Brexit und Online-Handel

Das Zollrecht sieht vor, dass Einfuhranmeldungen nur von Unternehmen eingereicht werden können, die im Einfuhrstaat ansässig sind, was bedeutet, dass eine feste, dauerhafte betriebliche Einrichtung mit Personal im Vereinigten Königreich vorhanden sein muss. Dies ist, insbesondere bei Online-Händlern, oftmals nicht gegeben.

Einfuhranmeldung in Großbritannien

Eine Alternative hierzu kann eine “indirekte Vertretung” sein, bei der der Dienstleister (z.B. Spedition oder Zollvertreter) die Einfuhrmeldung beim britischen Zoll einreicht. Eine Übersicht der  Zollagenten kann auf einer → Webseite der britischen Regierung eingesehen werden oder vom → Export Verband heruntergeladen werden. Viele Dienstleister sind jedoch bereits stark ausgelastet.
Daher empfiehlt es sich zu prüfen, ob gegebenenfalls auch der Kunde im VK die Verzollung durchführen kann. Viele Firmen liefern an ihre Geschäftskunden unter dem Incoterm DDP nach Großbritannien (GB). Es empfiehlt sich, den Incoterm zu wechseln.
Eventuell gibt es auch eine Konzerngesellschaft im VK, die die Verzollung im Auftrag durchführen kann. Sonst müsste gegebenenfalls die Gründung einer Niederlassung oder Tochterfirma in Großbritannien in Betracht gezogen werden.

Weitere Neuerungen durch den Brexit

In jedem Fall muss eine UK VAT- und UK EORI-Nummer beantragt werden.
Auch die Nutzung eines Zollaufschubkontos ist ohne Ansässigkeit nicht möglich, aber bei Null-Zöllen
auch nicht erforderlich. Daher empfiehlt es sich, jeweils in der Access2Markets-Datenbank den Zollsatz zu prüfen.
Am 1.1.2021 hat das Vereinigte Königreich auf Antrag das “Reverse-Charge” für die Einfuhrumsatzsteuer
eingeführt.
Umsatzsteuerliche Vereinfachungsregeln, wie Konsignationslager, Dreiecksgeschäfte, oder Versandhandel sind allerdings nun nicht mehr möglich.
Die britische Regierung hat am 25. März 2021→ Hinweise für Unternehmen zu den Themen Zöllen und Steuern veröffentlicht. Diese Hinweise sind relevant für Unternehmen, die sich im UK mit einer Umsatzsteuer-Nummer registriert haben.

Sonderfall Nordirland

Nordirland (NI) verbleibt im Binnenmarkt der EU in Bezug auf Güter, was eine inländische Zollgrenze zwischen GB und NI mit sich bringt. Warenlieferungen von der EU nach NI werden als EU-Lieferungen behandelt. Der Kunde muss daher mit einer neuen GB XI VAT-Nummer auftreten.

Regelungen für Onlinemarktplätze

Die EU-weiten Vereinfachungen der Lieferschwellen im Versandhandel (35.000 Euro bzw. 100.000 Euro) sind für das Vereinigte Königreich zum 1. Januar 2021 weggefallen.
Exkurs: Innerhalb der EU stehen Änderung der umsatzsteuerlichen Behandlung im Versandhandel zum 1.7.2021 an. So wird das MOSS-Verfahren künftig für den Versandhandel ausgeweitet und die Lieferschwellen entfallen. Lesen Sie hierzu auch unseren Artikel zu Kleinsendungen aus Drittstaaten. Zudem wird bei Verkäufen über einen Online-Marktplatz (OMP) auch ein Reihengeschäft fingiert (Verkäufer – Onlinemarktplatz – Kunde, aber nur im Lager!). In den meisten Liefergeschäften mit OMP-Beteiligung soll künftig der OMP die Umsatzsteuer gegenüber den Finanzämtern schulden.
Großbritannien hat die neuen OMP-Regelungen bereits zum 1. Januar 2021 eingeführt, zusätzlichen zu den Änderungen durch den Brexit.

Direktverkauf im B2C-Geschäft

Für den Versandhandel aus der EU nach Großbritannien im B2C-Bereich im Direktverkauf über den eigenen Webshop (nicht OMP!) gilt seit dem 01.01.2021:
Für den Direktverkauf mit einem Bestellwert von bis zu 135 GBP gilt ein vereinfachtes Versandgeschäft
ohne Verzollungsvorgang. Der Versender stellt seine Rechnung mit britischer Umsatzsteuer aus und deklariert Umsatz auf britischer Steuererklärung.
Im Direktverkauf mit einem Bestelltwert von mehr als 135 GBP ist eine vorgelagerte Einfuhrabwicklung durch den Versanddienstleister erforderlich (Verzollung und Einfuhrversteuerung im Reverse-Charge-Verfahren). Darauf folgt die Lieferung mit Umsatzsteuer.
Beim Direktverkauf aus einem eigenen Lager in GB gilt vom Bestellwert unabhängig die Abwicklung nach Konsignationslagerregelung, das heißt Einfuhr und Einlagerung, daraufhin Verkauf mit Umsatzsteuer (aber nicht über OMP).
Prinzipiell gilt: Jeder Verkauf aus der EU unterliegt künftig der britischen VAT.

B2C-Handel über Onlinemarktplatz

Für den Versandhandel aus der EU nach Großbritannien im B2C-Geschäft über einen OMP gilt seit dem 01.01.2021 folgende umsatzsteuerliche Behandlung (fingiertes Reihengeschäft):
Bei einem OMP-Versandverkauf mit Direktlieferung aus der EU ist der Verkäufer für die Einfuhr in GB verantwortlich und stellt dann auch selbst die Umsatzsteuer beim Verkauf in Rechnung. Der OMP berechnet Gebühr. Die 135 GBP-Grenze gilt auch hier für die Zollvereinfachung.
Für den OMP-Verkauf mit Lagerhaltung in GB ist eine vorgelagerte Einfuhrabwicklung durch den Versanddienstleister erforderlich (Verzollung und Einfuhrversteuerung im Reverse-Charge-Verfahren). Daraufhin erfolgt dann die Einlagerung beim OMP. Der OMP berechnet die Umsatzsteuer beim Verkauf und der Versender stellt dem OMP den Netto-Warenwert ohne Umsatzsteuer in Rechnung (Fulfilment).
Das unter “Weitere Informationen” abrufbare Merkblatt der AHK Großbritannien (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 301 KB) stellt die Zusammenhänge übersichtlich dar und definiert noch einmal die einzelnen Sachverhalte.

Sonderfall Nordirland

Nordirland bleibt im EU-Binnenmarkt mit der EU, somit ist eine  innergemeinschaftliche Lieferungen möglich.
Nordirische Unternehmen haben eine UK XI VAT-ID für die Zusammenfassende Meldung. Es erfolgt keine Verzollung oder Versteuerung bei Direktverkauf aus der EU nach NI.
Achtung: bei der Lieferung über GB nach Nordirland ist die Zollgrenze zwischen GB und NI mit besonderen Zollanforderungen zu beachten. Aus umsatzsteuerlicher Sicht ist dies eine Inlandslieferung mit UK VAT.
Die britische Regierung hat am 4. März 2021 ihren → Leitfaden für Unternehmen aktualisiert, die Sendungen von Großbritannien nach Nordirland mithilfe eines britischen Zustelldienstes verschicken. Demnach seien Zollerklärungen notwendig, wenn die Waren von einem Unternehmen an ein anderes Unternehmen versandt werden und der Wert der Ware 135 britische Pfund übersteige.