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Technologietransferpreis 2025 - Brückenbauer zwischen Forschung und Wirtschaft geehrt
Neuartige Quantenprozessoren, hochmoderne Spracherkennungssoftware im Luftverkehr und besonders klingende Bassgitarren – die 38. Ausgabe des Technologietransferpreises der IHK Braunschweig konnte auch in diesem Jahr ein hochkarätig besetztes Bewerberfeld verzeichnen und seinen Ruf als wichtiges Bindeglied zwischen Wissenschaft und Wirtschaft in der Region abermals untermauern. Als Sieger vom Platz ging das musikalisch inspirierte Kooperationsprojekt „VARI-Prozess mit Naturfasertextilien“ der TU Clausthal und des Teams der Marleaux BassGuitars, die den 170 geladenen Gästen zum Schluss eine akustische Kostprobe mit auf den Nachhauseweg gaben.
Das Gewinner-Team konnte die knapp 200 Anwesenden mit ihrem Verfahren zur Herstellung von Faserverbunden unter Verwendung flüssiger Harz-Systeme am meisten überzeugen.
Die Homeworker im allseits beliebten Co-Working-Space TRAFO Hub im Westlichen Ringgebiet staunten nicht schlecht, als basserfüllte Klänge die altehrwürdige Zentrifugenfabrik Selwig & Lange bis zur Decke säumten. Gerald Marleaux, Gründer und Geschäftsführer des Harzer Bassfabrikanten und seit Mitte Mai Gewinner des IHK-Technologietransferpreises, erklärt es pragmatisch: „Unsere Bässe schaffen durch eigens erforschte und entwickelte Herstellungsprozesse anhand von Naturfasern ein ganz neues Klangerlebnis.“
Innovation entsteht dort, wo Wissen Anwendung findet. Erneut ist es der IHK und ihrer Region gelungen, herausragende Transferprojekte zu identifizieren, die durch ihr Wirken am Puls der Zeit bleiben.Tobias Hoffmann
Bei der so genannten VARI-Technologie (Vacuum Assisted Resin Infusion) handelt es sich nämlich um ein Verfahren zur Herstellung von Faserverbunden unter Verwendung flüssiger Harz- und Härter-Systemen. Mit dieser Technik konnte eine State-of-the-Art-Bassgitarre entwickelt werden, die nicht nur eine einzigartige Akustik liefert, sondern auch außergewöhnlich leicht ist und dem von Rückenschmerzen geplagten Musiker die eine oder andere Schmerztablette erspart. Selbst Police-Frontmann Sting konnte seine Begeisterung bei einem Besuch nicht im Zaum halten.
Enges Rennen beweist Qualität
Für viele der Anwesenden war dies Grund genug, um ihre Stimme im Rahmen eines Live-Votings der Clausthaler Delegation anzuvertrauen. Sie setzten sich in einem engen Entscheid unter anderem gegen das mehrlagige Herstellungsverfahren von Quantenprozessoren der QUDORA Technologies GmbH durch, die als Deep-Tech-Spin-off der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt und der Leibniz Universität Hannover als Teil der Aktivitäten rund um das Forschungsprojekt Quantum Valley Lower Saxony hervorgegangen ist.
IHK-Präsident Tobias Hoffmann freute sich über die zahlreichen Transferprojekte aus der Region.
Auch durfte sich das Institut für Flugführung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit seiner Spracherkennungssoftware für Luftfahrtanwendungen über einen Platz auf dem Treppchen freuen, die in Zusammenarbeit mit der EML Speech Technology GmbH realisiert wurde. Mit dieser Entwicklung wird die Spracherkennung für Luftfahrtanwendungen durch Sprachverstehen erweitert, so dass Fehler auf Wortebene effizient kompensiert werden können. Dadurch wird es erstmals möglich, den Sprechfunkverkehr so akkurat zu transkribieren, dass es die Eingabe von Kommandos durch Fluglotsen signifikant erleichtert.
IHK-Präsident Tobias Hoffmann zeigte sich über das geballte Know-how im Kontext des Wissenstransfers begeistert: „Innovation entsteht dort, wo Wissen Anwendung findet. Erneut ist es der IHK und ihrer Region gelungen, herausragende Transferprojekte zu identifizieren, die durch ihr Wirken am Puls der Zeit bleiben.“ Angesichts der nicht endenden wirtschaftlichen Schieflage in Deutschland sei es seiner Ansicht nach umso wichtiger, den Status quo durch technische Neuheiten aufzubrechen und zukunftsträchtige Branchen neu aufzustellen.
Wir brauchen Ideen aus allen Bereichen – und Braunschweig geht hier mit großen Schritten voran.Petra Schulz
Ein Braunschweiger Unikat
Vor allem der Löwenstadt wird eine besondere Rolle beim Technologietransfer zuteil: 1985 mit der erstmaligen Verleihung durch die IHK aus der Taufe gehoben, gilt das Konzept zu den ältesten seiner Art – deutschlandweit wohlgemerkt. Schon damals stand fest: Wissenschaftliche Erkenntnisse entfalten ihr volles Potenzial erst dann, wenn sie in der Praxis ankommen, und diese Botschaft ist heutzutage wichtiger denn je: „Die transferbetreibenden Unternehmen sichern sich dadurch nicht nur einen enormen Wettbewerbsvorteil, auch stärkt die Zusammenarbeit zwischen den wissenschaftlichen Einrichtungen und Betrieben die Wirtschaft als Ganzes“, mahnte Hoffmann inständig. Dadurch besitzt Technologietransfer auch ein reproduzierendes Merkmal, das als Ausdruck eines aktiven Selbstverständnisses dazu beiträgt, dass Innovationsprozesse angestoßen und bis zum Ende begleitet werden.
Petra Schulz, Abteilungsleiterin Industrie und Maritime Wirtschaft des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung, hebte in ihrem Impulsvortrag das Alleinstellungsmerkmal des Technologietransferpreises hervor.
„Wir brauchen Ideen aus allen Bereichen“
In ihrem Impulsvortrag würdigte Petra Schulz, Abteilungsleiterin Industrie und Maritime Wirtschaft des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung, die Leistung aller nominierten Projekte: „Wir brauchen Ideen aus allen Bereichen – und Braunschweig geht hier mit großen Schritten voran“. Mit Blick auf wirtschaftliche Unsicherheiten und ökologische Herausforderungen sei Technologietransfer essenziell, um Innovationen systematisch in die Praxis zu überführen. Daher sei insbesondere die Politik nun gefordert, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen und entscheidende Weichenstellungen zu setzen: „Wir können es uns nicht leisten, bestehende Strukturen zu konservieren. Vor allem die Digitalisierung und Dekarbonisierung sind die Schlüsselbaustellen der Gegenwart.“
Die daran anschließende Podiumsdiskussion kam zu einem ähnlichen Ergebnis. Prof. Dr.-Ing. Klaus Dilger, Dozent an der TU Braunschweig, und Holger Kunz, Mitgründer Formhand Automation GmbH, waren sich einig, dass Wissenschaft und Wirtschaft noch enger interagieren müssen: „Die Verbindung zwischen Hochschulen und Wirtschaft ist zumindest in Niedersachsen sattelfest, aber sie muss noch besser werden. Die Probleme, die wir lösen müssen, werden leider nicht kleiner“, so Prof. Dr. Dilger. Holger Kunz, Gewinner des IHK-Technologietransferpreises 2019, erinnert sich nur zu gut an die damaligen Ausgangsbedingungen: „Die relativ flexible Forschungsdynamik an der TU Braunschweig hat unser Start-up damals enorm vorangebracht. Man kann fast ohne Einwände behaupten, dass in dieser Stadt aus wissenschaftlicher Sicht viel möglich ist.“
Wir können es uns nicht leisten, bestehende Strukturen zu konservieren. Vor allem die Digitalisierung und Dekarbonisierung sind die Schlüsselbaustellen der Gegenwart.Petra Schulz
Ein Blick nach vorn – und zurück
Die Würdigung der ehrenamtlichen, siebenköpfigen Fachjury durfte am Ende natürlich nicht fehlen, die aus zahlreichen Bewerbungen die drei Finalisten ausgewählt hatte – „eine anspruchsvolle Aufgabe“, wie Jurymitglied und Präsidentin der TU-Clausthal Dr.-Ing. Sylvia Schattauer zutreffend feststellte. Mit Blick auf die Zukunft kündigte Hoffmann offiziell an, dass der Technologietransferpreis 2027 erstmals bundesweit ausgeschrieben wird – anlässlich des 250. Geburtstags von Carl-Friedrich Gauß, dem berühmtesten Sohn der Stadt.
Und so endete der eindrucksvolle Abend mit einer klaren Message: Jeder Transfer zählt. Jede Brücke zwischen Theorie und Praxis bringt uns näher an eine innovative, resiliente und nachhaltige Gesellschaft. Oder, wie Tobias Hoffmann es auf den Punkt brachte: „Jedes Projektteam ist ein Gewinner – und jedes Transferobjekt ein Gewinn für unsere Region und darüber hinaus.“
4/2025