Herausforderungen der Logistik

Strategien, die bewegen

Die Aufkündigung von Handelsabkommen, die digitale Transformation und der Fachkräftemangel treiben Schleswig-Holsteins Unternehmen um. Auch die Speditions- und Logistikbranche muss sich Herausforderungen stellen, die so vielfältig sind wie die Transportketten vom Norden Deutschlands in die Welt. In Brunsbüttel, Norderstedt und Neumünster gibt es Spediteure, die kluge Strategien auf Lager haben.
Entlang der B 5 nach Brunsbüttel stehen sie links und rechts aufgereiht - Windkraftanlagen. Nimmt der Hersteller eine solche Anlage weltweit in Betrieb, hat die internationale Spedition F. A. Kruse jun. als Zentrallogistiker das Starter-Kit geplant, gepackt und geliefert.
"Mit der Firmengründung 1902 wurde uns die kaiserliche Post anvertraut - heute als Logistik-Systemdienstleister sind es Produkte der chemischen Industrie und der Windindustrie", fasst Friedrich A. Kruse jun., Mitglied der Geschäftsleitung, die dynamische Unternehmensgeschichte zusammen.
​​​​​​​Dynamik ist bei den Kruses ein gelebter Unternehmenswert, davon zeugen nicht nur die monatlich 591.154 gefahrenen Kilometer der Lkw-Flotte. Weiter Fahrt aufnehmen will das Unternehmen durch gewonnene Kontakte und Impulse der Delegationsreise. "An China kommt man nicht vorbei. Aber die Goldgräberstimmung ist bereits verebbt", berichtet Kruse von seinen Eindrücken an der Seite von Ministerpräsident Daniel Günther. Eine unterzeichnete Absichtserklärung hatte er auf der Rückreise im Gepäck.
"Wer mitwachsen will, muss den chinesischen Markt erschließen. Dafür müssten wir das Bahngeschäft aktivieren“, resümiert der Logistiker die strategischen Überlegungen. Vielleicht endet die als "neue Seidenstraße" bezeichnete Bahnstrecke aus China dann eines Tages in Brunsbüttel.
Papierloser Transport
In Sichtweite der Büros der Ipsen Logistics GmbH in Norderstedt starten Flugzeuge, deren Passagiere online gebucht und papierlos eingecheckt haben. "Was Privatpersonen ganz selbstverständlich nutzen, ist in der Luftfracht noch nicht unbedingt immer gelebter Alltag", berichtet Robert Stahlschmidt, Niederlassungsleiter bei Ipsen Logistics.
"In puncto E-Freight, also einem komplett papierlosen Transportprozess, stehen wir erst ganz am Anfang." Ob Dokumente für die Zollabwicklung, Lizenzen, Genehmigungen oder Ursprungszeugnisse - Behörden und auch viele Kunden wünschen sich weiter eine Abwicklung alter Schule auf Papier.
Doch erste Schritte in Richtung Vernetzung sind gemacht: Buchungen bei Airlines und Reedereien werden direkt in die EDI (Electronic Data Interchange) der Partner eingepflegt und Online-Plattformen wie gurucargo oder freighthub sind auf dem Vormarsch.
"Man testet aktuell neue Möglichkeiten. Auf Online-Marktplätzen werden heutzutage bereits Tageskapazitäten angeboten", berichtet Stahlschmidt. Für das Kerngeschäft - unter anderem Luft- und Seefrachten in die USA sowie Einfuhren aus Fernost - sieht er noch weiteres Digitalisierungspotenzial. "Wir investieren immer schneller, denn die Halbwertzeiten von Software sinken rapide." Dennoch gibt es Aufträge, die wohl nie papierlos oder digital abzuwickeln sind. Bestes Beispiel: Die lebenden Falken, die Ipsen Logistics in die arabische Welt versendet.
Fachkräfte aus Kroatien
Hinter dem Outlet-Center in Neumünster beginnt eine gelbe Welt. Lkw von DHL und der Herbert Voigt GmbH & Co. KG prägen das Bild auf den Straßen und angrenzenden Logistikflächen. Auf den branchenweiten Fachkräftemangel hat Voigt Logistik eine internationale Antwort gefunden: "Wir haben in diesem Frühjahr acht Männer aus Kroatien als Mitarbeiter gewinnen können", berichtet Holger Matzen, Vertriebsleiter Kontraktlogistik. Die Idee dazu hatte der Geschäftsführer gemeinsam mit einem kroatischen Freund. Die Männer waren teilweise bereits als Kraftfahrer in ihrer Heimat tätig, mussten jedoch die deutsche Sprache lernen.
"Wir haben investiert und die Männer sechs Wochen zur selbstorganisierten Sprachschule im eigenen Haus geschickt. Anschließend haben sie sechs Wochen halbtags den Klassenraum gegen die Fahrerkabine getauscht und unsere Fahrer begleitet", beschreibt Holger Matzen das Pilotprojekt.
Die erforderliche Alltags- und Fachsprache wurde so gleichermaßen geübt. Seit Mitte August gehören die acht Kroaten zum rund hundertköpfigen Fahrerteam bei Voigt Logistik. Das Unternehmen weiß um ihren Wert und unterstützte die Zugezogenen unter anderem bei der Wohnungssuche. "Das Projekt war ein voller Erfolg. Wir können uns eine Wiederholung gut vorstellen", bilanzierte Holger Matzen. Alle acht Fahrer sind noch an Bord.
Alexandra Thom
Veröffentlicht am 1. November 2018