Kiel: Kiezgröße in der Holstenstraße

Eine Heimat in der Innenstadt

Seit 2022 sucht Kiel-Marketing e.V. nach Kiezgrößen: Im Rahmen der Quartiersprofilierung soll die Kieler Innenstadt revitalisiert und transformiert werden. Eine Kiezgröße ist derHeimathafen – Inhaber Andreas und Sabine Zwanck berichten von ihrem Konzept.
Zehn Jahre in einer Bäckerei hatte Andreas Zwanck hinter sich, als er und seine Frau Sabine beschlossen, einen eigenen Laden zu eröffnen. Allerdings keine Bäckerei: Am Schülperbaum in Kiel entstand 2015 auf 30 Quadratmetern ein Geschäft mit Fokus auf nachhaltige Produkte und Bio-Weine. Heute hat derHeimathafen einen neuen Standort in der oberen Holstenstraße gefunden. Das Angebot ist hundertprozentig nachhaltig. Bio-Weine, Spirituosen, Bio-Feinkost, Naturkosmetik, Craftbier, Schallplatten und Vintage-Produkte reihen sich aneinander, dazu gibt es Events. Der Mix geht auf, finden die Inhaber: „Wir beraten zu allen Artikeln leidenschaftlich gerne, vor allem zu den transparenten Inhaltsstoffen aus natürlichen Kreisläufen“, sagt Andreas Zwanck. Die Veranstaltungen locken meist rund 25 Gäste an. Neben Wein und Events sind es die Spirituosen und das große Angebot an Schallplatten, die den Hauptumsatz sichern. Zu wissen, woher jeder der rund 1.000 Artikel von 60 verschiedenen Lieferanten kommt und was er beinhaltet, ist für die Zwancks ein Selbstverständnis.
Das Mixed-Use-Konzept setzte sich im März 2022 gegen acht Bewerbungen im Rahmen des Wettbewerbs Kiezgröße gesucht durch und öffnete im Mai desselben Jahres seine Türen. Seitdem hat sich viel getan: „Es war eine Challenge, von 30 auf 400 Quadratmeter umzuziehen“, sagt Andreas Zwanck. „Wir arbeiten sieben Tage die Woche mindestens zehn Stunden. Denn in der Innenstadt braucht es mehr als nur den Fokus auf den eigenen Laden.“ Die Zwancks wollen etwas bewegen, Teil der Transformation zu mehr Nutzungsvielfalt sein. „Es geht nicht mehr nur darum, etwas zu verkaufen. Wir machen unseren Laden stattdessen zu einem Dritten Ort.“ Ein sogenannter Dritter Ort ist neben dem Zuhause und dem Arbeitsplatz ein Ort, um Menschen zu treffen, zu entspannen, einzukaufen, etwas zu erleben.
Daher streben viele Anlieger der Innenstädte danach, neben dem Konsum auch soziale und kulturelle Erlebnisse anzubieten. Andreas und Sabine Zwanck versuchen es mit Weinproben, Spirituosen-Tastings, einer Spielecke für Kinder und einem Tischkicker. „Wir verstehen uns als Reallabor für den Einzelhandel der Zukunft“, sagt Sabine Zwanck. „Jeder kann reinkommen und sich hier aufhalten. Mit Aufenthaltsqualität kann man als stationärer Handel gegenüber dem digitalen Handel viel erreichen.“ Ideal, dass die Inhaber dabei für ihre Heimatstadt Kiel brennen. „Am Narrativ, dass Kiel eine herrliche Stadt ist, halten wir fest, weil wir die Begeisterung für diese Stadt leben. Und wer wirklich will, kann in Kiel so viel mitgestalten, mitmachen und sich informieren.“ Bestes Beispiel ist das Bevölkerungsvoting, das der Kiezgröße-Wettbewerb nutzt: Neben einer Fachjury durften auch Bürgerinnen und Bürger sich aktiv an der Suche der Kiezgrößen beteiligen. So erzielte zum Beispiel derHeimathafen 634 Stimmen aus der Bevölkerung, doppelt so viel wie das zweitplatzierte Konzept.
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© VierEcken Medienproduktion
Damit die Innenstadt funktioniert, müssen alle Player zusammenarbeiten, und es brauche Verständnis für die Gegenseite, betont das Händler-Ehepaar. „Wir lernen täglich, wie unsere Ladennachbarn ticken, wie Verwaltung und Stadtmarketing arbeiten, mit welchen Visionen die Politik die Kieler Innenstadt sieht. Eine bunte Gemengelage, in der es unbedingt Akzeptanz braucht“, so Andreas Zwanck. „Es wird viel für Kiel getan, sei es durch Beschlüsse oder Gelder. In anderen Städten jedoch weiß man, dass man Kieler Ideen nicht umsetzen oder finanzieren kann.“ Der Umbau der Kieler Innenstadt, der Fokus auf 2042, die Anbindung des Ostufers, die Stadtbahn – Projekte, die Herausforderung für den Einzelhandel im Zentrum darstellen werden, so Zwanck.
Das Gewinnerkonzept des ersten Kiezgröße-Wettbewerbs wurde realisiert mit Geldern aus dem Fördertopf des Innenstadtprogramms der Landeszentrenförderung und einem Eigenanteil der Stadt. Die Fläche mietet Ehepaar Zwanck zu vergünstigten Konditionen. „Kleine lokale Unternehmen sollen so die Chance erhalten, in bester Lage ihre Konzepte anzubieten und die Innenstadt maßgeblich zu beleben“, sagt Innenstadt-Managerin Janine Streu von Kiel-Marketing e.V. Der Förderzeitraum für den Standort der Kiezgröße derHeimathafen endet im Februar 2024. Verlängern wird Ehepaar Zwanck ihren Vertrag dann nicht, die Realmiete ist für sie nicht tragbar. „Rein betriebswirtschaftlich hat der Standort für uns keine Zukunft. Bis 2026 wird zudem in der Holstenstraße sehr viel gebaut. Wir können uns vor diesem Hintergrund leider nicht vorstellen, unser Geschäft weiter so zu führen, wie wir es gerne möchten.“ Während die Zwancks ihre Zukunft auf sich zukommen lassen, muss die Kieler Innenstadt hingegen dringend Maßstäbe setzen, um innovative Handelskonzepte zu halten.