Rechtsverbindliche elektronische Kommunikation von Sachverständigen mit Gerichten

“Qualifiziert elektronische Signatur” oder “Sicherer Übermittlungsweg”? Wir erklären, wie Sachverständige rechtsverbindlich elektronisch mit der Justiz kommunizieren können.

Rechtlicher Hintergrund

Der Sachverständigenbeweis hat in Gerichtsprozessen eine herausragende Bedeutung, §§ 402 ff. ZPO. Zur Sicherung des Sachverständigenbeweises sind öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige auf Anfrage von Gerichten zur Erstattung von Gutachten nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften verpflichtet.

Diese Pflicht ist für Sachverständige, die von der IHK zu Schwerin öffentlich bestellt und vereidigt sind, in § 11 Abs. 1 der Sachverständigenordnung verankert.

I. Der rechtswirksame Versand elektronischer Dokumente

Der Sachverständige kann, wie jeder andere am Prozess Beteiligte auch, Dokumente elektronisch bei Gericht einreichen. Der Versand elektronischer Dokumente richtet sich nach § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO:
Das elektronische Dokument muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden.“
Der Gesetzgeber ermöglicht damit zwei Arten, ein Dokument elektronisch bei Gericht einzureichen:
  • Dokument ist mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen
  • Dokument wird über einen sicheren Übermittlungsweg gesendet

Was ist eine “Qualifiziert elektronische Signatur”?

Eine qualifizierte elektronische Signatur („eqS“) ist eine Signatur, die nur durch eine Person verwendet werden kann. Die elektronische Signatur wird durch Verwendung einer PIN-geschützten Signaturkarte direkt in das Dokuemnt gesetzt. Bei der Zuteilung der Signaturkarte an den jeweiligen Sachverständigen wurde seine Identität geprüft. Damit wird gewährleistet, dass die Signatur im Dokument tatsächlich von dem angebenden Sachverständigen stammt.
Gemeinsam mit dem Partner DE-CODA bieten die IHKs Signaturkarten der D-TRUST (Bundesdruckerei) an.
Einen Überblick und Hilfe zur Einrichtung einer Signaturkarte erhalten Sie hier. Erfahrunsgsberichte finden Sie hier.

Was ist ein “sicherer Übermittlungsweg”?

Ein sicherer Übermittlungsweg ist ein Kommunikationskanal, der sich durch Authentizität und Vertraulichkeit kennzeichnet. Um über diesen Kanal zu kommunizieren, ist ein daran gekoppeltes und geeignetes Postfach nötig. Die Einrichtung und Nutzung des Postfaches ist nur mittels Identifizierung über den elektronischen Personalausweis (BundID) möglich. So ist gewährleistet, dass der Inhaber des Postfaches auch der tatsächliche Nutzer ist.
Auf die Art und Weise der Unterschrift kommt es nicht an. Es genügt, das Dokument mit dem Namen in einfacher Computerschrift zu versehen. Es muss nur deutlich aus dem Dokument hervorgehen, dass es sich nicht um einen Entwurf handelt, sondern dem Rechtsverkehr zugeführt werden soll.
Der augenscheinliche Vorteil eines Postfachs ist, dass sowohl der Versand als auch der Empfang elektronischer Dokumente möglich ist.
eqS sicherer Übermittlungsweg
Versand möglich
Versand und Empfang möglich

Geeignete Postfächer

Die zur sicheren Kommunikation geeigneten Postfächer sind das “Elektronische Bürger- und Organisationenpostfach” (eBO) und “MeinJustizPostfach” des Bundes (MJP). Das eBO wird durch verscheidene Anbieter realisiert.
Das richtige Postfach wählen
Das eBO und MJP basieren auf den Anmeldedaten und Nutzung des elektronischen Personalausweises ("BundID"). Dem Postfach wird grunsätzlich die Meldeadresse des jeweiligen Nutzers zugrunde gelegt.
Sachverständige, die sich zu einem Büro zusammen geschlossen haben, interessieren sich regelmäßig für ein einheitliches „Büro“-Postfach. Dies ist mit eBO möglich: Durch die Vorlage eines Registerauszuges beim Notar kann ein sogenanntes „adressneutrales“ eBO angelegt werden.
Die Nutzung eines eBO-Postfaches ist kostenpflichtig. Zu den beliebesten eBO-Anbietern zählen Governikus COM Vibilia eBO Edition, Mentana Gateway und Procilon eBO mit proDesk Framework 3.
Das MJP kann nur unter Verwendung der privaten Meldeadresse genutzt werden. Das Postfach wird durch den Anbieter Governikus realsiert und ist kostenfrei.
Woher wissen die Gerichte, welches Postfach ich nutze?
Bei der Registrierung wird jedem Nutzernamen eine elektronische Identitätsnummer zugeordnet, sogenannte “SAFE-ID”. Alle SAFE-ID zusammen bilden ein Verzeichnis. Die Gerichte können das Verzeichnis wie ein Adressbuch nutzen. Führen Sie bei einem eBO oder dem MJP ein Postfach, kann das entsprechende Gericht Sie als möglichen Adressaten über eine einfache Namenssuche finden.
Die SAFE-ID wird auch bei der Einsicht im Akteneinsichtsportal relevant.
Verschlüsselung
Nur bei der Nutzung eines der vorgestellten elektronischen Postfaches werden die gesendeten und empfangenen Nachrichten mittels Online-Services-Computer-Interface-Protokoll (OSCI) verschlüsselt. Dieser Protokollstandard garantiert Integrität, Authentizität, Vertraulichkeit und Nachweisbarkeit von Daten. OSCI ist der verbindliche Übermittlungsstandard für E-Government.
Bei der Nutzung einer qualifizierten elektronischen Signatur richtet sich die Datensicherheit nach dem gewählten Übertragungsanbieter.

Überblick: Vor-und Nachteile des eBo und MJP

eBO MJP
Vorteil Einrichtung eines „adressneutralen“ Postfaches möglich kostenlos
Verschlüsselung nach OSCI-Standard Verschlüsselung nach OSCI-Standard
Nachteil zahlungspflichtig ausschließlicher Nutzer ist der Sachverständige unter seiner Meldeadresse
Zusammenfassung: Rechtssicherer Versand elektronischer Dokumente
Der rechtssichere Versand elektronischer Dokumente an das Gericht ist auf zwei Arten möglich.
  • Das elektronische Dokument wird mit einer „qualifiziert elektronischen Signatur“ versehen. Die gewählte Kommunikationskanal ist für die Rechtswirksamkeit nicht relevant.
  • Das elektronische Dokument wird über einen „sicheren Übermittlungsweg“, z.B. eBO versendet. Auf eine bestimmte Art der Unterschrift kommt es nicht mehr an.

II. Pflicht zum rechtsverbindlichen Empfang elektronischer Dokumente

Auch Gerichte haben die Möglichkeit, Dokumente elektronisch zuzustellen. Der Gesetzgeber hat geregelt, dass Gerichte dazu einen sicheren Übermittlungsweg nutzen müssen, § 173 Abs. 1 ZPO:
"Ein elektronisches Dokument kann elektronisch nur auf einem sicheren Übermittlungsweg zugestellt werden."
Damit die Zustellung erfolgreich ist, muss auf Empfängerseite ein Postfach über den sicheren Übermittlungsweg bestehen. Personen, die in professioneller Eigenschaft regelmäßig am Prozess beteiligt sind, sind deswegen verpflichtet, ein geeignetes Postfach einzurichten, sogenannte "passive Nutzungspflicht". Der Gesetzgeber regelt ausdrücklich in § 173 Abs. 2 Nr. 1 ZPO:
"Einen sicheren Übermittlungsweg für die elektronische Zustellung eines elektronischen Dokuments haben zu eröffnen:
  1. Rechtsanwälte, Notare, Gerichtsvollzieher, Steuerberater sowie sonstige in professioneller Eigenschaft am Prozess beteiligte Personen, Vereinigungen und Organisationen, bei denen von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann…"
Diese Pflicht betrifft nach allgemeiner Ansicht auch die Sachverständigen. Zwar hat der Gesetzgeber die Beurteilung, ob Sachverständige zu dem Personenkreis der in professioneller Eigenschaft am Prozess beteiligten Personen zählen, den Gerichten überlassen. Diese gehen davon aus, dass insbesondere bei öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen von einer erhöhten Zuverlässigkeit auszugehen ist (OLG Hamm, Beschluss v. 01.07.2024, Az. 22 U 15/24; Anders/Gehle, § 173 Rn. 5; MüKo § 174 Rn. 4).

Zusammenfassung: Rechtssichere elektronische Kommunikation

Die elektronische Kommunikation richtet sich nach § 130a und § 173 ZPO.
  • Sachverständige sind verpflichtet, ein geeignetes Postfach über den sicheren Übermittlungsweg vorzuhalten, um die Zustellung elektronischer Justiz-Dokumente zu ermöglichen (passive Nutzungspflicht)
  • Zum Versand können Sachverständige ein Postfach über einen sicheren Übermittlungsweg nutzen oder das Dokument qualifiziert signieren und über einen anderen Übermittlungskanal übermitteln.
Versand, § 130a Abs. 3 ZPO
Empfang, § 173 ZPO
- qualifiziert elektronische Signatur
- sicheren Übermittlungsweg
sicherer Übermittlungsweg

Empfehlung der IHK zu Schwerin

Bisher müssen Sachverständige ein geeignetes Postfach vorhalten, weil sie zum elektronisch rechtsverbindlichen Empfang von Justizdokumenten verpflichtet sind, sogenannte “passive Nutzungspflicht”.
Die Einrichtung eines geeigneten Online-Postfaches könnte sich in darüber hinaus in lohnenswerter Weise fortsetzen.
Denn die Reformkommssion, welche im Auftrag der Justizministerinnen und Justizminster des Bundes und der Länder den "Zivilprozess der Zukunft" untersuchten, empfehlen in ihrem Abschlussbericht (Januar 2025) die Nutzung eines sicheren Übermittlungsweges auf den elektronischen Versand zu erstrecken (sog. „aktive Nutzungspflicht“).
Die IHK zu Schwerin empfielt deswegen, ein elektronisches Postfach einzurichten.