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Vom Projekt zum festen Standbein
Unter neuer Führung blickt man bei der Altenauer Brauerei trotz der aktuell schwierigen gesamtwirtschaftlichen Gemengelage wieder optimistisch nach vorn. Vor gut anderthalb Jahren haben Braumeister Joachim Kilian und sein Geschäftspartner Sebastian Schneider den Betrieb als Mehrheitsgesellschafter übernommen – gemeinsam mit dem südostniedersächsischen Fruchtsafthersteller Andreas Creydt. Während die zäh verlaufene Betriebsübergabe weiterhin nach einer Verfilmung schreit, sind die neuen Macher mittendrin im überlebenswichtigen Transformationsprozess – und kommen gut voran.
Altenauer Brauerei
© André Pause
Das Übergabeprozedere hat sich für uns über Jahre gezogen. Das war gerade zum Schluss irre, weil unterm Strich einfach nicht klar war, wo die Reise hingeht“, erzählt Kilian kopfschüttelnd.
Die Abfüllanlage als erste Referenz
Dabei schien die Traditionsbrauerei, ihre Ursprünge reichen bis ins Jahr 1617 zurück, grundsätzlich auf einem guten Weg zu sein, als sie 2012 durch das Engagement des Allgemeinen Hannoverschen Klosterfonds (AHK) und seiner Kloster Wöltingerode Brennen & Brauen GmbH aus der Insolvenz gerettet wurde. Doch die Investitionen seien längst nicht in dem Maße erfolgt, wie sie vonnöten gewesen wären, moniert Kilian, dessen erster Kontakt mit der Altenauer Brauerei die Errichtung der jetzigen Abfüllanlage vor beinahe einem Jahrzehnt gewesen ist. „Sebastian Schneider und ich hatten die hier mit unserer Firma BFDtec als externer Dienstleister gebaut. Danach haben wir das Unternehmen über die Jahre begleitet.“
Stück für Stück gehen die Erneuerungsarbeiten in Norddeutschlands höchstgelegener Brauerei voran. Die neuen Tanks stehen seit Februar.
© André Pause
Kilian selbst wurde im Zuge eines Geschäftsführerwechsels bei der Brauen & Brennen 2017 damit beauftragt, der am höchsten gelegenen Brauerei Norddeutschlands als technischer Betriebsleiter beratend zur Seite zu stehen. „Obwohl die Absatzzahlen stiegen, haben die brauspezifischen Parameter nicht gepasst: es gab sehr hohe Schwandzahlen, es wurde also sehr viel Wasser und sehr viel Strom für die Produktion verbraucht. Was zum einen Anlagen-bedingt war, was man aufgrund des Veralterungsgrades erstmal nicht ändern konnte, aber auch personalbedingt. Gefühlt war hier niemand zuständig.“ Zudem habe es in dieser Zeit recht viele Braumeisterwechsel gegeben. Und keine Kontinuität im Personalbereich zu haben, das sei insbesondere für eine Brauerei in dieser Größe problematisch.
Steiniger Weg zum Kaufvertrag
An illusorischen Produktionszielen habe es derweil nicht gefehlt. 15 000 Hektoliter standen im Raum. Zwar hätten sich die Schwandzahlen schon bald stabilisiert und auch die Verbräuche verbessert, aber: „Ich sagte damals, wir können an jedem Schräubchen ein bisschen drehen, verändern aber dadurch nicht das große Ganze. Fakt ist, nur mit den entsprechenden Investitionen und Anpassungen des Personalkörpers – wir hatten der Klosterkammer ein Konzept erstellt – kriegt ihr es hin, hier auf rentablem Weg mittelfristig 10 000 Hektoliter zu produzieren.“ Passiert sei dann auf Gesellschafterseite aber weiterhin wenig. „Wir hatten unterdessen schon Druck von der Berufsgenossenschaft wegen des Lagerkellers, zweimal sogar eine Fristverlängerung bekommen und die Tanks sporadisch umgebaut. Irgendwann sagten sie aber: jetzt ist Schluss.“
Nachdem es vonseiten der Klosterkammer alsbald hieß, man wisse nicht, ob man die Brauerei halten oder verkaufen werde, der Verkauf aber zusehends deutlicher zur Debatte stand, entschlossen sich Kilian und Schneider nach Rücksprache in ihren Familien im Frühjahr 2020 zur Abgabe eines Angebots. Im Mai erfolgte, durchaus etwas überraschend, die Zusage. „Fünf Monate haben wir dann nonstop geackert, damit wir das Vorhaben durchbringen. Ich hatte aber auch gesagt: ohne Förderzusage können wir keinen Kaufvertrag unterschreiben. So haben wir gemacht was wir können, waren im niedersächsischen Wirtschaftsministerium und haben eng mit der WiReGo zusammengearbeitet. Irgendwann hatten wir alles nachgewiesen, abgeliefert und der Vertrag war so weit, dass wir dachten, jetzt können wir unterschreiben“, skizziert Kilian, damals nichtsahnend, dass in der Folge alles noch weitaus turbulenter hin und her gehen sollte als zuvor: eine betriebswirtschaftliche wie menschliche Achterbahnfahrt. Zunächst habe die Betreibergesellschaft ihr erteiltes Verkaufsangebot („ihr müsst beweisen, dass Ihr es ernst meint“) wenige Tage vor der endgültigen Förderzusage des Landes für Kilian und Co. zurückgezogen und dann zu Beginn des Jahres 2021 die Schließung der Brauerei für Ende Januar angekündigt.
Überraschende Wendung
„Wir hatten einen Riesenaufwand und Kosten, waren unterschriftsfähig und dann heißt es: Jetzt geht’s doch nicht. Da war die Stimmung echt im Keller“, erzählt der gebürtige Unterfranke auch heute noch angefasst. „Wir haben dann eigentlich den Schlussstrich gezogen und beschlossen: Wunden lecken und raus!“
Für eine letzte überraschende Wendung in der Eigentumsfrage sorgte dann eine Melange aus politischem (ein dankbares Thema im Wahljahr) und gesellschaftlichem (weitreichende Solidaritätsbekundungen in den sozialen Medien) Druck. Joachim Kilian wurde gefragt, ob er nicht an einer die Vorgänge klärenden Abschlusssitzung mit Vertretern aus der Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik im Kurgastzentrum von Altenau teilnehmen möchte. Das habe ihn dann doch ein wenig gelockt: „Wir haben insgesamt sieben Jahre in die Brauerei gesteckt, da war ich ehrlich gesagt einfach neugierig.“ Am Ende der Sitzung, aus der heraus mit den Vertretern der Klosterkammer in Hannover telefoniert wurde, stand – unverhofft kommt oft – die Zusage, nun plötzlich doch an das kurz zuvor noch vom Hof gejagte Konsortium verkaufen zu wollen.
60 Prozent des Weges beschritten
Braumeister Joachim Kilian macht die traditionsreiche Altenauer Brauerei fit für die Zukunft.
© André Pause
Als nach vier Wochen die vormals erkämpften Fördermittelzusagen wieder bereitstanden, konnte Ende Februar der Vertrag unterschrieben werden. Seit dem 1. April 2021 zeichnen die Firma BFDtec Kilian & Schneider GmbH & Co. KG sowie Fruchtsaftunternehmer Andreas Creydt für die neu gegründete Altenauer Brauerei GmbH verantwortlich. „Wir haben schon bewusst überlegt, was wir machen. Das Unternehmen ist für uns zweites Standbein und Referenzbetrieb. Wir können unsere eigenen Maschinen einbauen, sie auch anderen zeigen und bemerken Kinderkrankheiten dabei sehr schnell. Hinzu kommt, dass wir hier einfach einen superschönen Betrieb haben und die Marke ist extrem fest verankert in der Region. Der Absatz ist ebenfalls da, wir müssen nur ein paar Sachen ändern“, erklärt Kilian, der mit seiner Frau und drei Kindern bei Bamberg wohnt und seither einen Zweitwohnsitz im Oberharz hat, die Win-win-Situation. Wenn es gut läuft, knacke man dieses Jahr die 8500 Hektoliter-Marke. Der Umsatz mit zehn Mitarbeitern, darunter zwei im Lehrjahr versetzt eingestellte Auszubildende, betrage etwa 1,2 bis 1,3 Millionen Euro.
Derweil ist der Betriebsumbau in vollem Gange. Zeitlich seien etwa 60 Prozent des Weges beschritten – „finanziell etwas mehr, was den Aufwand anbelangt eher etwas weniger“, so die grobe Einschätzung. Viele Themen habe man noch im vergangenen Jahr oder Anfang 2022 „abgefrühstückt“. Insbesondere die großen Dinge rund um Gärung und Lagerung seien vom Tisch. Zudem habe man die einst outgesourcte Logistik aus Flexibilitäts- und Kostengründen in den Betrieb reintegriert. „Jetzt sind wir dabei, die Heizung neu zu machen und den Aufenthaltsraum für die Mitarbeiter und Brauereiführungsgäste herzurichten. An der Schroterei sind wir ebenfalls dran“, berichtet der geschäftsführende Gesellschafter. Was gehe, werde aus Kostengründen in Eigenregie erledigt. Allein mit dem neuen Sudhaus werde es noch eine Weile dauern, weil es hier um eine direkte Gas-Befeuerung geht. Diese Herstellung gibt’s nicht mehr so häufig in Deutschland, sie macht letztlich den Charakter des Bieres aus. Wenn wir das ersetzen wollten, müssten wir sehr viel über die Malzmischung regulieren.“
Energiepreissituation raubt die Planbarkeit
In diesem wie in vielen weiteren Zusammenhängen ist die Verteuerung der Energie aktuell das beherrschende Thema. Ein Löwenanteil der derzeitigen Investitionen fließe in diesen Bereich. Gerade sei das Angebot für die Photovoltaikanlage eingetroffen, für die Einsparung im Sudhausbereich gebe es gleich mehrere Offerten. „Wir stellen bei Ausgaben jetzt immer die Frage: Sparen wir dadurch Energie ein? Das finde ich grundsätzlich gar nicht schlecht. Aber es ist irre, wenn man sieht, was auf dem Strommarkt abgeht. Gas ist für uns sogar noch ein wenig händelbar, da können wir durch Sparmaßnahmen reduzieren, beim Strom hingegen kann ich nicht viel machen“, so Kilian. „An unseren Abfülltagen haben wir schon Sorten zusammengelegt, auch die Dampfkessel laufen keine Sekunde länger als nötig. Im August haben wir so 10 000 Kilowattstunden beim Gas eingespart. Allerdings habe ich 350 Prozent mehr dafür gezahlt. Das ist schon grenzwertig.“ Bis im März ein Gaspreisdeckel wirkt, werde es manch eine Firma nicht mehr aushalten, so seine Prognose. Das schlimmste für ihn sei jedoch die grundsätzlich fehlende Planbarkeit: „Wenn man genau wüsste, die Kilowattstunde Gas kostet die nächsten zwei Jahre meinetwegen 25 Cent, dann hat man eine Planbarkeit. Dann weiß man, wie man sich verhalten sollte, was man investieren kann und wo die Reise hingeht. Wie aber soll ich Handwerker bezahlen, solange ich nicht im Ansatz weiß, was ich selbst bezahlen muss?“
Investitionen sind ein Muss
Das er weiter investieren muss, steht für Kilian außer Frage. Eine Brauerei werde nie fertig. „Es gibt den Spruch: ein Brauer, der nicht baut, ist ein Brauer, der nicht braut. Wer aufhört, in seine Anlage zu investieren, den wird es eher früher als später nicht mehr geben“, sagt er und zählt auf: Fahrzeuge, Labortechnik und Qualitätssicherung. Das Sudhaus sei ebenfalls ein mittelfristiges Projekt, spätestens nach fünf Jahren werde man da etwas tun. „Die Brauerei muss technisch auf einem hohen Level bleiben, da wird’s uns nicht langweilig.“
pau