„In Deutschland herrscht oft die Vorstellung, wir seien Vorreiter oder gar alleinige Treiber nachhaltiger Energie“, sagt Holger Krug, Geschäftsführer der ZIMMERMANN PV-Steel Group GmbH & Co. KG aus dem oberschwäbischen Oberessendorf. Doch diese Sichtweise greife zu kurz: „Tatsächlich gibt es kaum ein Land, in dem nicht bereits konkrete Schritte in Richtung nachhaltiger Energie gegangen werden.“ Diese globale Dynamik spiegelt sich auch in der Geschichte von ZIMMERMANN wider. Vor über 60 Jahren als Ausrüster für Kuh- und Schweineställe gegründet, stieg das Unternehmen2009 in den Markt für Unterkonstruktionen von Photovoltaikanlagen ein – zunächst ausschließlich in Deutschland. Doch bereits kurz darauf folgte der Niedergang der hiesigen PV-Branche durch die drastischen Kürzungen der Einspeisevergütung im Jahr 2012. „Das hat uns hart getroffen“, erinnert sich Krug. Die Lösung war der Schritt ins Ausland – gemeinsam mit langjährigen Kunden. Bereits 2013 war ZIMMERMANN am damals größten Solarpark Englands mit fünf Megawatt beteiligt. Es folgten Projekte in ganz Europa, in Ägypten, Mauretanien, Kenia, Australien und sogar in der chilenischen Atacama-Wüste.
Aktuell realisiert das Unternehmen eine 220-Megawatt-Anlage in der Demokratischen Republik Kongo – zur Eigenversorgung einer Kupfermine. „Für uns ein Meilenstein in Afrika“, sagt Krug. Weitere Projekte auf dem Kontinent sind bereits in Planung. Heute erwirtschaftet ZIMMERMANN rund 70 Prozent seines Umsatzes im Ausland.
Doch ist der Markt für Stahlunterkonstruktionen tatsächlich global? „Absolut“, sagt Krug. Denn in den Systemen stecke viel Technologie. International liege der Anteil sogenannter Tracker-Anlagen bei 75 Prozent: „Das sind intelligente Systeme, die sich mit der Sonne bewegen, Verschattung vermeiden, bei Sturm automatisch in Sicherheitsposition fahren oder Schnee abwerfen, bevor er sich auf den Modulen sammelt.“ In Deutschland sei das bislang kaum verbreitet, erklärt Krug, „doch international ist es unser stärkstes Wachstumssegment.“ Besonders in der Agri-Photovoltaik ließen sich durch sensorische Steuerung nicht nur Solar-, sondern auch Pflanzenerträge optimieren – etwa der Oechsle-Grad im Weinbau: „Da ist noch viel Potenzial.“
Auch in anderen Bereichen setzt ZIMMERMANN Maßstäbe. In der Floating-PV etwa hat das Unternehmen neue Standards bei der Wartungsfreundlichkeit etabliert: „Auf unseren Anlagen können Sie mit dem Fahrrad fahren“, sagt Krug. Und durch innovative Montagesysteme wie „Aufschieben und Befestigung von unten“ könnten Modulschäden verhindert und Installationszeiten um 30 Prozent reduziert werden: „Bei einer 200-Megawatt-Anlage sparen wir dadurch 70 Tage Bauzeit. Das ist eine echte Hausnummer.“
All das – kombiniert mit dem international geschätzten „Made in Germany“ – hat ZIMMERMANN zum Global Player gemacht. Im vergangenen Jahr hat das 100-Mitarbeiter-Unternehmen Unterkonstruktionen für acht Millionen Module in alle Welt geliefert. Gesteuert wird das internationale Geschäft fast vollständig aus dem 800-Einwohner-Ort Oberessendorf. „Das funktioniert erstaunlich gut“, so Krug. „Der außereuropäische Anteil wird weiter steigen“, ist sich der Geschäftsführer sicher – auch wenn zuweilen die Logistik, etwa wie in Afrika, eine echte Herausforderung sei.
Der außereuropäische Anteil wird weiter steigen.
- Holger Krug
„Die Zukunft der afrikanischen Energieversorgung ist dezentral“
Davon kann auch Christiane Kragh berichten. Gemeinsam mit ihrem Mann Mark hat sie die Off-Grid Europe GmbH in Pfullendorf gegründet, um in Afrika dezentrale Energiesysteme zu installieren – ob für Industriebetriebe oder ganze Dörfer. Erst kürzlich standen die Hallen des ehemaligen Autohauses im Pfullendorfer Industriegebiet noch voll mit Schiffscontainern. Hier haben die 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Wechselrichter und Batteriespeicher montiert, die mittlerweile gut 200 Dörfer im Senegal mit autarker Energie versorgen. „Die Zukunft der Stromversorgung in Afrika ist dezentral“, ist Christiane Kragh überzeugt. Zentrale Netze in die oft entlegenen Orte zu führen, wäre vielerorts zu aufwendig. Es scheint ein bisschen wie beim Telefon, wo Afrika quasi das Festnetz übersprungen hat und gleich beim Mobiltelefon gelandet ist. Für Off-Grid Europe bedeutet dies: „Wir werden hier für Jahrzehnte zu tun haben.“
Entstanden sei die Unternehmensidee eigentlich aus dem Online-Verkauf von Solarzellen, erzählt Kragh. Für Selberbauer hatte man einst Zellen aus defekten Modulen, die ansonsten entsorgt wurden, international vertrieben und so auch Charity Projekte in Afrika begleitet, etwa zum Bau von Handy-Ladegeräten. Doch „schnell war klar, dass es hier viel mehr braucht“, so Kragh.
Wir entwickeln für Lösungen, die in der Zukunft zum Einsatz kommen werden.
- Franz Plachy
Und so hatte Off-Grid Europe 2016 begonnen, Tankstellen und ein Krankenhaus in Nigeria mit autarker Stromversorgung auszustatten, ein Fitness-Studio, dann Industriebetriebe und Dörfer, inklusive Leitungsnetz. Damit sind die Pfullendorfer allerdings nicht allein. Vor allem chinesische Unternehmen drücken in den afrikanischen Markt, ob bei Rohstoffen, Infrastruktur oder Energie. „Ja, chinesische Anbieter sind stark in Afrika“, bestätigt Kragh: „Sie kommen mit niedrigen Preisen und bringen auch komplette Finanzierungen mit. Ein wichtiges Pfund, denn „kaum jemand in Afrika hat das Geld, so etwas zu finanzieren“. Deshalb bietet auch Off-Grid Europe mittlerweile Finanzierungen mit an, etwa über die deutsche Exportfinanzierung oder kleinere Afrika-Fonds.
Wobei die Philosophie von Off-Grid Europe eine ganz andere ist als die der chinesischen Wettbewerber. „Die kommen mit kompletten Trupps, installieren und sind wieder weg“, so Kragh. Bei Off-Grid Europe dagegen kümmern sich 60 lokale Mitarbeiter im Senegal um Installation und Wartung. Zudem würden die Anlagen so gebaut, dass sie langlebig und leicht reparierbar seien: „Wir wollen nachhaltige lokale Strukturen vor Ort fördern und gerade verhindern, dass man von uns oder unseren Ersatzteilen abhängig wird.“ Dies und das Made in Germany, „das wir sehr hochhalten“, scheinen geschätzt zu werden. Gerade starten Projekte in Südafrika, Angola und Sambia. Sambia etwa hatte schon 2024 den Notstand ausgerufen. Täglich ist das Land stundenlang ohne Strom.
Für die Kraghs ist ihr Afrika-Engagement nicht zuletzt auch eine Herzensangelegenheit. Natürlich sei es risikoreicher, aufwendiger und anstrengender als in Deutschland zu arbeiten, sagt die Firmenchefin. „Aber man schafft dort so viel mehr Impact.“
Führende Technologie in den Startlöchern
Einen maßgeblichen „Impact“ für die gesamte Solarindustrie hat indes das 1.400-Mitarbeiter- Unternehmen ASYS Group aus Dornstadt geleistet. Beim Aufstieg der innovativen Branche hierzulande vor 25 Jahren war ASYS ganz vorn dabei. Damals hatte man das Siebdruckverfahren zum Aufbringen von Leiterbahnen auf Solarzellen entwickelt, über die der erzeugte Sonnenstrom abtransportiert wird. Dieser Prozess ist nicht nur zum weltweiten Standard geworden, sondern auch ein entscheidender Produktionsschritt von Solarzellen, der maßgeblich deren Effizienz bestimmt.
Als Unternehmen der ASYS Group entwickelt und produziert die EKRA Automatisierungssysteme GmbH Prozess- und Fertigungstechnologien, speziell für die Märkte Elektronik, erneuerbare Energien, Hybrid und Halbleiter. Auf EKRA-Anlagen werden nicht nur Halbleiter- Wafer und zahlreiche Elektronik-Komponenten gefertigt, sondern auch grüne Technologien wie Brennstoffzellen, Batterien und Solarzellen. Jüngster Durchbruch in der EKRA-Entwicklung: die Prozesszeit im Bereich Solarzellen- Metallisierung von 1 auf 0,4 Sekunden pro Zelle zu reduzieren, was weltweit einmalig ist und einen enormen Produktionskostenvorteil darstellen wird.
Dass dieser neue Benchmark künftig auch in der Massenproduktion zum Einsatz kommt, daran hat EKRA keinen Zweifel. Denn der globale Solarboom ist noch lange nicht zu Ende. Bis 2050 werde sich die installierte Leistung vervielfachen, bereits in Kürze werde die weltweite jährliche Produktionskapazität 1 Terawattpeak überschreiten. Und genau hier will ASYS vor allem in Europa und den USA vorne mit dabei sein. Einige Projekte seien auch bereits angekündigt, die EKRA alle mitbegleitet.
Neben dem Siebdruck nutzt die ASYS Group das Prozess- und Anlagen-Know-how aus der Automatisierung, der Laser Technologie sowie dem automatisierten Testen auch für die Wasserstoffindustrie. Man beschichtet, verschweißt und automatisiert alle relevanten Fertigungsschritte, beispielsweise in der Bipolarplatten- Fertigung, und baut ganze Produktionslinien für Brennstoffzellen und Elektrolyseure. „Auch hier treiben wir die technische Entwicklung maßgeblich voran“, sagt Franz Plachy, Sales & Technologies Hybrid and Special bei EKRA. Denn für Plachy ist in Sachen Wasserstoff die aktuell stagnierende Situation „nur eine Momentaufnahme“. Was die nachhaltige und klimafreundliche Energieversorgung der Welt angeht, ob in der Speicherung, der Industrie, der Luftfahrt oder dem Schiffs- und Schwerlastverkehr: Es gibt für ihn keine Alternative zu grünem Wasserstoff. „Wir entwickeln für Lösungen, die, wenn auch verzögert, in der Zukunft zum Einsatz kommen werden“, so Plachy. „Dafür braucht es Unternehmen, die nachhaltig und strategisch hinter dem Thema stehen und es mit Überzeugung vorantreiben – und genau das ist bei der ASYS Group der Fall.“
Startup in „Habacht-Stellung“
In Habacht-Stellung, so könnte man es vielleicht nennen, befindet sich auch das junge Unternehmen CellForm Hydrogen GmbH aus Baienfurt. 2021 vom Werkzeugbauer Gebhardt mit Hagel Automation und Askea Feinmechanik gegründet, hat man sich auf die Produktion von Bipolarplatten für sogenannte Stacks von Brennstoffzellen und Elektrolyseuren spezialisiert. Im Stack einer Brennstoffzelle, bestehend aus 300 bis 400 Bipolarplatten, wird Wasserstoff zu Strom gewandelt.
Hier hat sich CellForm in kurzer Zeit einen Namen gemacht. Durch spezielle Umformtechnik könne man aktuell „die effizientesten Bipolarplatten im internationalen Markt“ bieten, sagt Geschäftsführer Simon Brugger. Das wüssten etwa Kunden aus der Luftfahrt zu schätzen, für die „Effizienz essenziell ist, um eine Maschine überhaupt in die Luft zu bekommen“. CellForm ist in zahlreiche Projekte involviert, von Nordamerika bis Asien.
In der Zeit, in der hier über eine Komponente eines Stacks nicht entschieden wird, hat ein chinesisches Unternehmen diesen komplett aufgebaut.
- Simon Brugger
Doch dabei soll es nicht bleiben: „Wir bereiten die Großserienfertigung vor“, sagt Brugger. Bis zu 20 Millionen Bipolarplatten im Jahr könne man herstellen. Die Pläne für die entsprechende Produktionsstraße – eine Investition von 20 Millionen Euro – liegen in der Schublade. Dazu ist 2024 der Markdorfer Automobilzulieferer Weber bei CellForm eingestiegen. Dort soll auch die künftige Produktion laufen. Das Ziel: „Die weltweit effizientesten Bipolarplatten, technisch wie wirtschaftlich.“ Brugger glaubt, dass die hiesige Produktion durch technologischen Vorsprung nicht nur bei der Qualität, sondern auch beim Preis mit chinesischen Anbietern mithalten kann. „Das ist wichtig“, sagt er. Denn der Preis einer Brennstoffzelle werde zur Hälfte vom Stack und davon wiederum zur Hälfte von den Bipolarplatten bestimmt: „Deren Kosten müssen künftig im sehr niedrigen einstelligen Euro-Bereich liegen.“
Die industrielle Großserie lässt indes auf sich warten: „Weltweit gibt es kaum Projekte mit Stückzahlen im Millionenbereich“, betont Brugger. Technologisch sei Europa – und gerade die deutsche Luftfahrt – zwar in vielen High Performance-Anwendungen wegweisend. Doch während man hierzulande über Normen, Fördermechanismen oder Einzelkomponenten diskutiere, werde in Asien entschieden, investiert und skaliert. Um von Anfang an Teil dieser industriellen Wertschöpfung zu sein, kooperiert CellForm bereits mit internationalen Partnern, unter anderem in Indien. „Technologie ist zwar entscheidend“, sagt Brugger dazu, „aber Geschwindigkeit gewinnt den Markt“ – und letztere liege „derzeit nicht in Europa“.
Die unterschiedliche Dynamik skizziert der Firmenchef an einem Beispiel: Auf einer kanadischen Messe habe man einen Truck-Hersteller vom Produkt überzeugt: „Der hat gleich vor Ort bestellt.“ Hierzulande dagegen sei man sich in einem anderen Fall bereits seit Februar technisch einig, die Managemententscheidung aber nach wie vor nicht gefallen: „In der Zeit, in der hier über eine Komponente eines Stacks nicht entschieden wird, hat ein chinesisches Unternehmen diesen komplett aufgebaut.“ Und so übt sich der Firmenchef in Geduld: „Wir haben sehr entwicklungsintensive Projekte – und leben mit dem langen Atem unserer Kunden.“
Jürgen Baltes, Überlingen