Nachfolge im Notfall

Wenn der Chef ausfällt

Eine Story wie aus einem Krimi: Ein Unternehmer verstirbt überraschend und hinterlässt keine Vollmachten. Das Unternehmen ist handlungsunfähig, Gehälter können nicht ausgezahlt, der Betrieb nicht weitergeführt werden. Ein Nachlasspfleger soll retten, was zu retten ist. Wie wichtig Vorkehrungen für den Notfall sind, zeigt dieses reale Beispiel aus Lübeck.
Plötzlich und unerwartet zwischen den Feiertagen verstorben - die Nachricht vom Tod ihres Chefs trifft die 13 Mitarbeiter des Kurierdienstes wie ein Schock. Gerechnet hatte damit niemand, Ende 40 war der Geschäftsführer des Unternehmens und zuvor nie ernsthaft krank. Der zweite Schock: Der Inhaber hat keine Regelungen für den Notfall hinterlassen, die Rechner und Konten sind passwortgeschützt, das Unternehmen führerlos. Gleichzeitig müssen die Angestellten bezahlt und Verträge mit einem Großkunden eingehalten werden. Die Mitarbeiter können zwar noch gut eine Woche Pakete ausliefern, aber spätestens als das Geld zum Betanken der Fahrzeuge fehlt, droht der Betrieb zusammenzubrechen.
Vollmachten
Die wenigen Angehörigen sind überfordert und wenden sich an die IHK zu Lübeck. "In einem Gespräch haben wir die Situation für den Betrieb erörtert, den Angehörigen die Herausforderungen deutlich gemacht und die weiteren Schritte aufgezeigt. Aufgrund der Komplexität musste schnell jemand gefunden werden, der das Unternehmen handlungsfähig hält", sagt Annika Körlin, IHK-Referentin für Unternehmensnachfolge. Hagen Goldbeck von der neue impulse Lübeck GmbH & Co. KG übernimmt den Fall und kann als amtlich bestellter Nachlasspfleger zwei Wochen nach dem Todesfall den Betrieb zunächst weiterführen. Goldbeck hat freie Handlungsvollmacht, ermittelt die Erben und sichtet, wie es um das Unternehmen bestellt ist. Das Ergebnis ist ernüchternd: Die zehn geleasten Fahrzeuge sind in einem desolaten Zustand und der Betrieb hat Verbindlichkeiten und Steuerschulden in Höhe von mehr als 80.000 Euro.
"Schnell war klar, dass wir keinen Erben oder Nachfolger finden. Also haben wir die Verträge weitervermittelt und alle Vermögenswerte veräußert", sagt Goldbeck. Etwa sechs Monate nach dem Todesfall löst der Unternehmensberater den Kleinbetrieb auf, vermittelt zuvor allen Mitarbeitern neue Jobs. Der extreme Fall zeigt, wie wichtig rechtzeitige Vorsorge ist. "Unternehmer müssen sich klarmachen: Was passiert mit meinen Konten, Mitarbeitern und Verträgen, wenn ich ausfalle? Sie sollten Vollmachten ausstellen - wie bei einer Patientenverfügung", sagt Goldbeck. Eine erste Hilfe kann das IHK-Notfall-Handbuch für Unternehmen sein, das wichtige Information und Formulare beinhaltet.
Benjamin Tietjen
Veröffentlicht am 4. Juli 2017