Wenn der Zeitpunkt verpasst wird: Risiken der Unternehmensnachfolge

In Gesprächen mit Familienunternehmen, Mittelständlern und Gründern zeigt sich immer wieder das gleiche Muster: Die Nachfolge wird zu spät angegangen – und im schlimmsten Fall gar nicht. Dabei zählt die Übergabe des eigenen Lebenswerks zu den sensibelsten und folgenreichsten Phasen im Unternehmerleben. Wer sie nicht frühzeitig plant, riskiert nicht nur den Wert des Unternehmens, sondern auch seine Zukunft.

Die Mär vom schnellen Generationswechsel

Viele Unternehmer glauben, eine Nachfolge lasse sich „schnell regeln“. Vertrag aufsetzen, Nachfolger vorstellen, fertig. Doch die Realität ist komplexer. Ein sauberer Übergabeprozess braucht meist acht bis zehn Jahre Vorlauf – vor allem, wenn steuerliche, organisatorische und emotionale Faktoren berücksichtigt werden sollen.
Denn Nachfolge bedeutet weit mehr als die Klärung der Eigentumsfrage. Sie betrifft Wissenstransfer, Unternehmenskultur, Führungsstil, Finanzierungsmodelle – und nicht zuletzt die Bereitschaft des Altunternehmers, wirklich loszulassen. Erfolgreiche Nachfolge ist vor allem eines: Kommunikation.

Drei häufige Fallen in der Nachfolgeplanung

Trotz guter Absichten scheitern viele Übergaben an typischen Fehlern, die immer wieder auftreten. Wer sie kennt, kann gezielt gegensteuern.
  • Falle 1: Der unsichtbare Investitionsstau
    Kurz vor der Übergabe neigen viele Inhaber dazu, Investitionen einzustellen. „Es lohnt sich ja nicht mehr für mich“, heißt es dann oft. Die Folge: ein Investitionsstau, der sich für potenzielle Nachfolger wie eine tickende Zeitbombe anfühlt. Veraltete Maschinen, mangelnde Digitalisierung, fehlende Innovationskraft – all das mindert nicht nur den Unternehmenswert, sondern auch die Attraktivität für Käufer.

    Zudem weiß niemand, wann ein geeigneter Nachfolger gefunden wird. Das kann schnell gehen – oder Jahre dauern. Wer bis dahin nicht investiert, verliert Substanz. In Zeiten der Babyboomer-Welle, in denen mehr Firmen zum Verkauf stehen als Käufer vorhanden sind, ist das fatal. Der Markt hat sich längst zum Käufermarkt gewandelt: Nur die attraktivsten Unternehmen finden Übernehmer – der Rest bleibt zurück.
  • Falle 2: Emotion schlägt Rationalität
    Viele Unternehmer unterschätzen die emotionale Bindung an „ihr“ Unternehmen. Jahrzehntelange Aufbauarbeit, vertraute Strukturen, langjährige Mitarbeiter – all das loszulassen, fällt schwer. Diese Nähe führt oft dazu, dass Entscheidungen vertagt, Beteiligungsmodelle blockiert oder potenzielle Nachfolger durch Unklarheit verunsichert werden. Wer zu spät in den Dialog tritt – ob mit Familienmitgliedern oder externen Interessenten –, verliert wertvolle Zeit. Und Zeit ist im Nachfolgeprozess das knappste Gut.
  • Falle 3: Steuerlich unvorbereitet
    Auch die steuerliche Seite wird häufig unterschätzt. Eine überhastete oder schlecht geplante Übergabe kann erhebliche Belastungen nach sich ziehen – auf beiden Seiten. Ohne frühzeitige Beratung drohen finanzielle Einbußen oder gar die Zerschlagung des Unternehmens. Wer rechtzeitig handelt, kann gestalten. Wer zu spät reagiert, muss meist nur noch verwalten.

Was erfolgreiche Nachfolgen gemeinsam haben

Erfolgreiche Übergaben folgen meist drei Konstanten:
  1. Frühzeitige Planung – idealerweise acht bis zehn Jahre im Voraus.
  2. Ehrliche Bestandsaufnahme – was funktioniert, was ist überholt?
  3. Offene Kommunikation – zwischen Übergeber, Nachfolger und Belegschaft.
Wer diese Punkte beherzigt, schafft die Basis für eine nachhaltige und wertsteigernde Nachfolge. Dazu gehören strategische Klarheit, Investitionen in die Zukunftsfähigkeit – und die Bereitschaft, Verantwortung Schritt für Schritt zu übergeben.

Wer die Nachfolge nicht gestaltet, verliert sie

Die größte Gefahr liegt im Aufschieben. In einem Markt, in dem Käufer auswählen können, werden oft nur Betriebe übergeben, die attraktiv wirken – wirtschaftlich, strukturell und menschlich.
Mein Rat aus der Praxis: Wer sein Lebenswerk bewahren will, sollte frühzeitig investieren – in Strukturen, Gespräche und Menschen. Alles andere kostet am Ende Nerven, Zeit und oft auch den erhofften Erlös.
Und noch ein Tipp: Der Verkaufsprozess kann emotional fordernd werden. Kritik oder „Herummäkeln“ seitens potenzieller Käufer gehören dazu – sie sollten nicht persönlich genommen werden. Ein erfahrener Berater kann hier als neutraler Vermittler helfen. Denn wenn die Chemie zwischen Verkäufer und Käufer zu früh zerbricht, scheitert die Nachfolge meist endgültig.
Michael Paasch, Berater für Geschäftsentwicklung und Unternehmensnachfolge in Lindau
IHK Ulm
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