht (Abs. 6) ist mit der Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers (Abs. 5) verknüpft worden. Die Frist beginnt nicht wie bisher ab genereller Kenntnis des Arbeitnehmers vom Betriebsinhaberwechsel zu laufen, sondern erst nach seiner vollständigen Unterrichtung. Dieser Zustand geht über die bisherige richterliche Regelung des Widerspruchsrechts hinaus. Solange die Unterrichtungspflicht nach § 613a Abs. 5 BGB unvollständig und nicht formgerecht erfüllt ist, wird keine Widerspruchsfrist in Gang gesetzt. Die zeitlich befristete Ausübung des Widerspruchsrechts schließt der Wortlaut des Gesetzes gerade aus, und somit besteht die Möglichkeit, dass sich ein Arbeitnehmer noch Monate, unter Umständen sogar Jahre nach einem Betriebsübergang darauf beruft, das Widerspruchsrecht sei infolge unzureichender Unterrichtung nicht ausgelöst worden.
2. Inhalt der Unterrichtungspflichten
§ 613a Abs. 5 BGB verpflichtet den Betriebsveräußerer bzw. den Betriebserwerber, die von dem Betriebsinhaberwechsel betroffenen Arbeitnehmer zeitlich vor dem Betriebsübergang umfassend über die in Betracht gezogene Maßnahme zu informieren. Da die einmonatige Widerspruchsfrist erst nach ordnungsgemäßer Unterrichtung der Arbeitnehmer beginnt, wird sich die juristische Kontroverse mit großer Wahrscheinlichkeit daran orientieren, zu welchem Zeitpunkt eine Information tatsächlich vollständig war. Der Mindestinhalt der Unterrichtung richtet sich nach den in § 613a Abs. 5 Nr. 1 bis 4 BGB bestimmten Anforderungen (ausführlich dazu auch die Checkliste am Ende dieses Beitrags).
Im Einzelnen müssen die vom Übergang betroffenen Arbeitnehmer unterrichtet werden über:
- den Zeitpunkt oder geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
- den Grund für den Übergang
- die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
- die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.
3. Form der Unterrichtung
Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber müssen die Arbeitnehmer in Textform (§ 126 b BGB) über den Betriebsinhaberwechsel informieren. Die Textform ist gewahrt, wenn die Unterrichtung als Urkunde oder so abgegeben wird, dass sie die Person des Erklärenden nennt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders erkennbar gemacht wird. Möglich ist auch die Information der Arbeitnehmer durch eine E-Mail. Dafür müssen sie über entsprechende Adressen an ihrem Arbeitsplatz verfügen und mit der Übermittlung von rechtserheblichen Erklärungen auf diesem Weg einverstanden sein. Wie beim Faxversand besteht für den Arbeitgeber bzw. Erwerber allerdings das Risiko, den tatsächlichen Zugang der Unterrichtung bei jedem Arbeitnehmer nachweisen zu müssen. Da davon der Beginn der Widerspruchsfrist abhängt, ist es empfehlenswert, eine schriftliche Empfangsbestätigung vorzusehen.
Wird die Textform nicht gewahrt, ist die Unterrichtung unwirksam. Die mündliche Information auf einer Betriebsversammlung genügt nicht. Ebenso reicht ein Aushang mit den erforderlichen Angaben an zentraler Stelle im Betrieb nicht aus, da die Unterrichtung eine empfangsbedürftige Erklärung darstellt und in der vorgeschriebenen Form auch zugehen muss.
4. Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer
Vor der Gesetzesänderung konnten die Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung des BAG ihr Widerspruchsrecht prinzipiell nur bis zum Zeitpunkt des Betriebsinhaberwechsels ausüben. Hatte der Arbeitgeber seine Mitarbeiter nicht über den bevorstehenden Betriebsübergang informiert, bestand für die Arbeitnehmer die Möglichkeit, auch noch nach dem Betriebsinhaberwechsel von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch zu machen. Sobald die Arbeitnehmer jedoch von dem Betriebsübergang Kenntnis erlangt hatten, mussten sie das Widerspruchsrecht ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB) ausüben. In Anlehnung an die §§ 4, 13 Kündigungsschutzgesetz forderte das BAG, dass die Arbeitnehmer den Widerspruch spätestens innerhalb von drei Wochen erklären mussten.
Das durch die Neuregelung kodifizierte Widerspruchsrecht weist zur alten Rechtsprechung wesentliche Unterschiede auf. § 613a Abs. 6 BGB sieht eine Frist von einem Monat für den Widerspruch vor. Die Frist beginnt erst mit dem Eingang der Unterrichtung gemäß § 613a Abs. 5 BGB bei den betroffenen Arbeitnehmern. Der Fristbeginn bestimmt sich nur nach dem Unterrichtungszeitpunkt und ist unabhängig vom tatsächlichen Betriebsübergang. Zwar haben der bisherige Arbeitgeber und der Erwerber dadurch die Möglichkeit, durch eine frühzeitige Unterrichtung bereits vor dem Betriebsinhaberwechsel die Widerspruchsfrist auszulösen und sich so Klarheit über den Verbleib der einzelnen Arbeitnehmer zu verschaffen. Jedoch werden insgesamt die Modalitäten der Ausübung des Widerspruchsrechts durch die beiden neuen Absätze des § 613a BGB zu Lasten des Arbeitgebers erheblich verschärft, da dieser inhaltlich und formal strengeren Informationspflichten unterworfen wird. Die bisherige Rechtsprechung hatte das Ziel, die Rechtslage zügig zu klären. Das gesetzliche Widerspruchsrecht des § 613a Abs. 6 BGB soll den Arbeitgeber nun dazu anhalten, seinen Pflichten aus Abs. 5 nachzukommen.
5. Fristbeginn gem. § 613a Abs. 6 BGB
Aus dem Wortlaut des § 613a Abs. 6 BGB folgt, dass bei einer fehlenden Unterrichtung die Widerspruchsfrist nicht zu laufen beginnt. Nach der Gesetzesbegründung soll dies jedoch nicht nur dann gelten, wenn der Arbeitgeber oder Erwerber überhaupt nicht informiert hat, sondern auch, wenn die Unterrichtung des Arbeitnehmers nicht vollständig erfolgt ist. Das hat zur Folge, dass ein Widerspruch auch noch Jahre nach dem tatsächlichen Betriebsinhaberwechsel stattfinden kann, wenn eine Unterrichtung durch den Betriebsveräußerer oder -erwerber nur unvollständig durchgeführt worden ist.
Wann die Mitteilung dem Arbeitnehmer zugeht ist für die Frage des Fristbeginns unerheblich. Nach § 613a Abs. 5 BGB hat die Unterrichtung der Arbeitnehmer vor dem Übergang zu erfolgen. Die Unterrichtungspflicht erlischt jedoch nicht mit dem Zeitpunkt des Übergangs, sondern besteht darüber hinaus. Erfolgt eine ordnungsgemäße Information erst nach Vollzug des Betriebsübergangs, beginnt die Widerspruchsfrist erst mit dem Zugang der Unterrichtung.
6. Individueller Verzicht auf das Widerspruchsrecht
Um die unangenehmen Folgen einer unvollständigen Unterrichtung der Arbeitnehmer zu vermeiden, kann der bisherige Arbeitgeber mit den Arbeitnehmern einen Verzicht auf ihr Widerspruchsrecht vereinbaren. Bislang hat die Rechtsprechung nach der Gesetzesänderung keinen derartigen Sachverhalt entschieden. Es ist jedoch anzunehmen, dass es wie bisher unzulässig ist, bereits mit Abschluss des Arbeitsvertrages oder durch Betriebsvereinbarung eine Verzichtserklärung zu verabreden. Nur in der Erwartung eines bevorstehenden konkreten Übergangs kann auf das Widerspruchsrecht individuell verzichtet werden. Die Begründung dafür folgt aus dem Sinn und Zweck des Widerspruchsrechts, mit dem der Gesetzgeber den Arbeitnehmern das Recht auf eine freie Arbeitsplatzwahl zusichern will. So können diese beispielsweise in einer Übernahmesituation auf ihre ihnen zustehenden Informationen verzichten. Dies wird dadurch belegt, dass es den Arbeitnehmern freisteht, jederzeit mit dem Arbeitgeber oder Erwerber einen geänderten Arbeitsvertrag zu schließen.
Allerdings muss die gesetzgeberische Wertung von § 613a Abs. 5 und 6 BGB berücksichtigt werden. Das Schriftformerfordernis des § 613a Abs. 6 BGB hat auch eine Warnfunktion. Dieser Schutzzweck trifft ebenfalls auf die Erklärung des Arbeitnehmers zu, er verzichte auf die Ausübung des Widerspruchsrechts. Für die Verzichtserklärung ist daher gleichfalls die Schriftform zu empfehlen. Des Weiteren geht die Neuregelung davon aus, dass die Arbeitnehmer die vorgeschriebenen Informationspflichten benötigen, um die Vor- und Nachteile eines Widerspruchs zutreffend beurteilen zu können. Daraus folgt, dass die Arbeitnehmer nur dann rechtswirksam auf das Widerspruchsrecht verzichten können, wenn sie über ein Mindestmaß an Informationen über den Betriebsübergang verfügen. Ein individueller Verzicht des Arbeitnehmers auf sein Widerspruchsrecht wird daher künftig dann als zulässig anzusehen sein, wenn dies schriftlich und nach ausreichender Unterrichtung über die wesentlichen Aspekte des Betriebsinhaberwechsels geschieht.
Checkliste – zu den Inhalten der Informationspflichten
Zeitpunkt des Übergangs (§ 613a Abs. 5 Nr. 1 BGB)
- Den Zeitpunkt oder geplanten Stichtag der Übertragung nennen.
Grund des Übergangs (§ 613a Abs. 5 Nr. 2 BGB)
- Allgemeinen Hinweis auf den Rechtsgrund der Übertragung geben.
- Stichwortartig die hinter dem Betriebsinhaberwechsel stehenden betriebswirtschaftlichen Überlegungen beschreiben (Bsp.: Ausgliederung eines betrieblichen Bereichs etc.).
- Dabei aufpassen, dass keine geheimhaltungsbedürftigen Betriebsgeheimnisse offengelegt werden.
Rechtliche, wirtschaftliche und soziale Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer (§ 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB)
- Über die Fragen einer Weitergeltung oder Änderung der bisherigen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis unterrichten; verständlich und umfassend klarstellen, dass der Erwerber unverändert in die im Arbeitsvertrag begründeten Rechte und Pflichten eintritt.
- Informieren über die Haftung des bisherigen Arbeitgebers und des neuen Inhabers.
- Über den Kündigungsschutz unterrichten.
- Auswirkungen des Betriebsübergangs auf die Arbeitnehmervertretung beschreiben.
- Insgesamt können rechtliche, wirtschaftliche und soziale Folgen des Übergangs kollektiv für alle Arbeitnehmer oder zumindest für zusammengehörige Arbeitnehmer-Gruppen erläutert werden.
In Aussicht genommene Maßnahmen (§613a Abs. 5 Nr. 4 BGB)
- Die Maßnahmen müssen "in Aussicht genommen" sein; das bedeutet, dass sie noch nicht feststehen, aber bereits ein Planungsstadium erreicht haben müssen.
- Weiterbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit geplanten Produktionsumstellungen erläutern.
- Maßnahmen aufzählen, welche die berufliche Entwicklung der Arbeitnehmer betreffen.
- Über den Abschluss eines Interessenausgleichs oder Sozialplans einschließlich der darin vorgesehenen Handlungen unterrichten.