„Der Mittelstand spielt eine entscheidende Rolle “

Welche aktuellen Schwerpunkte verfolgt das ZSW im Bereich Wasserstofftechnologien in Ulm und Stuttgart?
Die HyFaB-Plattform unterstützt die Entwicklung von Brennstoffzellen auf dem Weg von der Manufaktur hin zur industriellen Produktion. Die Kosten sollen durch die automatisierte und hochskalierte Brennstoffzellenfertigung signifikant gesenkt werden. Sowohl Komponenten als auch komplette Stacks werden in der Forschungsfabrik für Wasserstoff und Brennstoffzellen entwickelt. Ferner geht es um die Ausbildung von Fachkräften, insbesondere durch Seminare und Schulungen für KMUs. Keine Brennstoffzelle ohne Wasserstoff! Am ZSW in Ulm wird auch an PEM-Elektrolyseuren (Protonen-Austausch-Membran Elektrolyseuren) gearbeitet, während am ZSW-Standort in Stuttgart der Fokus auf der alkalischen Elektrolyse (AEL) liegt. Mit beiden Technologien kann unter Nutzung von grünem Strom grüner Wasserstoff erzeugt werden. Vom Material über den Stack bis zum System unterstützt das ZSW die Industrie bei der Umsetzung von Elektrolysetechnologien in Produkte für den nationalen und internationalen Markt. Das Angebot umfasst außerdem Beratung und Technologiemonitoring.
Wie schätzen Sie die Position Baden-Württembergs im internationalen Wettbewerb um Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologien ein?
Baden-Württemberg verfügt über hervorragende Voraussetzungen: eine leistungsfähige Industrie, insbesondere im Maschinenbau, exzellente Forschungseinrichtungen und eine politisch unterstützte Wasserstoffstrategie. Initiativen wie das HyFaB-Projekt stärke Fertigungskapadie Position zusätzlich. Der Wettbewerb ist jedoch intensiv. Länder wie China oder Südkorea investieren derzeit erheblich. Auch in Europa schreitet die Umsetzung über Programme wie IPCEI (Important Project of Common European Interest) schnell voran. Baden Württemberg nimmt eine führende Position ein, jedoch besteht beim Produktionshochlauf, bei Genehmigungsverfahren und bei der Wasserstoffinfrastruktur noch Aufholbedarf.
Wie wichtig ist die Diversifizierung der Importwege (z. B. Pipeline, Schiff) für die Versorgungssicherheit des Standorts?
Sie ist von zentraler Bedeutung. Um langfristig Versorgungssicherheit zu gewährleisten, braucht es ein breites Spektrum von Herkunftsländern, Transportformen und Technologieoptionen. Diese Diversifizierung erhöht die Resilienz gegenüber geopolitischen Risiken und sichert stabile Preise. In Bezug auf Transportkosten sind Pipelines immer zu bevorzugen. Ein solches Pipeline Netzwerk wird auch bereits unter dem Namen „European Hydrogen Backbone“ geplant und realisiert. Das Wasserstoffkernnetz in Deutschland wird ein Teil dieses europäischen Pipelineverbunds werden. Beim transkontinentalen Transport konkurrieren derzeit noch unterschiedliche Transportformen, wie verflüssigter Wasserstoff oder Wasserstoff, umgewandelt in Methanol oder Ammoniak.
Wie beurteilen Sie die wirtschaftlichen Potenziale für Unternehmen in Baden- Württemberg im Bereich der Brennstoffzellen – und was müssen Unternehmen tun, um diese zu heben?
Das wirtschaftliche Potenzial ist beträchtlich: Es reicht von der Produktion einzelner Komponenten über Systemintegration bis hin zu Dienstleistungen, Logistik und Infrastruktur. Dem Maschinenbau, der die Produktionsanlagen für Brennstoffzellen entwickeln und bauen muss – und auch bauen kann –, kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Um davon zu profitieren, müssen Unternehmen jedoch frühzeitig in Forschung, Entwicklung und Pilotprojekte einsteigen. Essenziell sind dabei Kooperationen mit Forschungseinrichtungen, der Zugang zu Förderprogrammen wie zum Beispiel IPCEI, HyLand oder HyFaB sowie der Aufbau skalierbarer Fertigungskapazitäten. Unternehmen in Baden Württemberg können technologische Standards setzen und diese weltweit exportieren.
Wie kann der Mittelstand besser in die Wasserstoffwirtschaft eingebunden werden, um von der Transformation zu profitieren?
Der Mittelstand spielt eine entscheidende Rolle. Viele mittelständische Unternehmen haben hohes Innovationspotenzial, aber leider auch begrenzte Ressourcen. Hier sind Unterstützungsangebote wie Technologietransfer, Demonstratoren, Schulungen und Förderinstrumente wichtig. Clusternetzwerke wie H2BW helfen zudem, Know-how zu bündeln und es für kleine und mittelgroße Zulieferer aus der Automobilindustrie zugänglich machen.
Wie sieht Ihre Vision für die Rolle Baden-Württembergs im internationalen Wasserstoffmarkt aus?
Baden-Württemberg kann sich bis 2035 als Technologieregion für Wasserstoffanwendungen etablieren, besonders im Nutzfahrzeugbereich, bei der Produktion von Brennstoffzellenstacks und in der Elektrolyse-Technik. Wenn wir die neuen Technologien konsequent umsetzen und die Produktionskosten weiter senken, können wir diese Technologien auch im Massenmarkt platzieren. Das Land könnte dann als Modellregion für klimaneutrale Industrieprozesse und Mobilität international sichtbar werden. Wasserstoff wird weltweit eine zentrale Rolle als grüner Energieträger spielen: von der CO2-freien Stromerzeugung bis hin zum Einsatz in der Zement-, Chemie-, Stahl- oder Papierindustrie.
Interview: Kyara Couto Rodrigues