VRSONIQ - Sounddesign für die Oberklasse
Im Braunschweiger Westand tüfteln zwei Klangexperten an Sounds, die Premiumautos weltweit einzigartig machen. Unter dem Namen VRSONIQ erschaffen Timo Klingebiel und Fabian Wiehle immersive Kompositionen, die altbekannte Fahrzeughersteller für ihre verbauten High-End-Soundsysteme einsetzen – und so den Innenraum in einen akustischen Showroom verwandeln.
Timo Klingebiel (links) und Fabian Wiehle (rechts).
Ein unscheinbarer Flur in der zweiten Etage der Braunschweiger Kult-Location: Hinter nüchternen Bürotüren verbirgt sich ein Raum, der auf den ersten Blick wie ein technisches Kuriosum wirkt – und sich beim Betreten als akustisches Paralleluniversum entpuppt. Dort, wo massive Boxen auf Orientteppich und Vintage-Möbel treffen, haben sich beide eine kreative Heimat geschaffen. Zehn vollaktive Highend-Standlautsprecher stehen wie monumentale Skulpturen im fast 50 Quadratmeter großen Raum, unterstützt von vier ebenfalls vollaktiven Deckenlautsprechern, die selbst feinste Nuancen aus allen Richtungen hörbar machen. Ein Stage Piano, ein leistungsstarker Rechner mit modernster Software und eine Leinwand, die über einen 4K-Projektor bespielt wird, vervollständigen das Bild. Logischerweise lautet die Devise: bloß nichts anfassen.
Ein Auto ist ein schwieriger Resonanzkörper, und damit ein sehr spezieller Klangraum.Fabian Wiehle
Bevor der Raum jedoch seinen heutigen Charakter erhielt, wurde er akribisch vermessen. Spezielle, selbstgebaute Akustikelemente sorgen dafür, dass störende Frequenzen verschwinden und ein sauberer Klangteppich entstehen kann. Eine schnelle Kostprobe für den Autor dieses Artikels erwies sich nur wenige Sekunden nach Betätigen der Play-Taste als Gänsehaut-induzierendes Ohrenstreicheln, und das trotz voller Lautstärke. Auch als Laie merkt man: Es ist das Ergebnis zweier Menschen, die sich mit Sounddesigns nicht nur besonders gut auskennen, sondern diese auch zelebrieren.
Der Auftrag, der alles veränderte
Das Duo könnte unterschiedlicher kaum sein, teilt aber die gleiche Leidenschaft: Fabian Wiehle ist studierter Audioengineer, seit Kindheitstagen musikbegeistert und inzwischen Experte für Produktion, Mastering und Tontechnik. „Ich mache im Prinzip alles, was man hören kann“, fasst er seine Profession knapp zusammen.
Timo Klingebiel dagegen ist gelernter Industriekaufmann. Früh von seiner Familie an Musikinstrumente herangeführt, arbeitete er zunächst als Vertriebsleiter in der HiFi-Branche, bevor er sich 2017 als Filmproduzent und Sounddesigner unter dem Namen „Klingebiel Creative“ selbstständig machte. Soundtracks rund um akustische Markenführung für Unternehmen sind damals wie auch heute sein Kerngeschäft. Erst die Pandemie zwang ihn zum Innehalten – bis ein unerwarteter und zufällig entstandener Auftrag von BMW alles veränderte. „Corona brachte alles gehörig durcheinander. Während einige Bereiche wegbrachen, kamen andere Felder hinzu“, erinnert er sich.
Die Anpassungen der kreierten Tonspuren in den jeweiligen Autos wird höchstpersönlich vorgenommen.
Parallel zu den noch immer andauernden Lockdowns suchte der Münchner Autobauer nach einem immersiven Klangstück für die Präsentation des verbauten Soundsystems im neuen iX. „Orchestral, episch – aber nicht in klassischem Stereo, sondern mehrkanalig“, beschreibt Klingebiel die Herausforderung. Ihm war klar: Allein würde er das Projekt nicht stemmen können. Über gemeinsame Freundeskreise lernte er einige Jahre zuvor Fabian Wiehle kennen und holte ihn, ohne mit der Wimper zu zucken, ins Boot – VRSONIQ war damit aus der Taufe gehoben.
Neue Einbauorte von Boxen, darunter vor allem Rückenlehnen oder Kopfstützen, machen das Sounddesign komplexer.
Noch bevor das erste Soundelement komponiert, die ersten Tonspuren zusammengesetzt und eine Auftragszusage erteilt war, musste die Soundtechnik nachgerüstet werden. Zum Zeitpunkt der Anfrage war Klingebiel zwar gut ausgestattet, aber nicht auf die Dimensionen eines internationalen Premium-Auftrags vorbereitet. Denn: Das Studio existierte damals noch nicht in seiner jetzigen Form. Innerhalb weniger Tage wurden fehlende Komponenten zusammengetrommelt und das Projekt konnte mit viel Elan und Herzblut in die erste Phase übergehen.
3D-Sounderlebnis als Alleinstellungsmerkmal
Doch was bedeutet „immersiv“ in diesem Zusammenhang eigentlich? Der Begriff bezeichnet eine akustische Erfahrung, die den Hörer oder die Hörerin vollständig umgibt. Statt klassischem Stereo mit zwei Kanälen entsteht ein 3D-Klangfeld aus vier, fünf oder mehr Lautsprechern, ergänzt durch Decken- oder Rückenspeaker. „Man wird buchstäblich von allen Seiten beschallt“, erklärt Fabian Wiehle.
Das kennt man vor allem aus modernen Kinos, in denen unter anderem das Surround-Sound-Format Dolby-Atmos für spektakuläre Klangmomente sorgt. Explosionen wirken realer, Raumschiffe scheinen durch den Saal zu gleiten. Genau dieses Erlebnis überträgt VRSONIQ ins Auto – ein Umfeld, das durch seine Enge zwar anspruchsvoll, gleichzeitig aber ideal für intensives Hören ist.
Der direkte Draht und die kurzen Wege ersparen allen Beteiligten viel Zeit und Geld.Timo Klingebiel
Klangraum Auto
Was zunächst simpel klingt, stellt sich bei näherem Hinsehen als komplexe Ingenieursarbeit heraus. „Ein Auto ist ein schwieriger Resonanzkörper, und damit ein sehr spezieller Klangraum“, schmunzelt Wiehle. Der Fahrer sitzt nicht mittig, Glasflächen reflektieren den Schall, die verbauten Boxen sind ungewöhnlich nah am Ohr. Hinzu kommen neue Einbauorte wie Rückenlehnen oder Kopfstützen. „All das muss man berücksichtigen, wenn man Klang für Fahrzeuge komponiert.“
Für VRSONIQ bedeutet das, jedes Stück so zu gestalten, dass es sich nicht nur „gut anhört“, sondern die akustischen Eigenheiten des Autos nutzt. „Wir müssen den Raum mitdenken, sonst verliert die Komposition ihre Wirkung“, führt Fabian Wiehle fort. Die Präsentation muss sitzen: Kaufinteressierte Besucherinnen und Besucher auf Messen oder in Autohäusern legen immer stärker Wert auf ein rundes Gesamtbild, und dazu gehören eben auch eindrucksvolle Höhen und satte Bässe, die nebenbei durch visuelle Sequenzen auf Borddisplays untermalt werden.
Das mit neuester Tontechnologie ausgestattete Studio lässt keine Wünsche offen.
Die meist 60-sekündigen Kreationen reichen in der Regel von elektronischen Melodien über klassische Sounds bis hin zu epischen Tönen, die an den Anforderungen der Autobauer ausgerichtet werden. Die Münchner bildeten dabei lediglich die Grundlage für den Erfolg. Inzwischen gesellen sich auch Volvo, Polestar und ein englischer Supersportwagen-Hersteller zum Kundenportfolio.
Dass Sound längst mehr ist als nur Beiwerk, dämmert auch den Herstellern. In einem Markt, in dem Motorleistung und Reichweite allein nicht mehr überzeugen, werden Design, Infotainment und Klang zum entscheidenden Verkaufsargument. Unternehmen machen sich diese Entwicklung zunutze, indem sie bewusst auf so genanntes Audiobranding setzen, das Wiedererkennungswert schafft, das Image prägt und der Marke eine akustische Identität verleiht. „Die Melodie und die Anlage müssen dieselbe Sprache sprechen, und darauf setzen Firmen weitaus stärker als früher“, bekräftigt Klingebiel. Für VRSONIQ bedeutet das: Sie sind nicht nur Komponisten, sondern auch Berater, die mit den Herstellern langfristige Strategien entwickeln. „Wir sind oft Jahre vor der Veröffentlichung eines Modells involviert und schaffen es so, zukünftige Entwicklungen zu antizipieren.“
Leidenschaft und Expertise zahlen sich aus
Ein entscheidender Vorteil der Braunschweiger: sie bieten Komplettlösungen. Von der ersten Beratung über die Komposition bis hin zur Testung und Implementierung vor Ort kommt alles aus einer Hand. Externe Mastering-Studios, die in der Musikindustrie üblich sind, braucht es daher nicht. „Der direkte Draht und die kurzen Wege ersparen allen Beteiligten viel Zeit und Geld“, sagt Timo Klingebiel.
So entpuppte sich auch der unkomplizierte Trip nach Bayern zur tontechnischen Anpassung des komponierten Stücks am damaligen Erlkönig für alle Beteiligten als voller Erfolg: „Diese Erfahrung war für uns ein absoluter Meilenstein, vor allem mit Blick auf die Auftragsdimension.“ Zu gerne erinnert er sich noch an die erste Mail, die ihm BMW zwecks Kontaktaufnahme zukommen ließ. „Beim Anblick der Nachricht trieb es mir einen wohligen Schauer durch den Körper. Hinzu kamen auch leicht gerötete Augen“, gesteht der Industriekaufmann demütig. Für ihn und seinen Partner sind diese Aufträge damit offenkundig mehr als reine Geschäftsbeziehungen. „Es fühlt sich wie ein fachlicher Ritterschlag an, wenn Unternehmen mit Rang und Namen proaktiv auf uns zukommen und auf unsere Expertise vertrauen“, ergänzt Fabian Wiehle seinen Kollegen mit einem strahlenden Lächeln.
Timo Klingebiel gründete die Marke inmitten der Coronapandemie.
Bis heute haben beide zusammen zahlreiche Projekte umgesetzt – manche in wenigen Wochen, andere über Monate hinweg. Doch unabhängig von der Dauer eint alle ein Prinzip: Professionalität mit persönlicher Note. „Geschäfte werden zwischen Menschen gemacht“, konkludiert Timo Klingebiel, der in einem Nebenraum im Westand noch ein separates Podcast-Studio betreibt. „Hinter jedem Konzern stehen Personen, die einem auf Augenhöhe begegnen; auch uns Einzelunternehmern.“
Und so befindet sich VRSONIQ noch immer in der Position eines echten Hidden Champions, nicht zuletzt dank der enorm spezialisierten Nische und der mittlerweile engen Vernetzung im Automotive-Bereich. Gut zu wissen: Das Team kümmert sich neben Autos auch um Soundformate von Stereo bis 3D für Kinos und spezielle Installationen. „Wir wissen, was wir können, und wir wissen auch, wie wir unser Können einsetzen müssen. Mit dieser Erkenntnis im Hinterkopf werden wir künftig, so glauben wir, die Weichen vernünftig stellen und Entscheidungen treffen, mit denen wir beide gut leben können.“
jk
7/2025