Stimmen aus der Wirtschaft zu Europa

„Wir brauchen einen mutigen Aufbruch statt kleinteiliger Vorschriften“

Wer hat sich nicht schon über Europa geärgert? Selbst mir als überzeugtem Europäer kommt es manchmal so vor – besonders wenn ich gerade aus Brüssel komme –, dass ich an Europa verzweifle.

Haben Sie aber schon mal überlegt, wie es wäre, wenn Europa plötzlich weg wäre? Ein Blick nach Großbritannien zeigt, wie groß doch die Ernüchterung ist. Trotz des Frustes hier und da – ich bin davon überzeugt: Es gibt für uns keine bessere Alternative als Europa! Deshalb gibt es nur den Blick nach vorn: die Europäische Union besser und schlanker machen, mehr Wettbewerb zulassen, den Mittelstand stärker berücksichtigen.
Zur Wahrheit gehört nämlich genauso: In den Unternehmen ist Europa sehr konkret spürbar – und zwar durch eine Regulierungsflut, die immer neue und zusätzliche Vorgaben und Dokumentationspflichten über die Unternehmen spült. „One-In-One-Out“? Davon ist nichts zu spüren. Auf eine wegfallende EU-Regelung kommen inzwischen mehr als drei neue. Und das kostet: Bürokratie – gemacht auf allen Verwaltungsebenen – belastet die deutsche Wirtschaft laut Berechnungen des Nationalen Normenkontrollrates jedes Jahr mit etwa 65 Milliarden Euro.
Die Weiterentwicklung des Binnenmarktes stockt, wichtige internationale Handelsabkommen liegen auf Eis, und die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas ist im Sinkflug begriffen. Es gibt genug Konkretes, das angepackt werden müsste. Stattdessen werden mehr und mehr Obergrenzen, Vorgaben, Verbote, Zielmarken in Brüssel und Straßburg entwickelt – und dann auch noch in deutscher Gründlichkeitsmanier bei uns vor Ort durch zusätzliche Regelungen, Berichts- und Nachweispflichten weiter verkompliziert.
Europa und die Europäische Union sind nicht abstrakt. Im Gegenteil: Wir spüren sie jeden Tag in unserem betrieblichen Alltag, auf die gute wie auch auf die zeitraubende Weise. Und gerade deswegen ist es so wichtig, dass wir als Wirtschaft unsere Stimme erheben – und sagen, worauf es aus unserer Sicht ankommt.
Was das ist? Wir brauchen einen mutigen Aufbruch statt kleinteiliger Vorschriften. Globale Wettbewerbsfähigkeit statt zu engen Zielvorgaben. Und Digitalisierung, Schnelligkeit und Innovation statt bürokratischen Bremsen.
Es ist und bleibt bei aller berechtigten Kritik wahr: Europa ist die Lösung für eine gute Zukunft in der sich ändernden Welt. Aber nicht das Europa der Bürokraten, der Zweifler und der Bremser – sondern das Europa der Macher, der Unternehmer und der Neugierigen.
Aktuell ist die Welt wie aus den Fugen geraten. Es wird immer schwerer – das sehen wir auch in der deutschen Politik –, gemeinsame Entscheidungen zu treffen, gute Kompromisse zu finden und sich an Verabredungen zu halten. Da ist es schon fast ein Wunder, wie gut Europa am Ende doch funktioniert!     
Autor: DIHK-Präsident Peter Adrian

Zehn Punkte, warum die EU für die Wirtschaft wichtig ist.

Die EU beeinflusst in vielerlei Hinsicht die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft und bietet zahlreiche Vorteile:

  1. Der Binnenmarkt mit Zollunion senkt Kosten und Handelsbarriere
  2. Der Schengenraum erleichtert die Mobilität
  3. Niederlassungsfreiheit für Unternehmen und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
  4. Nur eine Währung innerhalb der Eurozone
  5. Gemeinsam mehr Einfluss auf der Weltbühne
  6. Ein angeglichener Rechtsrahmen senkt Anpassungskosten
  7. Kohäsionspolitik nimmt schwächere Regionen ins Auge
  8. Nachbarschaftspolitik für stabilere Märkte jenseits der EU-Grenze
  9. Forschungsförderung unterstützt Innovationen
  10. Mehr als 70 Jahre Frieden und Stabilität
    → Mehr dazu lesen Sie bei der DIHK
Welche Bedeutung hat die Europawahl am 9. Juni für Sie?
Dr. Thorsten Brandau, Geschäftsführer,
BRACE GmbH Chemie-Plastics-Data Systems-Esthetiques, Karlstein 
Teilhabe am demokratischen Prozess und Stärkung des Europaparlaments, des einzig direkt gewählten Organs der Europäischen Union.


Clemens Hensel, Geschäftsführer,
Hensel Recycling GmbH, Aschaffenburg

Mit der Teilnahme an der Wahl haben wir nicht nur die Möglichkeit, die EU weiter zu stärken und an europapolitischen Entscheidungen mitzuwirken. Vor allem können wir auch ein Zeichen für Demokratie setzen.

Dr. Gerald Kromer, Geschäftsführer,
ASC Technologies Aktiengesellschaft, Hösbach


Sie ist Ausdruck der lebendigen Demokratie in Europa. Ein Gut, das wir gerade in den letzten Jahren mit zunehmenden autokratischen Tendenzen wieder schätzen lernen.

Rolf Schwind,
Geschäftsführer, Scharf Sehen GmbH, Kleinostheim
Europa und die EU gewinnen auf Grund der geopolitischen Verwerfungen evtl. anstehender politischer Veränderungen in den USA und anderen Nationen und dem Politikstrategiewechsel in der VR China eine noch wesentlich höhere Bedeutung und Priorität als jemals zuvor. Insofern betrachte ich die Europawahl als sehr bedeutend und appelliere dringend an dieser Wahl teilzuhaben.

Holger Wolf, Manager Export,
PHILIPP GmbH, Aschaffenburg
Die aktuelle Polarisierung der politischen Parteien weit rechts und links in vielen nationalen Parlamenten Europas ist auch für die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht förderlich. Die Europawahl ist eine gute Gelegenheit für die etablierten Parteien, neben den inhaltlichen Differenzierungen in den Wahlprogrammen ein klares Statement für Zusammenarbeit in Europa zu setzen.
Welche Vorteile sehen Sie in der Europäischen Union?
Dr. Thorsten Brandau: Der gemeinsame Binnenmarkt vereinfacht und fördert den Handel und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Länder der Europäischen Union und schafft Wohlstand für alle. Mit der Währungsunion werden Auslandsgeschäfte einfach und planbar. Eine gemeinsame politische Union, ein "United States of Europe", ist ein Garant für Frieden und Sicherheit in der Welt.
Clemens Hensel: Die wirtschaftlichen Vorteile der Europäischen Union sind für ein Exportland wie Deutschland unübersehbar; aber viel zu eindimensional: Sie garantiert uns auch seit fast 80 Jahren ein friedliches Zusammenleben unterschiedlicher Nationalitäten, bietet Reisefreiheit und mit dem Euro ungehinderten Geldverkehr. Wie wertvoll ein politisch starkes und geeintes Europa ist, bekommen wir spätestens durch den Überfall auf die Ukraine deutlich vor Augen geführt.
Dr. Gerald Kromer: Jedes einzelne europäische Land, auch Deutschland, ist für sich alleine zu klein, um auf der Weltbühne Gewicht zu haben. Nur geeint hat Europa Gewicht und kann Einfluss für seine Werte und seine Prioritäten nehmen.
Rolf Schwind: Die Vorteile sind unter anderem Reisefreiheit ohne Grenzformalitäten, eine große Waren- und Dienstleistungsvielfalt, der Euro als einheitliches Zahlungsmittel, der gerade der BRD gegenüber der DM erhebliche Vorteile gebracht hat und die Vertretung unseres Kontinents politisch und wirtschaftlich, insbesondere im Verhältnis zu anderen Kontinenten und Bündnissen.
Holger Wolf: Nur die Gemeinschaft eröffnet uns Chancen, langfristig im Wettbewerb mit Staaten wie USA, China, Indien u.a. zu bestehen. Gegenseitige multinationale Unterstützung, sinnvolle Regularien und gemeinsame Standards wirken oft vorbildlich für andere Staaten und Regionen. 
Was wünschen Sie sich von der EU?
Dr. Thorsten Brandau: Weniger Ideologie, weniger Bürokratie, und dafür praxisnahe Lösungen, die denen zugutekommt, die die Union tragen und Wohlstand schaffen.
Clemens Hensel: Natürlich wünsche ich mir weniger bürokratische Regelungen; auch weil sie Manchem den Blick für unsere europäische Freiheit verstellen.
Dr. Gerald Kromer: Eine Agenda, die auf wirtschaftlichen Fortschritt und Wohlstand gerichtet ist. Europa verliert gerade wirtschaftlich den Anschluss, hier müssen wir besser werden, hier kann mehr getan werden.
Rolf Schwind: Ich wünsche mir in der EU weniger Regulierung, weniger Bürokratie und weniger teilweise unrealistische und weltfremde Gesetzesinitiativen, die jeden Pragmatismus entbehren lassen.
Holger Wolf: Abbau der überbordenden Bürokratie und Mut für langfristige, zukunftsweisende Entscheidungen.

Ein starkes Europa braucht eine starke Wirtschaft

Industrie- und Handelskammern in Bayern
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