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Wer ist eigentlich Dr. Claudius Schiller?
Wenn unser Ziel die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen ist, dass sie am Standort gut wirtschaften können, Wertschöpfung erzeugen und für Beschäftigung sorgen, dann müssen wir ein Interesse daran haben, dass es ihnen gut geht“, sagt Dr. Claudius Schiller. Wer diese Aussage des neuen Geschäftsführers der Wirtschaftsförderung im Landkreis Wolfenbüttel GmbH in Schriftform rezipiert, könnte leicht einwenden, dass das ja nun ein lupenreiner Allgemeinplatz ist. Wie er es im Gespräch vermittelt, legt jedoch nahe: das ist keine an Gott und die Welt gerichtete unverbindliche Handlungsempfehlung, sondern eine sich selbst auferlegte Direktive. Seit dem 1. Oktober ist Schiller an Bord, und er macht durchaus den Eindruck, das Stadium „Interesse haben“ schon weit hinter sich gelassen zu haben; der Mann ist im Handeln.
© André Pause
Intaktes Ökosystem
Allzu viel Konkretes möchte er aus Gründen des augenblicklich laufenden Austausches mit verschiedensten Stakeholdern nicht verkünden. Kein Geheimnis mache er aus seiner Einschätzung des Stellenwertes der Themenkomplexe „Gründung“ und „Technologietransfer“ – für sein neues Wirkungsfeld und für den gesamten Großraum. Wenn es um die Entstehung von Neuem gehe, sei der Landkreis Wolfenbüttel mit seinem Ökosystem schon wunderbar aufgestellt, konstatiert er: „Wir haben die Ostfalia direkt im Kreis, die TU Braunschweig direkt angrenzend und damit die Orte, wo neues Wissen entsteht. Das Angebot Technologien und Innovation sehe ich an den Hochschulen und dem angeschlossenen Entrepreneurship HUB ebenfalls gut aufgehoben. Letztlich kommt es darauf an, dass dieses Wissen in die Unternehmen kommt. Eine Aufgabe für beide Seiten, auch die Unternehmen müssen sich öffnen, so dass sie als Ort von Erneuerung zu erkennen sind.“
Für Schiller gehe es jetzt darum, das besagte Ökosystem noch besser zu durchdringen und sich so rasch wie möglich mit den passgenauen Angeboten zu positionieren. „Das ist jetzt genau der Auftrag: für die Zielgruppen, die Unternehmen passgenaue Unterstützungsdienstleistungen zu entwickeln und den Landkreis auf das Morgen vorzubereiten“, skizziert der gebürtige Hamburger, der zuvor acht Jahre als Teamleiter für die Wirtschaftsförderung Hannover verantwortlich zeichnete.
Ob das nicht ein kleiner Kulturschock sei – aus der Landeshauptstadt raus aufs Land? Schiller schüttelt den Kopf. Die Themen seien weitestgehend identisch. Prozessoptimierung, Digitalisierung von Geschäftsmodellen, Produkten und Dienstleistungen, Rekrutierung von Fach- und sonstigen Arbeitskräften, Technologietransfer, Innovation, Gründung – das alles müsse überall stimmen, damit ein Wirtschaftsraum gut funktioniert. Durch den Krieg in der Ukraine und die Gaskrise werde der Bereich „Klima, Kreislaufwirtschaft, Klima- und Umweltfreundlichkeit“ schon aus rein wirtschaftlicher Perspektive einen zunehmend höheren Stellenwert bei Kunden haben.
In einem Punkt unterscheidet sich die Arbeitssituation im Landkreis freilich doch von der in Hannover. In der Landeshauptstadt war und ist die Wirtschaftsförderung integraler Bestandteil der Verwaltung. Im Landkreis Wolfenbüttel wird sie nun aus dem Verwaltungsgeschehen herausgelöst. Auch wenn die Wirkungsweise am Ende unabhängig von der Einwohnerzahl dieselbe sein sollte: „Ich fand den Gedanken, eine Wirtschaftsförderung auf der grünen Wiese in dieser Form neu aufzubauen, sehr reizvoll. Mit der GmbH gibt es aus meiner Sicht deutlich mehr Freiheitsgrade, um Dinge zu entwickeln. Die wollen wir nutzen und mit einem effizienten wie intelligenten Mitteleinsatz und einem konkreten Fokus auf unsere Zielgruppen viel bewegen“, betont der studierte und promovierte Wirtschaftsgeograf und Betriebswirtschaftler. Wichtig sei, dass die Ausrichtung stimmt, die Rahmenbedingungen stehen und infrastrukturelle Voraussetzungen geschaffen werden, die gutes Wirtschaften ermöglichen. „Wenn man übergreifender denkt, dann sehen wir einen spannenden Großraum, der sich, wenn man die Dinge gemeinsam angeht und auch mal nach links und rechts guckt, beileibe nicht zu verstecken braucht“, so Schiller, der mit seiner Frau Danyelle und den gemeinsamen Töchtern Tilda, Josephine und Emma auch weiterhin in Uetze wohnen wird. Räumlich lassen sich Job und Familie daher wohl klarer trennen als thematisch. „Die beruflichen Themen machen mir eben auch privat viel Spaß. Ich habe beispielsweise auch mal gegründet. Ich glaube sogar, dass bei erfolgreichen Wirtschaftsförderern grundsätzlich ein persönliches Interesse vorhanden sein muss. Es ist kein Job, den ich von 8 bis 16:30 Uhr erledige und dann habe ich plötzlich ganz andere Themen. Das würde nicht funktionieren. Erneuerung, Transformation, das Verhältnis von öffentlichen Akteuren zu privaten – alles das finde ich auch abseits der Arbeit wichtig und spannend.“
Neugier als Motor von Entwicklung
Schiller, der sich ehrenamtlich für die Weiterentwicklung des Geschäftsmodells „Bibliothek“ engagiert und in der freien Zeit gerne in der Natur ist, beschreibt sich als extrem neugierigen Menschen, als jemanden, der Lust habe, sich mit allem Neuen in der Form zu befassen, als dass am Ende Verwertbares für bestehende Projekte dabei herausspringt: „Es gibt diesen Begriff ‚lebenslanges Lernen‘, der ist mir ein bisschen zu traditionell, aber das was dahintersteht, finde ich eigentlich sehr wichtig. Und ich kann sehr gut mit Menschen. Mich interessiert, was Persönlichkeiten ausmacht und hinterfrage: warum ist etwas wie es ist? Das hat zwar oft mit Institutionen zu tun, aber eben auch mit den Personen. Wenn man das entschlüsselt oder versteht, macht es im Sinne der eigenen Agenda einiges einfacher.“ In diesem Punkt bescheinigt sich Schiller selbst ein gutes Händchen – für die Rolle als Wirtschaftsförderer womöglich nicht die schlechteste Eigenschaft.
pau