Zum Besuch von Bundeskanzler Scholz und Bundeswirtschaftsminister Habeck in Binz: Ohne Transparenz keine Akzeptanz

Binz, 20. April 2023. Beim heutigen Vor-Ort-Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck auf Rügen nehmen auch IHK-Präsident Klaus-Jürgen Strupp und Mathias Rohloff, Vorsitzender des Regionalausschusses für Vorpommern-Rügen der IHK zu Rostock an einer Gesprächsrunde mit den Regierungsvertretern teil. 
Vorab machte der IHK-Präsident deutlich, worauf es der regionalen Wirtschaft ankommt: "Akzeptanz kann nur bekommen, wer mit Transparenz vorausgeht. Daher ist es gut, dass sich der Kanzler und der Wirtschaftsminister nun dem Dialog mit der Bevölkerung von Rügen stellen und damit signalisieren, dass sie die Bedenken der Insulaner ernst nehmen. Die Petition mit über 50.000 Unterschriften gegen LNG vor Rügen war erfolgreich."
Der IHK-Präsident: "Die vielen Proteste und ablehnenden Stellungnahmen zum LNG-Vorhaben vor Rügen sowie die jüngst durch eine breite Initiative gestartete Bundestagspetition zur Aufhebung der LNG-Pläne vor Rügen zeigen deutlich, dass wir das Thema sehr ernst zu nehmen haben. Wenn unter anderem die vielen, seitens der Medien befragten Touristen in Zukunft der Insel den Rücken kehren, dann wird den Menschen und Unternehmen dort die Existenzgrundlage entzogen. Das darf der Region so nicht zugemutet werden. Der Petitionsausschuss des Bundestages ist gut beraten, sich mit diesen Bedenken auseinanderzusetzen."
Natürlich brauche auch die Wirtschaft Energie und seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine ist die Energieversorgungslage eine andere als zuvor. So dringend die Versorgung und Anbindung mit LNG als Ersatz für russisches Erdgas künftig für die deutsche Gasversorgung auch sein mag, sie sollte sich nicht negativ auf die wirtschaftliche, insbesondere touristische Entwicklung der Insel Rügen und andere benachbarten Küstenregionen auswirken. Solange nicht alle Alternativen geprüft wurden und die Kapazitätsfrage seitens der Bundesregierung offenbleibt, sollte vom Standort Rügen auch im Küstenumfeld möglichst weit Abstand genommen werden. Die Auswirkungen auf die Natur und den Tourismus im Umfeld der Insel Rügen seien als zu bedrohlich zu bewerten, als dass ein solches Risiko in Kauf genommen werden sollte.

Transparenz schaffen und Region mitnehmen

Eine wesentliche Ursache für den Unmut gegenüber dem Vorhaben bei Rügen sieht die IHK zu Rostock in der Intransparenz des Verfahrens. Neben den Bewohnerinnen und Bewohnern sehen sich auch viele Unternehmerinnen und Unternehmer Rügens nicht „mitgenommen“. Wichtige rechtzeitige Informationen und Dialoge sind zuvor ausgeblieben. Stattdessen werden seitens der Bundesregierung Tatsachen geschaffen, die so vorher nicht ausreichend kommuniziert worden sind wie beispielsweise der Medienberichten zufolge der bereits erfolgte Kauf von Nordstream-Röhren durch die Bundesregierung.
Klaus-Jürgen Strupp: „Wir erwarten, dass auch nach dem heutigen Tag zeitnah und regelmäßig klare und offene Gespräche seitens des Vorhabenträgers und der Bundesregierung unter Einbeziehung der Wirtschaft und Bevölkerung auf Rügen stattfinden. Wenn überhaupt, kann nur so eine Lösung erzielt werden, die auf der Insel eine Chance auf Akzeptanz hat.“

LNG-Bedarf hinterfragen und auf Wasserstoff setzen

Der IHK-Präsident: „Die IHK fordert von der Bundesregierung vor der Fortsetzung der weiteren Planungen vor Rügen zunächst den klaren Nachweis für die zwingende Notwendigkeit zur Schaffung weiterer zusätzlicher Kapazitäten für die LNG-Versorgung Deutschlands. Bereits jetzt sind erhebliche LNG-Potenziale in Norddeutschland in der Umsetzung und viele Unternehmen haben bereits Alternativen für Gas gefunden und entsprechend reagiert." Klaus-Jürgen Strupp: „Es stellt sich daher die Frage, ob tatsächlich noch derart gravierende Eingriffe in Natur und Umwelt durch aufwendige und teure Investitionen in die LNG-Infrastruktur vor Rügen gerechtfertigt sind.“
Die Schaffung einer Energieinfrastruktur in MV müsse vor allem zukunftsorientiert auf Wasserstofftechnologien ausgerichtet werden, LNG könne hier höchstens als Übergangslösung gesehen werden. Alle Investitionen sollten daher darauf abzielen, klimafreundlichen Wasserstoff zu nutzen und dafür auch Anlagen entsprechend nachhaltig zu konzipieren. Klaus-Jürgen Strupp: „Sofern noch eine dringende energiewirtschaftliche Notwendigkeit zur Anbindung weiterer LNG-Kapazitäten für Deutschland am Standort Lubmin durch die Bundesregierung nachgewiesen und nach dem LNGG begründet wird, erwartet die IHK auch die Prüfung weiterer Alternativstandorte zum Beispiel auf hoher See. Entsprechende ergebnisoffene Alternativenprüfungen sind derzeit noch unzureichend durchgeführt worden. Das Verfahren muss darüber hinaus dringend seitens der Vorhabenträger vorausschauend im offenen Dialog mit der Region und mit hoher Transparenz gestaltet werden."
„Aus unserer Sicht ist gegenwärtig weder die Notwendigkeit eines weiteren LNG-Terminals der geplanten Größe, noch die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs, insbesondere die möglichen Beeinträchtigungen für den Tourismus an den Top-Destination auf der Insel Rügen ausreichend abgewogen“, so Mathias Rohloff, Vorsitzender des IHK-Regionalausschusses für Vorpommern-Rügen. 
Anfang März 2023 hatte die IHK zu Rostock in einer Stellungnahme an das Bergamt Stralsund zum Planfeststellungsverfahren im Hinblick auf die Errichtung und den Betrieb der LNG-Anbindungsleitung vor Rügen erhebliche und beachtliche standortbezogene Bedenken geäußert. Zur Presseinformation vom 9. März 2023