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Jessica Grund-Grube - Mehr als Zierde: Blumen verbinden
Was macht eigentlich einen Traumberuf aus? Für viele ist es eine Arbeit, die nicht nur herausfordert, sondern auch erfüllt – wenn man jeden Tag damit zu tun hat, was mit den eigenen Leidenschaften übereinstimmt. Ist Floristin Ihr Traumberuf, Frau Grund-Grube? Ja, das könne sie so unterschreiben, sagt sie. „In unserem Laden sind wir täglich von schönen Blumen umgeben, verknüpfen Handwerk mit Kunst und halten sofort das Ergebnis in unseren Händen. In erster Linie führe ich aber ein Unternehmen. Und, was viele nicht sehen: Hinter jeder Blume, die ihren Platz in der Vase findet, steckt viel Arbeit.“
Das sechsköpfige Team arbeitet Hand in Hand.
© Andreas Rudolph
Nach dem geschäftigen Treiben der vergangenen Wochen kehrt nun mehr Ruhe in das Geschäft im Braunschweiger Stadtteil Rüningen ein. „Wenn auf dem Adventskranz die erste Kerze angezündet wird, atmen wir alle einmal kurz durch“, sagt Jessica Grund-Grube mit einem Lächeln. Doch das Innehalten währt nicht lange: Während Weihnachten vor der Tür steht, sind bereits die Osterhasen für die Frühlingsdeko im Anmarsch.
Jessica Grund-Grube führt seit fünf Jahren in zweiter Generation das Blumengeschäft Grund, das seit 60 Jahren fester Bestandteil Braunschweigs ist. Ob als farbenfrohes Präsent zum Geburtstag, fein abgestimmter Brautstrauß oder tröstendes Blumenherz zum Abschied eines Verstorbenen – ihre Blumen erfüllen eine Vielzahl praktischer und emotionaler Bedürfnisse. Das Kundenspektrum reicht von Groß bis Klein, von der Kundin aus dem Ort, die eine Rose kaufen möchte, bis hin zur Rahmendekoration von Firmenevents.
Von den Kinderschuhen ins Blumengeschäft
Der Beruf wurde Jessica Grund-Grube buchstäblich in die Wiege gelegt. Ihre Mutter, Regina Grund, eröffnete das Geschäft schon mit 17 Jahren und widmete sich ihm mit voller Hingabe, oft rund um die Uhr. Besonders turbulent ging es immer am Muttertag zu – so auch an dem Tag, als die Tochter zur Welt kommen wollte und der Gang in die Klinik unvermeidlich war. „Eigentlich bin ich unter dem Bindetisch zur Welt gekommen“, erzählt die Floristmeisterin. Schon als Kind half sie ihrer Mutter nach der Schule in der Werkstatt, wo sie Blumen anschnitt und zu Sträußen band.
Hinter jeder Blume, die ihren Platz in der Vase findet, steckt viel Arbeit.Jessica Grund-Grube
Es überrascht daher nicht, dass sie im Laufe der Jahre eine ganz eigene Auffassung ihres Berufs entwickelt hat. Ihr Credo „Blumen verbinden“ fasst die Philosophie treffend zusammen. „Einerseits binde ich Blumen zu einem Strauß und schaffe damit etwas Neues. Andererseits ist es mein Ziel, Menschen durch diese Blumen miteinander zu verbinden“, erklärt sie.
Aus ihrer Sicht sind Blumen keine austauschbare Ware, sie sind mehr als nur Zierde: „Jede Blume hat ihren ganz eigenen Wuchs und Geltungsanspruch, ihre Struktur und Farbe. Wird dies beim Binden berücksichtigt, entfaltet sie ihre volle Ausstrahlung. Durch diese Lebendigkeit können Blumen eine Verbindung zwischen denjenigen schaffen, die sie schenken und erhalten“, betont sie.
Alle zwei Tage treffen frühmorgens frische Blumen ein, die mit einem fachlichen Anschnitt und in Wasser mit Blumennahrung versorgt werden.
© Andreas Rudolph
Jeder kennt die Rose als Symbol der Liebe, jedoch: „Mit einem Strauß in den Lieblingsfarben und einer ungewöhnlichen Zusammenstellung von Blumen kommt der Ausdruck der Liebe auch ohne die klassische Rose beim Beschenkten an“, erklärt die 49-Jährige. Sie versteht es als ihre Aufgabe, genau das zu erreichen. Durch einige kurze Fragen an ihre Kundinnen und Kunden erfasst sie die Zwischentöne des Blumenwunsches. „Ein gutes Gespür dafür hatte ich schon immer.“
Das bunte Sortiment macht den Unterschied
Alle zwei Tage treffen frühmorgens frische Blumen ein, die mit einem fachlichen Anschnitt und in Wasser mit Blumennahrung versorgt werden. Im Laden sind die unterschiedlichen Sorten nach Farbverlauf als Schnittblumenwand präsentiert. Darunter finden sich beliebte Sorten wie Eustoma, Rosen, Lilien und Proteen, aber auch feine Blüten wie Sterndolde, Statize, Freesien und Ranunkeln. Außerdem sind Trockenblumen ein fester Bestandteil des Sortiments. „Wir binden damit haltbare Sträuße und Dried-Flower-Loops, kombinieren sie aber auch mit frischen Blüten in der Hochzeitsfloristik“, beschreibt Jessica Grund-Grube einen Trend, der mittlerweile im Berufsalltag seinen Platz gefunden hat.
Die Schnittblumenfloristik ist der Kern des Geschäfts: Vieles wird vorab bestellt, besonders stark ist der Verkauf von Sträußen. „Eine Floristin kümmert sich täglich als Erstes darum, mit den eingetroffenen Blumen bestellte Sträuße und dann eine schöne Auswahl an frischen Sträußen zu binden, die für spontane Kundinnen und Kunden zur freien Auswahl im Verkauf stehen.“ Diese Arbeitsweise ermöglicht nicht nur kreative Gestaltungen, sondern sorgt durch die Fertigung in kleinen Serien auch für Effizienz. Diese spiegelt sich im Preis-Leistungs-Verhältnis wider, da der Einkauf gezielt darauf abgestimmt ist.
Bei ihrem umfangreichen Frischblumensortiment profitiert Jessica Grund-Grube von der Zusammenarbeit mit einem regionalen Zulieferer, der Gärtnerei Lehnhoff im Landkreis Wolfenbüttel. Die Vorteile sind zahlreich: kurze Transportwege für die Blumen, ein frisches saisonales Angebot und die Unterstützung der lokalen Wirtschaft. „Es ist wirklich ein großes Glück, einen Teil unseres Sortiments aus der Region beziehen zu können.“
Insbesondere im Winter sind für ein hochwertiges, verlässliches Sortiment in der Floristikbranche alternative Bezugsquellen interessant. Jessica Grund-Grube kann sich auf eine gewachsene Partnerschaft mit einem Unternehmen in Ecuador stützen. „Dort habe ich einen direkten Ansprechpartner, mit dem ich jederzeit telefonieren kann.“ Dies gewährleistet nicht nur eine verlässliche Kommunikation, sondern auch, dass die Blumen unter fairen Arbeitsbedingungen und mit Respekt für die Umwelt angebaut werden.
Insbesondere im Winter sind für ein hochwertiges, verlässliches Sortiment in der Floristikbranche alternative Bezugsquellen interessant. Jessica Grund-Grube kann sich auf eine gewachsene Partnerschaft mit einem Unternehmen in Ecuador stützen. „Dort habe ich einen direkten Ansprechpartner, mit dem ich jederzeit telefonieren kann.“ Dies gewährleistet nicht nur eine verlässliche Kommunikation, sondern auch, dass die Blumen unter fairen Arbeitsbedingungen und mit Respekt für die Umwelt angebaut werden.
Bei ihrem umfangreichen Frischblumensortiment profitiert Jessica Grund-Grube von der Zusammenarbeit mit dem regionalen Zulieferer Gärtnerei Lehnhoff.
© Andreas Rudolph
Die Blumen aus Ecuador haben zwar eine weite Reise hinter sich, bevor sie per Flugzeug in sonst ungenutzten Frachtraumkapazitäten in die Niederlande und von dort per Kurier nach Braunschweig gelangen. Dennoch sei der ökologische Fußabdruck vertretbar, so Jessica Grund-Grube. Der Grund dafür liegt im Anbau: Im Gegensatz zu Gewächshausbetrieben, die unter künstlichem Licht mit hohem Energieeinsatz produzieren müssen, wachsen die Blumen in Ecuador unter natürlichem Sonnenlicht. Dies reduziert den Energieverbrauch beim Anbau erheblich, was dazu beiträgt, dass die Umweltauswirkungen der langen Reise ausgeglichen werden und die Pflanzen eine besondere Qualität erhalten.
Blumen sind nicht nur Ware, sondern auch ein Erlebnis
Der Blumenladen bietet weit mehr als nur Verkäufe über die Ladentheke. Ein Unternehmen plant ein schwedisches Sommerfest für Belegschaft und Geschäftspartner? Das Team entwickelt das passende florale Konzept, das auf die Kundenwünsche abgestimmt ist. Der Prozess beginnt mit der Erstellung eines Moodboards, das eine Zusammenstellung für passende Blumenarten und den Stil für das gewünschte Thema zeigt. „Die Arbeit in diesen Konzepten ist sehr spannend, da jedes Projekt etwas Neues mit sich bringt.“
Es ist wirklich ein großes Glück, einen Teil unseres Sortiments aus der Region beziehen zu können.Jessica Grund-Grube
Eine wichtige Strömung für die Branche ist, dass immer stärker das Erlebnis im Vordergrund steht. Selbst kreativ zu werden und direkt mit den Blumen und Naturmaterialien zu arbeiten, bietet Jessica Grund-Grube mittlerweile im extra eingerichteten Werkraum neben dem Blumenladen an. Was einst klein mit Workshops für Junggesellinnenabschiede begann, wurde zu einer Vielfalt an Kursen weiterentwickelt, in denen jeder floristische Techniken erlernen kann. „In der Arbeit mit der Natur finden wir Floristinnen und Floristen sowohl Freude als auch eine besondere innere Ruhe“, sagt sie. „Dieses Gefühl möchte ich erlebbar machen.“
Wenn der Werkraum unter der Woche abends und samstags seine Türen für die Workshops öffnet, ist für alle Teilnehmenden ein eigener Arbeitsplatz eingerichtet, ausgestattet mit einer Auswahl an Blumen und den nötigen Werkzeugen. Die Themen schlagen einen Bogen vom Gestalten von Moosbildern aus echtem Moos über das Loop- und Kranzbinden bis hin zur Blütentorte. Was alle Workshops gemeinsam haben: das gute Gefühl, das die ganze Gruppe miteinander teilt. „Es ist wirklich schön zu sehen, dass die Arbeit mit Blumen die Menschen erfüllt.“
Die Leitung der Workshops teilt sie sich mit ihrer Kollegin Katja Mai. Angela Sander, Marina Wendtland und die Auszubildende Mira sind ebenfalls feste Größen im Team des Blumenladens. Klaus Grund, Vater der Inhaberin, unterstützt das Geschäft logistisch, vor allem bei der Auslieferung der Blumenarrangements. Für zarte Pflänzchen ist der Beruf nichts. Nasse Finger und kalte Hände gehören dazu, Floristinnen und Floristen sind den ganzen Tag auf den Beinen.
Die Erwartungshaltung ist hoch
Ein besonderer Reiz liegt im Lauf der Jahreszeiten und des Lebenskreislaufes. Mit der Arbeit begleitet dieser Berufsstand wichtige Ereignisse im Leben eines Menschen – von der Geburt bis zum Tod. In Zeiten der Trauer bieten Blumengestecken Trost. „Die Gebräuche haben sich sehr geändert“, sagt Jessica Grund-Grube. Während traditionelle Sargbestattungen seltener geworden sind, nehmen Urnen- und Waldbestattungen zu. Ihre Aufgabe sieht sie darin, „in verschiedenen Lebensphasen genau das zu tun, was den Menschen hilft und guttut“.
Das Blumengeschäft ist seit 60 Jahren fester Bestandteil der Löwenstadt.
© Andreas Rudolph
Gleichzeitig kommen Brautpaare mit großen Erwartungen in ihren Laden, oft inspiriert von den perfekt inszenierten Bildern auf Pinterest und Instagram. „Die Leute sehen dort dank Farbfilter Blumen in Farben, die es in der Natur so gar nicht gibt.“ Nicht selten stehen die opulenten floristischen Beispiele in krassem Gegensatz zu den tatsächlichen Budgets der Paare. Die Floristinnen stehen dann vor der Herausforderung, diese Erwartungen zu erden und dennoch das Beste daraus zu machen, um den großen Tag so schön wie möglich zu gestalten. Dennoch erweisen sich Instagram und Co. als Segen, um das Angebot und die Möglichkeiten des Geschäfts sichtbarer zu machen. Besonders während der Pandemie konnte Jessica Grund-Grube auf diese Weise Menschen erreichen und zunehmend neue Zielgruppen gewinnen.
Die Digitalisierung kommt auch in der Floristikbranche an
Auch im Blumenladen wirkte die Pandemie als Katalysator für die Digitalisierung. Aus der Not des Lockdowns heraus entwickelte Jessica Grund-Grube das Konzept der Do-it-yourself-Boxen für Kränze aus Dried-Flowers, die sie bundesweit versendete. Für diese Innovation etablierte sie schließlich einen eigenen Onlineshop. Über diesen sind nicht nur die Werkboxen erhältlich, sondern auch die Buchungen für Workshops im Werkraum werden darüber abgewickelt.
Interessant ist der Shop auch für diejenigen, die eine schnelle Lösung für besondere Blumensträuße suchen. Die Bestellung kann rund um die Uhr mit wenigen Klicks abgeschlossen und bezahlt werden, und die Kundinnen und Kunden können den frisch gebundenen Strauß am gewünschten Tag im Geschäft abholen oder ausliefern lassen. Jessica Grund-Grube möchte „den Kaufprozess so bequem wie möglich machen“ und Wartezeiten für Kaufinteressierte, die keine Beratung benötigen, verkürzen. Diese Effizienz verbessert nicht nur die Wirtschaftlichkeit der Abläufe, sondern schafft dem Team auch mehr Zeit für die Ausführungen der handgebundenen Werkstücke.
Die 49-Jährige hat sich seit ihrer Kindheit bunten Sträußen und hochwertigen Blumen verschrieben.
© Mette Vasterling
In den vergangenen Jahren entstand über den Austausch über die sozialen Medien ein wertvolles Netzwerk von Geschäftsfrauen aus der Region. „Diese Gemeinschaft, die ganz ohne den Ellenbogengedanken auskommt, schätze ich sehr.“ Auch der Austausch im Ehrenamt – Jessica Grund-Grube ist Mitglied der Vollversammlung der IHK und im Handelsausschuss – gebe gute Impulse für das Unternehmen, unterstreicht die Mutter von zwei Kindern. In ihrer freien Zeit ist sie am liebsten draußen, besonders am Südsee – „mein Kraftort“. Außerdem spielt Sport eine wichtige Rolle als Ausgleich zum Alltag. Etwas, das sie zu Hause allerdings meidet, ist die Gartenarbeit.
Sowohl im Hinblick auf die gesellschaftlichen Trends als auch auf die technologischen Entwicklungen hat sich das Berufsbild „grundlegend verändert“, betont Jessica Grund-Grube. Früher sei der Blumenladen in Rüningen ein Nahversorger gewesen, heute ist es ein „Fachgeschäft mit eigener Prägung“. Trotz aller Veränderungen bleibt das traditionelle Handwerk das Fundament ihres Traumberufs. „Das Binden von Blumen und das Winden von Kränzen – diese alten Kulturtechniken möchte ich bewahren und weitertragen.“
boy
9/2024