Pellworm, Ockholm und Sörup

Erfolgreich auf dem Land

Links die Nordsee, rechts die Ostsee und dazwischen ein grünes Binnenland. Was der ländliche Raum für Unternehmen bietet, zeigen ein Hotel auf Pellworm, eine Marketingagentur in Ockholm und ein Pharmazulieferer in Sörup.
Ein Hotel in Berlin zu eröffnen, sei wegen hoher Kosten fast unmöglich. „Zudem ist es schwierig, herauszustechen – die Menge an Hotels macht es nicht leicht“, sagt Fabian Komorowski, Geschäftsführer des MeerLand Hotels auf Pellworm. Deshalb entschieden er und seine Eltern, einen geeigneten Standort in Norddeutschland zu suchen.
„Es war schon immer unser Traum, am Wasser zu leben. Schleswig- Holstein ist mit Nord- und Ostsee ein großartiges Urlaubsland“, so der Wahl-Nordfriese. Das konnte er bereits nach seiner Ausbildung zum Hotelfachmann feststellen, als er für ein anderes Haus in Husum arbeitete. Auf der Nordseeinsel sehen sie großes Potenzial. „Bisher gehört Pellworm zu den weniger touristischen Reisezielen. Dabei bietet die Insel mitten im Schleswig-Holsteinischen Wattenmeer und seit Kurzem als Teil des Biosphärenreservats viele Chancen für einen sanften Tourismus“, so der Geschäftsführer.
Herausforderungen bringe das Inselleben mit sich. „Kurzfristig etwa Lebensmittel zu bekommen oder Handwerksbetriebe zu finden, ist schwierig. Die Personalsuche ist auch nicht leicht“, sagt Fabian Komorowski. Die Familie versucht dennoch positiv zu bleiben und kreative Lösungen in Problemsituationen zu finden. Er erklärt: „Unsere Mitarbeitenden unterstützen uns sehr. Das Leben auf dem Land ist deutlich angenehmer, da Zusammenhalt hier noch einen höheren Stellenwert hat.“
Das erste Jahr war lehrreich. „Das Buchungsverhalten der Gäste hat sich verändert – kurzfristige Buchungen haben stark zugenommen. Das erschwert die Planungssicherheit“, so der gelernte Hotelfachmann. Die Familie hält es für notwendig, Strategien zu entwickeln, Betriebsabläufe zu verbessern und modernere Technologien einzusetzen, um rentabler zu werden. Zudem möchten sie mehr in das Personal investieren, um die Qualität ihrer Services zu steigern. „Es macht uns sehr viel Spaß, hier in unserem eigenen Hotel zu arbeiten. Deshalb wollen wir unsere ganze Kraft in das Herzensprojekt stecken.“

© Hundertblicke/Magdalena Stockschläder
Solch ein Projekt hat auch Julia Nissen umgesetzt, die Gründerin und Geschäftsführerin der Klönstedt Agentur. Zusammen mit ihrem Team erstellt sie Konzepte und Planungen, kümmert sich um Design und Gestaltung und übernimmt das Online-Marketing für Unternehmen. Angefangen hat alles mit Kooperationen durch ihren Social-Media-Account „Deichdeern“.
„Die Nachfrage von Betrieben ist stetig gewachsen. Das konnte ich allein nicht mehr leisten. Vergangenes Jahr habe ich dann den Schritt gewagt, und mittlerweile sind wir ein zehnköpfiges Team“, so Nissen. Ihr Ziel: eine Brücke zwischen Land und Stadt bauen. „Im Austausch mit Freunden und Bekannten, die schon immer oder sehr lange in der Stadt leben, habe ich eine große Distanz festgestellt. Sie nehmen den ländlichen Raum ganz anders wahr – zum Teil auch sehr negativ“, sagt die „Landfluencerin“.


Hier gibt es alles zwischen Büttenwarder und Silicon Valley – ich möchte gerne zeigen, wie facettenreich die Region ist.

Julia Nissen, Klönstedt GmbH

Schleswig-Holstein biete aber viele Vorteile für Unternehmen und Beschäftigte, so Nissen. „Die Lebenshaltungskosten sind im Vergleich sehr niedrig. Es überzeugt vielfach mit seiner Familienfreundlichkeit durch flexible Arbeitszeiten und -modelle sowie Zuschüsse – letzteres gab es in meiner Zeit in Berlin beispielsweise nicht. Und dank unserer erneuerbaren Energien ist das Datennetz gut ausgebaut“, erklärt sie. Durch den engen Austausch mit Führungskräften und als Unternehmerin weiß sie aber auch um die Herausforderungen: Neben dem Personalmangel sei das vor allem die Anbindung. „Derzeit ist fast jeder auf ein eigenes Auto angewiesen. Da Alternativen zu bieten, würde den Standort attraktiver machen“, so die Marketingexpertin.
Mit ihrer Arbeit möchte sie die Vorbehalte abbauen und zeigen, wie chancenreich der ländliche Raum ist: „Hier gibt es alles zwischen Büttenwarder und Silicon Valley – ich möchte gerne zeigen, wie facettenreich die Region ist.“
Dazu trägt seit über 25 Jahren die Atec Pharmatechnik GmbH aus Sörup bei. Der Marktführer produziert Stopfenbehandlungsanlagen und Komponenten zur Sterilisierung von Verschlusstopfen, die etwa für Impfdosen oder Spritzen benötigt werden – und das für den Weltmarkt. „Mit unseren Produkten beliefern wir die Top-Ten-Unternehmen der Pharmaindustrie weltweit“, sagt Geschäftsführer Dr. Marcus Michel. „Im Ausland haben wir Niederlassungen für Service und Verkauf. Die Entwicklung und Fertigung findet ausschließlich hier im Norden statt, um unseren hohen Technologieanspruch zu gewährleisten.“
Als einen großen Vorteil des ländlichen Raums sieht er den Platz. „Derzeit investieren wir einen zweistelligen Millionenbetrag für einen hochmodernen Neubau zur Fertigung und Werksabnahme unserer Maschinen. Es ist wichtig, sich weiterzuentwickeln und zu modernisieren. Sörup ermöglicht uns das“, sagt der promovierte Ingenieur. Durch die Nähe zur A 7 ist zudem eine schnelle Anbindung Richtung Hamburg vorhanden. „Das erleichtert den Transport unserer Anlagen, die vorwiegend per See- und Luftfracht ins Ausland gehen. Und auch unsere internationalen Kunden sind für Funktionstests und Werksabnahmen schnell vor Ort“, erklärt er.
Bei uns heißt es ‚Aus Sörup in die Welt‘.

Dr. Marcus Michel, Atec Pharmatechnik GmbH

Die Verbundenheit zur Region zeigt sich auch beim Personal. „Ein Großteil unserer Mitarbeitenden kommt aus der unmittelbaren Umgebung. Teilweise stammen sie aus denselben Familien. Das beeinflusst das Miteinander im Betrieb positiv“, so Michel. Die Nähe zu den Hochschulen sei ein weiterer Vorteil, um qualifiziertes Personal zu finden. Langfristig reiche aber auch das nicht aus: „Als international agierendes Unternehmen arbeiten wir bereits multinational zusammen. Das bietet Chancen, auch vor Ort diverser zu werden.“ Das Ziel: Durch die internationale Arbeit regional profitieren. „Bei uns heißt es ‚Aus Sörup in die Welt‘ – dabei soll es auch bleiben“, so Michel.

Joana Detlefs