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Man muss die europäische Brille absetzen
Mit Unterstützung der DEG investiert die Klingele Group verstärkt in Afrika. Wir haben Guillermo Boué, Exportmanager und Leiter eines neuen Verarbeitungswerks im Senegal nach seinen Erfahrungen mit dem Markt und der Investitionsförderung gefragt.
Die Klingele Group mit Sitz in Remshalden gehört zu den fünf größten Herstellern von Wellpapperohpapier und Verpackungen aus Wellpappe in Deutschland und ist in Europa, Mittel- und Südamerika und seit 2013 auch auf dem afrikanischen Kontinent aktiv. Für den Aufbau eines Verarbeitungswerks im Senegal erhält Klingele finanzielle Unterstützung von der staatlichen Deutschen Entwicklungsfinanzierungsgesellschaft (DEG) mit dem Programm AfricaConnect. Guillermo Boué, Exportmanager der Tochtergesellschaft Klingele Embalajes Canarias, wird das neue Werk leiten.
Was hat Sie bewegt, auf den afrikanischen Kontinent zu gehen?
Guillermo Boué: Die Klingele Group exportiert seit mehr als 40 Jahren über ihre Tochtergesellschaft Klingele Embalajes Canarias in Santa Cruz de Tenerife ins westliche Afrika. Im Jahr 2013 beschlossen wir, unser Geschäftsmodell zu verändern. Wir möchten näher an unsere Kunden heranrücken. Deshalb bauten wir unsere ersten Werke in den nur rund 1000 Kilometer entfernten mauretanischen Küstenstädten Nouakchott und Nouadhibou auf. Landwirtschaft und Fischerei sind die bedeutendsten Wirtschaftszweige dort. In einem nächsten Schritt soll die Produktion von Wellpappeverpackungen für Westafrika von Teneriffa nach Senegal verlagert werden und von Teneriffa sollen in Zukunft nur noch die Wellpappenbögen eingeführt werden. So wollen wir die Nachfrage aus mehr als acht westafrikanischen Ländern befriedigen. Letztes Jahr haben wir 640 Container nach Westafrika exportiert.
Welche Auswirkungen hatte die Coronakrise?
Die Pandemie hat unsere Organisation auf eine harte Probe gestellt. Der Export von Agrar- und Fischereierzeugnissen ist im Vergleich zum Vorjahr um 30 Prozent gestiegen. Wir mussten eine unerwartet hohe Nachfrage aus Europa befriedigen. Das war nur dank unserer lokalen Werke in Afrika und unserer langen Export- und Logistikexpertise möglich. Wir möchten trotz der Pandemie unsere Strategie weiterverfolgen, mehr Kundennähe zu schaffen, um einen besseren Service zu bieten und nicht zu sehr von der internationalen Seelogistik abhängig zu sein. Ich denke, nahe am Kunden zu sein, ist der Schlüssel zum Erfolg. Außerdem ist Westafrika ein sehr vielversprechender Markt, da der Prozentsatz des jährlichen Wirtschaftswachstums zwischen sieben und zehn Prozent liegt, wobei er während der Pandemie ein wenig fiel.
Was hat Sie motiviert, die Expansion in Westafrika fortzusetzen?
Wir konzentrieren uns aktuell auf Westafrika, weil wir glauben, dass wir in Landwirtschaft und Fischerei ein großes Wachstum erzielen können. Der Export von Lebensmitteln wächst jedes Jahr. Senegal wird im nächsten Jahr mit 10,8 Prozent das am schnellsten wachsende Land sein. Außerdem profitiert das Land von politischer Stabilität. Hinzu kommen logistische Gründe, weshalb Senegal ein guter Standort für unser neues Werk ist. In unserem Geschäft spielen Logistikkosten eine große Rolle. Vom Senegal aus gibt es gute Verbindungen zu den Kanarischen Inseln. Anders als Mauretanien ist Senegal außerdem Mitglied der UEMOA, der Westafrikanischen Wirtschafts- und Währungsunion, der acht westafrikanische Staaten angehören. Durch den Senegal erhalten wir so Zugang zu einem riesigen Markt mit freiem Warentransit zwischen den Ländern. Hier sollen Verpackungen für landwirtschaftliche Produkte wie Obst und Gemüse gefertigt werden.

Was sind die Herausforderungen bei der Marktentwicklung in Afrika?
In Afrika braucht alles seine Zeit. Die Administration läuft sehr langsam und man braucht viel Geduld. Man muss sozusagen seine europäische Brille absetzen und durch die afrikanische Brille sehen. Wichtig ist es, die Dinge auf die richtige Art und Weise zu tun – und nicht auf die schnellste. Senegal ist ein eher ruhiges Land und wir profitieren von politischer als auch religiöser Stabilität. In Mauretanien war es schwierig, gut ausgebildete Mitarbeitende zu finden, zumal unsere Werke zu 100 Prozent aus einheimischen Arbeitskräften bestehen. Im Senegal hingegen gibt es viele berufsbildende Schulen, sodass wir leichter qualifizierte Kräfte finden.
Welche Erfahrungen haben Sie mit der finanziellen Unterstützung durch die DEG gemacht?
Für unser Senegal-Projekt hat sich die DEG als Finanzierungspartner angeboten. Wir hatten zuvor bereits Erfahrungen mit COFIDES, dem spanischen Pendant der DEG beim Aufbau unserer Werke in Mauretanien gemacht. Die DEG erwartet viel Berichterstattung und kontrolliert noch mehr als COFIDES. Wir haben dafür aber Verständnis. Die Unterstützung ist sehr gut. Durch die Finanzierung konnten wir unsere Expansion in Westafrika zeitlich vorziehen. Klingele befindet sich gerade in einer Phase großer Investitionen. Ohne die DEG hätte der Aufbau des Werks in Senegal wahrscheinlich noch Jahre warten müssen. Außerdem dient uns die DEG auch als politische Flankierung. So konnten wir beispielsweise schneller Visa für unsere Mitarbeitenden bekommen. Die DEG gibt zwar keine konkreten Ziele vor, etwa mit Blick auf die Anzahl der zu schaffenden Arbeitsplätze, aber sie ermutigt uns, so viele einheimische Mitarbeiter wie möglich zu beschäftigen, einen Mehrwert für das Land zu generieren und so umweltfreundlich wie möglich zu agieren. So wird unser Werk auch zu 100 Prozent aus erneuerbarer Energie, insbesondere Sonnenenergie, betrieben werden. Wir versuchen Mitarbeiter vor allem durch den Kontakt mit lokalen Berufsschulen zu finden. In der ersten Phase suchen wir etwa 40 Mitarbeiter, die alle aus der Region stammen werden, die einzige Ausnahme bin ich als Werksleiter.
Wie wirken sich die aktuellen Lieferengpässe auf Ihre Pläne aus?
Unser Ziel war es, die Produktion im Senegal bereits im Januar 2022 aufzunehmen. Das Produktionsgebäude ist bis Ende des Jahres auch fertig. Allerdings können bestimmte Maschinen erst im April oder Juni 2022 geliefert werden. Auch die Container-Knappheit macht sich durch die gestiegenen Transportkosten bemerkbar. Die Kosten für den Transport desselben Containers von China nach Dakar sind fast zehnmal höher als im letzten Jahr.
Welchen Tipp geben Sie anderen Unternehmen, die den Markt erschließen möchten?
Meine schwierigste Aufgabe ist es, die afrikanische in die deutsche Kultur zu „übersetzen“. Das Leben in Afrika ist völlig anders: Menschlicher Kontakt ist von grundlegender Bedeutung, die Art und Weise, wie wir leben, ist sehr langsam, schnelle Geschäfte funktionieren nicht. Man muss eine Beziehung zu den Menschen aufbauen, sich um die Probleme seiner Mitarbeitenden kümmern und Seite an Seite mit ihnen arbeiten, um ihr Vertrauen zu gewinnen. Auch deutsche Manager müssen das Land mehrere Male besuchen, um zunächst eine persönliche Beziehung aufzubauen. Nur dann wird ein Projekt auf lange Sicht funktionieren.
Das Interview führten Thomas Bittner, Fachreferent Förderprogramme und -projekte bei der IHK Region Stuttgart, Catherine Renner, Studentin der internationalen BWL im Praxissemester, und Dorit Miller, Marketing Managerin der Klingele Group.
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Thomas Bittner