Energiegipfel MV – Ergebnisse, Erwartungen und Ausblick
Einspeisen, einsparen und entlasten - mit diesen zentralen Schlagworten eröffnete Ministerpräsidentin Manuela Schwesig den ersten Energiegipfels Mecklenburg-Vorpommern. Ende August dieses Jahres.
Die Landesregierung sowie Vertreterinnen und Vertreter nahezu aller wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interessengruppen trafen sich zum offenen Austausch. Am Ende stand ein erstes, neun Seiten umfassendes, aber längst nicht alles berücksichtigendes Ergebnispapier. Zu umfangreich sind die aktuellen Herausforderungen. (Die Forderungen und die Abschlusserklärung stehen Ihnen im PDF-Format unter “Weitere Informationen” zur Verfügung.)
Die Erwartungshaltungen waren hoch. Bereits im Vorfeld gab es Forderungen und Wünsche einer Vielzahl von Interessenvertretern. Nicht alles kann und muss der Staat richten. Auf diesem Gipfel musste daher das realistisch Machbare und auch das Finanzierbare herausgearbeitet werden. Am Ende stand ein zu erwartendes Kompromisspapier.
Aus Sicht der Interessenvertreter der gewerblichen Wirtschaft hatten die drei Industrie- und Handelskammern in Mecklenburg-Vorpommern (IHKs in MV) mehr Mut erwartet, Impulse für die Zukunft zu setzen.
Sicherlich sind die vor uns liegenden beiden Winter- und Heizperioden mit den dann hohen zusätzlichen Gasverbräuchen ein zentraler Aspekt.
Einsparen und Einspeisen sind kurz- und mittelfristige Ansätze. Mittel- bis langfristig muss aber auch die Abhängigkeit von Importen fossiler Energien drastisch reduziert werden. Abkommen wie jüngst zwischen Deutschland und Kanada zeigen den Weg in die richtige Richtung:
- Reduzierung von Abhängigkeiten, CO2-Reduzierung und Vermeidung von „Klumpenrisiken“.
Dies sind geopolitisch wichtige Schritte. Sie überlagern jedoch die Chancen, die Mecklenburg-Vorpommern gemeinsam mit den norddeutschen Ländern haben: Ausbau der Erneuerbaren Energien (EEG), stärkere Nutzung dieser eigenen Rohstoffe in der Breite, Ausbau der Wertschöpfungsketten und letztlich die Steigerung der Wertschöpfung. Diese Aspekte klangen beim ersten Energiegipfel eher am Rande an, werden aber in der kommenden Zeit umso dringlicher zu beraten und anzugehen sein!
Die Ergebnisse
Drei zentrale Herausforderungen sind die Kernaussagen des Energiegipfels:
- Um ausfallemde Erdgaslieferungen zu ersetzen und die Energieversorgung sicherzustellen, müssen kurzfristig andere Energiequellen erschlossen und die Erneuerbaren Energien stärker ausgebaut werden.
- Zugleich müssen wir Energie einsparen und den Energieverbrauch senken.
- Die Auswirkungen steigender Energiepreise müssen abgemildert werden. Die Planungssicherheit ist entscheidend und es wurde die Einführung eines „Energiepreisdeckels“ für Deutschland gefordert.
Unterstützungen für die Wirtschaft
Im Ergebnispapier des Energiegipfels finden sich unter der Ziffer 3.2 Formulierungen zur Unterstützung für Unternehmen und andere Einrichtungen. Bei der Verfassung der gemeinsamen Forderungen und Anregungen der IHKs in MV ging es nicht um eine monetäre Unterstützung der Wirtschaft. Zahlreiche „Hemmschuhe“ gilt es zu beseitigen und wurden lösungsorientiert präsentiert. Einiges findet sich im Ergebnispapier wieder. Vieles ist noch offen und anzugehen. Das Fazit nach dem ersten Gipfel: Es bedarf eines gesonderten Gipfels nur zu den drängenden Themen der Wirtschaft! Die steigenden Rohstoff- und Energiepreise, die Lieferkettenproblematik oder auch die steigenden Personalkosten führten zu einer zentralen Aussage des IHK-Präsidenten Matthias Belke beim Gipfel: Viele Geschäftsmodelle seien gefährdet! Ob genügend Energie verfügbar ist, wird sich in den beiden kommenden Wintern zeigen. Entscheidend sei aber auch, zu welchen Preisen eine Verfügbarkeit gegeben ist.
Auf dem Gipfel wurde weitgehend der Blick nach Berlin gerichtet. Der Bund sei beim Erhalt der Wirtschaft gefordert. Steuer- und abgabenfreie Sonderzahlungen an die Belegschaft ist ein sozialpolitischer Aspekt, der jedoch keine Geschäftsmodelle sichert. Immerhin stellt MV einen Bürgschaftsrahmen und bietet Rückbürgschafts- und Rückgarantien für besonders betroffene Unternehmen an. Daneben wurde in der Abschlusserklärung aufgenommen, über das Klimaschutzministerium für Energieeffizienzmaßnahmen 82 Mio. Euro einzusetzen. Konkrete und fassbarere Maßnahmen waren beim ersten Energiegipfel nicht abbildbar, wurden aber durch die Wirtschaftskammern (IHKs und HWKs) bereits im Vorfeld klar formuliert. Die Gespräche mit der Landesregierung müssen fortgesetzt werden!
Energieimporte
Die Standorte Lubmin und Rostock sollen für die Anlandung von Energie ausgebaut werden. Diese Forderung ist bei weitem nicht neu und wurde bereits vor Jahren im Maritimen Ausschuss des Landes durch die drei IHKs debattiert: Ausbau der Häfen zu Energiehäfen, Nutzung der teilweise vorhandenen nahen Infrastruktur. Erst seit der sogenannten Gaskrise besinnen sich Viele in Deutschland der Möglichkeiten zur Anlandung von Energie über die Häfen. Die Nutzung der Gasleitungsinfrastruktur und die aktuelle Notwendigkeit der Öllieferungen via Schiff nach Mitteldeutschland sind unbestrittene Optionen. Wesentlicher wird jedoch sein, dies lediglich als Brückentechnologie zu betrachten. Wir müssen bereits heute angehen, was zukünftig statt der fossilen Energieträger eingesetzt werden kann. Die Klimaziele der EU und des Bundes sind klar formuliert und es stehen erhebliche Anforderungen an. Dabei reicht es nicht aus, im Ergebnispapier Lubmin als Ort für „zusätzliche Chancen für Energieprojekte der Zukunft, beispielsweise Wasserstoff“ zu benennen. Zukunftsweisende Energieprojekte kann und muss es ohne eine Vorfestlegung auf einige wenige Standorte landesweit geben. Will das Land bis 2040 die Klimaneutralität erreichen, muss deutlich mehr geschehen!
Lösungsansatz: Ausbau und Nutzung erneuerbarer Energien
Das Land MV und die Teilnehmer des Energiegipfels sehen die Stärkung der Energieversorgung zur Erreichung der Klimaneutralität als überragenden Faktor. Der Ausbau der EEG und der Netze rückt insoweit klar in den Fokus. Eine Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren ist dringlich. Aber dies soll von der personellen Besetzung abhängen. Die IHKs in MV hatten deshalb gefordert, die Rechtslage anzupassen, um Verfahren zu verschlanken und auch so deutliche Beschleunigungen zu erreichen. Dazu gehören
- der Abbau von Restriktionen,
- Fristverkürzungen,
- die Beteiligungsrechte den aktuellen Erfordernissen anzupassen bis hin zu
- Genehmigungsfiktionen.
Soll die Eigenenergieerzeugung fossile Energieträger ersetzen, um so unabhängiger von Drittlieferungen zu werden, die Klimaziele erreicht und Energie preisgünstig und sicher gestaltet werden, dann muss
Energie als Gemeinwohlstaatsprinzip im überragenden Interesse definiert werden. Das Bekenntnis der Privilegierung im Abschlusstext kann dazu die Brücke sein.
Positiv ist auch die Übernahme der Forderung zum ressourcenschonenden
Ausbau der Photovoltaikanlagen (PVA) zu werten. Deutlich nachlegen müssen die beteiligten Ministerien hinsichtlich des Oberthemas „Grüne Gewerbegebiete“. Hier geht es weniger um deren Errichtung und Entwicklung, vielmehr hatten die IHKs in MV gefordert, quasi darum, die Herausforderung einer autarken Energieversorgung der bestehenden Gewerbegebiete unmittelbar um diese herum anzugehen. Dort besteht die Notwendigkeit der sicheren und preisgünstigen Energieversorgung. Dort befindet sich die maßgebliche Wertschöpfung und dort besteht der zentrale Handlungsbedarf. Aus den bestehenden Gewerbegebieten heraus wurde gefordert, über die Schaffung aller Möglichkeiten der Eigenenergieversorgung durch die Betriebe nachzudenken. Alle Möglichkeiten sollten dabei genutzt werden,
vor Ort unabhängig von Börsenkursen Energie zu erzeugen und zu verwerten. Der Begriff des sogenannten „Energiegürtel“ wurde in diesem Zusammenhang durch die IHKs in MV geprägt. Die IHKs berufen sich insoweit auf die bereits bestehenden Formulierungen im aktuellen Koalitionsvertrag. In den Ziffern 705 ff wurde bereits formuliert, was nun im Ergebnispapier steht.
Wasserstoffstrategie MV
Ebenso kritisch bewertet die Wirtschaft das Ziel der Erarbeitung einer
Wasserstoffstrategie für MV, hingegen ist der Ansatz zur Verbesserung der Zusammenarbeit der Akteure positiv. Mit dem Netzwerk Energie- und Wasserstoffcluster MV existiert ein solches Netzwerk, an dem sich auch die IHK zu Schwerin beteiligt. Die landesweite und auch norddeutschlandweite Vernetzung ist sicherlich ausbaufähig. Aber es braucht keine eigene und über Jahre zu erarbeitende Wasserstoffstrategie MV, denn die
Wasserstoffstrategie Norddeutschland wurde auch unter Beteiligung des Landes Mecklenburg-Vorpommern erarbeitet.
Ein Konsens aller norddeutschen Länder liegt längst vor und alle hatten sich in den Sitzungen der Küstenwirtschafts- und Verkehrsministerkonferenzen (KüWiVerMinKo) für diese gemeinsame Strategie ausgesprochen. Die Beispiele in den anderen Ländern zeigen: Die Umsetzung hat dort längst begonnen! Außerdem liegen etliche weitere Strategien des Bundes und der EU-Kommission vor. Und nicht zuletzt die Studie der BÖLKOW-Systemtechnik GmbH aus Ottobrunn aus dem Herbst 2019 hat klare Aussagen und Handlungsempfehlungen getroffen. Es bedarf keiner neuen Strategie. Vielmehr einer Umsetzung dessen, was auf dem Tisch liegt! Das kann die zentrale Aufgabe einer Wasserstofftransferstelle MV sein.