IHK Pressemitteilung vom 27.10.2023

Herbst 2023: Konjunktur im Landkreis im Rückwärtsgang

Die Unternehmen im Rems-Murr-Kreis blicken erneut skeptischer in die Zukunft. Nach einem kurzen Zwischenhoch zu Anfang des Jahres und einer Stagnation im Sommer befinden sich sowohl das Barometer für die aktuelle wirtschaftliche Lage wie auch für die Konjunkturerwartungen der nächsten zwölf Monate nun im Rückwärtsgang.  
Die heimische Wirtschaft leidet zunehmend unter den hohen Zinsen, einer schwächelnden Weltkonjunktur sowie unter inflationsbedingten Kaufkraftverlusten. Gleichzeitig bereiten Standortprobleme wie fehlende Arbeitskräfte, nicht wettbewerbsfähige Energiekosten, fehlende Gewerbeflächen und eine immer mehr ausufernde Bürokratie zunehmende größere Probleme. Für IHK-Präsident Claus Paal steht daher fest: „Es ist allerhöchste Zeit zu handeln. Die Wirtschaft benötigt von der Politik dringend Planungs- und Investitionssicherheit, um die Chancen beispielsweise im Bereich der Energiewende und der Veränderungen in vielen Branchen anpacken zu können. Dies kann aber nur funktionieren, wenn alle unnötigen Hemmnisse beseitigt und der andauernde politische Streit beendet wird.“ Paal appelliert deshalb eindringlich an die Politik, rasch für wettbewerbsfähigere Rahmenbedingungen zu sorgen. „Die derzeitige Transformation in vielen Bereichen der Wirtschaft gleicht einem Marathon, den die Unternehmen nur erfolgreich bestehen werden, wenn sie nicht ständig neue Steine in den Weg gelegt bekommen“, so der IHK-Präsident.
Die genannten Probleme spiegeln sich im (Gesamt-) Lageindikator zur Einschätzung der wirtschaftlichen Situation in den Unternehmen wider. Im Vergleich zum Jahresbeginn (Wert: 31,7) ist dieser um fast 16 Punkte gefallen. Während nahezu die Hälfte (46 Prozent) aller befragten Unternehmen ihre Geschäftslage als befriedigend bezeichnen, ist die Anzahl derer, die sie bereits als schlecht bezeichnen, von 11,4 zum Jahresbeginn im Herbst auf 19 Prozent gestiegen. Beim Blick in die Zukunft der nächsten 12 Monate sind die Unternehmen wenig euphorisch. Nur 11,7 Prozent erwarten eine Verbesserung der Geschäftslage. Von fast 63 Prozent werden die Geschäftserwartungen aktuell als gleichbleibend eingeschätzt, während 25,6 Prozent eine Verschlechterung erwarten. Der Indikator zur Geschäftserwartung sinkt auf -13,9 Punkte.

Blick in die Branchen

Ein Blick in die Branchen zeigt, dass die schwächelnde Weltkonjunktur für einen deutlichen Auftragsrückgang in der Industrie sorgt. Die Betriebe sind merklich unzufriedener mit ihren (Export-) Geschäften und sehen auch für die kommenden Monate keine Wende. Zwar stützen vorhandene Auftragspolster die Unternehmen derzeit noch, dennoch belasten die hohen Energiekosten die Ergebnisse der Unternehmen deutlich. Wesentlich drastischer sieht es aber in der Bauwirtschaft aus. Das hohe Zinsniveau dämpft die Wohnungsbauinvestitionen deutlich. Hoch- und Tiefbauunternehmen kämpfen mit Stornierungen, hohen Materialpreisen und einer starken Zurückhaltung der Kunden. Mit einer Belebung im Baugewerbe ist erst zu rechnen, wenn die Zinsen wieder sinken und die anhaltende Unsicherheit über die weitere Entwicklung bei den Kunden zurückgeht. Auch im Handel werden sowohl die aktuelle Lage als auch die Erwartungen schlechter beurteilt als zuletzt. Einzel- als auch Großhandel sind angesichts des anhaltend schwachen privaten Konsums deutlich unzufriedener mit ihren Geschäften. Der Kauf von Gebrauchsgütern mit langer Lebensdauer wird von vielen Kunden weiterhin zurückgestellt. Überwiegende Skepsis dominiert auch den Blick auf die kommenden Monate, trotz des bevorstehenden Weihnachtsgeschäfts.
Derzeit einziger Lichtblick ist die Dienstleistungsbranche, zu der auch das Hotel- und Gaststättengewerbe gehört. Nahezu die Hälfte der Betriebe beurteilen ihre aktuelle Lage gut und sieht auch für die kommenden Monate gleichbleibende Verhältnisse. Unternehmensnahe Dienstleister spüren allerdings die Schwäche der Industrie und des Baugewerbes zunehmend.

Risiken: Inlandsnachfrage jetzt vor Fachkräftemangel

Nahezu branchenübergreifend verdrängt die schwächelnde Inlandsnachfrage den Fachkräftemangel auf Platz zwei der am häufigsten genannten Geschäftsrisiken. Deutlich an Bedeutung gewonnen hat das Risiko steigender Arbeitskosten. Hier schlagen sich auch die infolge der Inflation in vielen Branchen deutlich gestiegenen Löhne und Gehälter nieder. Auf dem vierten Platz landen die Energiekosten, die aktuell für die Unternehmen zwar nicht mehr als ihr größtes Risiko angesehen werden, die aber einen massiven Wettbewerbsnachteil im Vergleich zu anderen Weltregionen bedeuten. Die Verlagerung von Investitionen in andere Wirtschaftsregionen ist mitunter auch hierdurch ausgelöst.

Investitionsmotive und Beschäftigungserwartungen

Die getrübten Geschäftserwartungen beeinflussen auch das Investitionsverhalten und die Beschäftigungsplanung der Betriebe. „Zins- und Kostensteigerungen sowie unsichere Perspektiven führen dazu, dass die Investitionsbereitschaft seit Jahresbeginn wieder rückläufig ist“, so Markus Beier, leitender Geschäftsführer der IHK Bezirkskammer Rems-Murr. „Bleibt zu hoffen, dass das geplante Wachstumschancengesetz schnell vom Bundestag verabschiedet wird und die erhoffte Wirkung in Hinblick auf die Investitionsbereitschaft entfaltet“. Wenn Unternehmen investieren, dann überwiegend in die Digitalisierung und Ersatzbeschaffung, aber auch zunehmend in Maßnahmen zur Energieeffizienz und zum Umweltschutz.
Wenngleich sich der Arbeitsmarkt noch stabil präsentiert, geht die aktuelle wirtschaftliche Lage auch an den Personalplanungen nicht spurlos vorbei. Über nahezu alle Branchen hinweg rechnen die Unternehmen derzeit nicht mit einem weiteren Beschäftigungsaufbau. Eine Ausnahme bilden die Unternehmen im Bereich Handel, die entgegen dem Trend eine leicht verbesserte Beschäftigungserwartung äußern. „Trotz allem ist Fachkräftesicherung und -entwicklung im Zeichen von demografischem Wandel und der Transformation in der Wirtschaft das Gebot der Stunde”, ist IHK-Präsident Paal überzeugt. „Nur mit gut aus- und weitergebildeten Beschäftigten kann die Transformation gelingen“. Deshalb müsse noch stärker in Aus- und Weiterbildung und eine strategische Personalplanung investiert werden.
Die Konjunkturauswertung für den Rems-Murr-Kreis basiert auf der Konjunkturumfrage der IHK Region Stuttgart, welche in der Zeit vom 15. September bis 06. Oktober 2023 stattgefunden hat. Darin eingeflossen sind 108 Antworten von Unternehmen aus dem Rems-Murr-Kreis. Die Ergebnisse der Konjunkturumfrage sind auf unserer Website abrufbar, erscheinen dreimal jährlich und spiegeln die Einschätzung der Wirtschaftslage zum Zeitpunkt des Abfragezeitraums wider.
Neu: IHK-Konjunkturboard Baden-Württemberg
Seit dem 23. Oktober 2023 bieten die baden-württembergischen IHKs interessierten Nutzern einen kostenlosen digitalen Zugang zu den aktuellen Konjunkturergebnissen für Baden-Württemberg und den Regionen unter https://konjunkturboard-bw.de .