Durch Resilienz könnte die Quote einer erfolgreichen Übergabe verbessert werden
Resilienz ist die Fähigkeit, flexibel und gelassen auf Veränderungen zu reagieren. Neben anderen Aspekten ist sie ein entscheidender Faktor beim Erfolg einer Unternehmensübergabe. Denn die Übergabe eines Lebenswerks löst Ängste, Sorgen und Erwartungsdruck, kurz Stress, aus. Und zwar auf beiden Seiten. Das macht gute Kommunikation und durchdachte Entscheidungsfindung schwierig und ist keine Hilfe bei komplexen familiären Übergaben. Resiliente Menschen bleiben hingegen gelassen, können mit Stress umgehen und den „denkenden“ Teil des Gehirns aktivieren. Sie treffen Entscheidungen wohlüberlegt auf Basis bisheriger Erfahrungen und vorhandener Informationen.
Resilienz ist eine lernbare Kompetenz
Bei dem Übergang eines Familienunternehmens auf die nachfolgende Generation ist Stress kein guter Ratgeber. Deshalb sollte auch die persönliche Resilienz im Fokus stehen. Jeder Mensch bringt von Geburt an ein gewisses Maß an Resilienz mit und erwirbt im Laufe des Lebens weitere Resilienzkompetenzen. Die gute Nachricht ist: Man kann Resilienz erlernen. Deshalb ist dies – gerade bei der Übergabe von Familienunternehmen – nicht nur im aktuellen Prozess hilfreich, sondern auch präventiv sinnvoll.
Ein Fall, der für viele steht
Angenommen, ein Familienunternehmen in zweiter Generation steht vor der Übergabe an die Tochter. Doch es fällt dem Vater schwer, die Verantwortung abzugeben, er kontrolliert weiterhin operative Entscheidungen und lässt seiner Nachfolgerin kaum Raum zur Entfaltung. Die Nachfolgerin zeigt wenig Kreativität bei der Zukunftsgestaltung und ist nicht bereit, mit dem Vater zu kooperieren. Die wachsenden Spannungen führen zu innerfamiliären Konflikten, die Mitarbeiter spüren die Unsicherheit und Schlüsselkräfte verlassen das Unternehmen. Das Unternehmen muss letztlich extern verkauft werden. Ein frei erfundenes Szenario, das stellvertretend für viele Fälle stehen könnte, die so oder ähnlich ablaufen.
Resilienzkompetenzen wie beispielsweise Akzeptanz der neuen Rollen, Selbstverantwortung, Lösungsorientierung und Optimismus sind für einen solchen Prozess entscheidend. Auch dann kann es noch zu Meinungsverschiedenheiten kommen, doch mit diesen Kompetenzen können es beide Parteien schaffen, auch unter Druck im Dialog zu bleiben. Im Beispiel würde der Vater lernen, Verantwortung abzugeben, und die Tochter könnte Gestaltungswillen zeigen und gleichzeitig ihre Wertschätzung für die Vergangenheit ausdrücken. Die Mitarbeiter würden transparent mitgenommen, und die Übergabe gelingt.
Eine Investition in die persönliche Resilienz lohnt sich
Es gibt viele Möglichkeiten, die eigene Resilienz weiterzuentwickeln, beispielhaft durch Coaching, Workshops oder im Selbststudium. Wichtig ist, sich rechtzeitig mit den eigenen Stärken und Entwicklungsfeldern auseinanderzusetzen. Wenn man bewusst in die persönliche Resilienz investiert, kann man viel gelassener in den Nachfolgeprozess einsteigen und erhöht damit die Erfolgschancen für den Übergang des Familienunternehmens an die nächste Generation.
Julia Freifrau von Herman ist systemischer Coach (DGSF zertifiziert) und Resilienz Facilitator