10 Tipps zu öffentlich bestellten Sachverständigen

Gerichte, Behörden, Unternehmen sowie Endverbraucher kommen in unserem hochtechnisierten und arbeitsteiligen Alltag kaum mehr ohne die Inanspruchnahme von Sachverständigen aus. Sei es bei Verkehrsunfällen, Bauschäden, Mietstreitigkeiten, fehlerhafter Handwerksarbeit, bei Vermögensauseinandersetzungen, Ehescheidungen oder einfach, wenn eine gekaufte Sache Mängel aufweist; oft hilft nur ein Sachverständigengutachten weiter.
Die folgenden Ratschläge geben Ihnen kurzgefasste, praxisnahe Informationen, wenn Sie einen Sachverständigen brauchen.

TIPP 1: Wer ist "öffentlich bestellter" Sachverständiger?

Nur wer durch eine öffentlich-rechtliche Institution auf gesetzlicher Grundlage bestellt und vereidigt wurde, genießt für die Zeit seiner öffentlichen Bestellung einen gesetzlich geregelten Bezeichnungsschutz. Der öffentlich bestellte Sachverständige muss einen Eid darauf ablegen, dass er seine Gutachten und sonstigen Aufgaben unparteiisch, weisungsfrei, unabhängig, gewissenhaft und persönlich erstattet. Er wird nur dann öffentlich bestellt, wenn er zuvor die besondere Sachkunde nachgewiesen hat und keine Bedenken gegen seine persönliche Integrität bestehen. Darüber hinaus unterliegt der öffentlich bestellte Sachverständige während der Zeit seiner öffentlichen Bestellung einem umfangreichen Pflichtenkatalog mit entsprechender Kontrolle durch die Bestellungskörperschaft und ist zur strikten Einhaltung einer gesetzlich geregelten Schweigepflicht verpflichtet. Gerichte beauftragen bei Gerichtsverfahren bevorzugt öffentlich bestellte Sachverständige mit der Gutachtenerstattung.

TIPP 2: Wenn Sie einen Sachverständigen auswählen, achten Sie darauf, ob er öffentlich bestellt und vereidigt ist.

Was zeichnet einen öffentlich bestellten Sachverständigen aus?
Besondere Sachkunde
Der öffentlich bestellte Sachverständige muss im offiziellen Bestellungsverfahren einen anspruchsvollen Nachweis über seine "besondere Sachkunde" führen. Darunter versteht man überdurchschnittliche Fachkenntnisse und Erfahrungen.
Vertrauenswürdigkeit
Die Zuverlässigkeit und Integrität wird vor der öffentlichen Bestellung überprüft.
Objektivität
Er wird darauf vereidigt, seine Aufgaben gewissenhaft, weisungsfrei und persönlich zu erfüllen sowie seine Gutachten unparteiisch zu erstatten.
Pflicht zur Gutachtenerstattung
Er darf Aufträge nur aus wichtigem Grund ablehnen (z.B. Verwandtschaft mit einer der Parteien).
Schweigepflicht
Er muss die ihm bei Ausübung seiner Tätigkeit anvertrauten Privat- und Geschäftsgeheimnisse wahren. Bei unbefugter Verletzung der Schweigepflicht kann er streng bestraft werden.
Überwachung
Der Sachverständige wird durch die Stelle, die ihn öffentlich bestellt hat, beaufsichtigt. Sie kann ihm die Bestellung entziehen, wenn er seine Sachverständigenpflichten verletzt.

TIPP 3: Vertrauen Sie auf die öffentliche Bestellung. Sie erleichtert Ihnen die Auswahl geeigneter Sachverständiger und bietet Gewähr für geprüfte Sachkunde und Vertrauenswürdigkeit.

Wie erkennt man einen öffentlich bestellten Sachverständigen?
An der Bezeichnung
Nur der öffentlich bestellte Sachverständige darf die Bezeichnung "von der IHK ... öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger" führen.
Am Stempel
Nur er darf einen Rundstempel führen.
Am Ausweis
Öffentlich bestellte Sachverständige haben einen offiziellen Ausweis, den sie auf Verlangen vorzeigen müssen und in dem Personalien, Bestellungskörperschaft und Sachgebiet angegeben sind.

TIPP 4: Gehen Sie auf Nummer Sicher: Sehen Sie sich Bezeichnung, Stempel und Ausweis genau an.

Wann kann ein öffentlich bestellter Sachverständiger helfen?
Immer, wenn eine unabhängige fachliche Information oder Beratung benötigt wird, ein Schaden beurteilt, eine Sache bewertet, ein fachlicher Streit außergerichtlich geklärt oder der tatsächliche Zustand eines Gegenstandes zu Beweiszwecken festgestellt werden soll. Rechtsfragen darf der öffentlich bestellte Sachverständige allerdings nicht beantworten.
Das Gutachten eines öffentlich bestellten Sachverständigen genießt erhöhte Glaubwürdigkeit. Deshalb bietet es oft die Grundlage für eine gütliche außergerichtliche Einigung. Als Schiedsgutachter im Auftrag der Parteien kann der Sachverständige Streitfragen außergerichtlich schnell und verbindlich entscheiden.
In Gerichtsverfahren werden öffentlich bestellte Sachverständige bevorzugt zur Gutachtenerstattung herangezogen. Andere Sachverständige werden in der Regel nur dann im Gerichtsverfahren mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt, wenn besondere Umstände dies erfordern.

TIPP 5: Prüfen Sie sorgfältig, ob und wann es zweckmäßig ist, einen öffentlich bestellten Sachverständigen hinzuzuziehen.

Wie geht man mit einem öffentlich bestellten Sachverständigen um?
Ein öffentlich bestellter Sachverständiger darf keine fachlichen Weisungen befolgen und Beeinflussungsversuchen nachgeben, die die Objektivität des Gutachtens beeinträchtigen würden. Auch Dritte, denen das Gutachten bestimmungsgemäß vorgelegt wird (z.B. Banken, Versicherungen) müssen sich auf seine Objektivität und Richtigkeit verlassen können. Die zu beantwortenden Beweisfragen werden jedoch vom Gericht oder von sonstigen Auftraggebern vorgegeben.
Der Sachverständige muss das Gutachten und dessen tragende Grundlagen (z.B. Untersuchungen, Besichtigungen, Prüfung von Unterlagen) persönlich erarbeiten.
Ständige Geschäftsbeziehungen, gute Bekanntschaft oder Verwandtschaft und dergleichen stellen die Unbefangenheit des Sachverständigen und die Verwertbarkeit des Gutachtens regelmäßig in Frage.

TIPP 6: Ein objektives Gutachten dient Ihnen letztlich am besten. Stellen Sie deshalb sicher, dass der Sachverständige seine Unabhängigkeit wahren kann.

Wie muss der Auftraggeber den Sachverständigen unterstützen?
Ist ein Gutachten in Auftrag gegeben, besteht für den Auftraggeber eines Gutachtens nach Werkvertragsrecht meist eine vertragliche Mitwirkungspflicht.
Sie bedeutet, dass er
  • alles einschlägige Material zur Verfügung stellt,
  • alle Informationen weitergibt, die von Bedeutung sind bzw. sein können,
  • jede erforderliche Besichtigung ermöglicht,
  • alle notwendigen Untersuchungen durchführen lässt,
  • alles unterlässt, um den Sachverständigen einseitig zu beeinflussen.
Kann oder will der Auftraggeber nicht im erforderlichen Umfang mitwirken, weil z.B. bestimmte Tatsachen nicht bekannt werden sollen, ist der Zweck des Auftrags insgesamt in Frage gestellt. Der Sachverständige kann sich in diesem Falle weigern, den Auftrag durchzuführen, weil er nur zur Herstellung eines ordnungsgemäßen Gutachtens verpflichtet werden kann. Der Sachverständige unterliegt zwar einer Schweigepflicht, hat aber im Prozess kein besonderes Aussageverweigerungsrecht.

TIPP 7: Prüfen Sie vor Erteilung des Gutachtenauftrags, ob Sie der Mitwirkungspflicht nachkommen können oder wollen.

Was kostet ein Gutachter?
Für die Sachverständigentätigkeit gibt es bis auf die Tätigkeit vor Gericht keine Gebührenordnung. Deshalb sollte das Honorar vor Auftragsübernahme mit dem Sachverständigen ausgehandelt werden. Wird kein Honorar vereinbart, gilt die sogenannte "übliche Vergütung", deren Feststellung im Einzelfall erhebliche Schwierigkeiten bereiten kann. Der Stundensatz hängt vom Sachgebiet, der Schwierigkeit des Gutachtens, den besonderen Umständen des Falles und der Beschäftigungslage des Sachverständigen ab. Nebenkosten und Mehrwertsteuer werden in der Regel gesondert berechnet.
Wird der Sachverständige im Auftrag eines Gerichts tätig, beträgt der Stundensatz zwischen 65,--€ und 125,--€. Die Einzelheiten ergeben sich aus dem "Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz", in der eine Sachgebiets- und eine Honorartabelle 10 Feststundensätze für 60 verschiedene Sachgebiete normieren. Für medizinische Gutachten betragen die Feststundensätze 50,--€, 60,--€ und 85,--€. Zusätzlich werden dem Sachverständigen die notwendigen Auslagen wie die Kosten für Hilfskräfte, Fotografien, Reisen und Übernachtung ersetzt. Die Kosten des Sachverständigen sind Teil der Prozesskosten und von der unterliegenden Partei je nach Prozessausgang ganz oder anteilig zu tragen.

TIPP 8: Vereinbaren Sie vor der Erteilung eines privaten Auftrags das Honorar.

Wie haftet der öffentlich bestellte Sachverständige?
Auch ein öffentlich bestellter Sachverständiger ist nicht unfehlbar. Aber er muss für Fehler in seinem Gutachten einstehen, bei privatem Auftrag ein fehlerhaftes Gutachten nachbessern oder einer Honorarkürzung zustimmen. Hat er einen Mangel am Gutachten schuldhaft verursacht, haftet er auch für alle Folgeschäden, die aus der Verwendung des Gutachtens entstehen. Schuldhaft bedeutet, dass der Sachverständige nicht mit der notwendigen Sorgfalt gearbeitet hat. Die Haftung ist auch vom Inhalt des Gutachtenauftrags abhängig. Daher sollte der Auftrag schriftlich formuliert und genau abgegrenzt werden.
Durch Vereinbarung mit dem Auftraggeber kann der Sachverständige seine Haftung individuell regeln; die Haftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit darf jedoch nicht ausgeschlossen werden.
Die Industrie- und Handelskammern empfehlen den Sachverständigen nachdrücklich den Abschluss einer Haftpflichtversicherung für Schäden aus der Sachverständigentätigkeit.
Erstattet ein vom Gericht ernannter Sachverständiger vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten, so ist er zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der einem Verfahrensbeteiligten durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die auf diesem Gutachten beruht. (§ 839 a BGB)

TIPP 9: Klären Sie den Umfang der Haftung mit dem Sachverständigen, bevor Sie den Auftrag erteilen.

Was geschieht bei Beschwerden?
Besteht Grund zur Beschwerde über die Tätigkeit des Sachverständigen, sollte in jedem Fall die Stelle informiert werden, die den Sachverständigen öffentlich bestellt hat. Dort wird die Angelegenheit sorgfältig überprüft, um sicherzustellen, dass nur geeignete Sachverständige öffentlich bestellt bleiben. Die Überprüfung erfolgt deshalb ausschließlich im Interesse der Öffentlichkeit. Bei schwerwiegenden oder wiederholten Pflichtverstößen muss der Sachverständige mit dem Widerruf seiner öffentlichen Bestellung rechnen. Ist dem Beschwerdeführer ein Schaden entstanden, kann er privatrechtlich gegen den Sachverständigen vorgehen (siehe Tipp 8). Die Aufsicht führende Stelle kann nicht in seinem Interesse tätig werden und etwaige Nachbesserungswünsche oder Schadenersatzansprüche beim Sachverständigen durchsetzen.
Bei Beschwerden über die gerichtliche Tätigkeit eines Sachverständigen muss die Aufsichtsbehörde abwarten, bis das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist.

TIPP 10: Setzen Sie sich mit der Aufsichtsbehörde in Verbindung, wenn Sie meinen, dass ein Sachverständiger gegen seine Pflichten verstoßen hat.

Wo bekommen Sie Rat und Hilfe?
Auskunft über öffentlich bestellte Sachverständige und Antworten auf Fragen zum Sachverständigenwesen erteilen die bestellenden Stellen. Das sind im wesentlichen Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern, in einigen Bundesländern auch Architekten-, Ingenieur- oder Landwirtschaftskammern oder staatliche Stellen für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich.
Diese Bestellungskörperschaften geben regionale und überregionale Verzeichnisse über öffentlich bestellte Sachverständige heraus. Sie benennen auf Anfrage kostenlos geeignete Sachverständige. Vor allem auf den Homepages der jeweiligen Industrie- und Handelskammern oder in verschiedenen Internetverzeichnissen können bundesweite Recherchen vorgenommen werden. Je konkreter der zu beurteilende Sachverhalt geschildert wird, desto gezielter kann der richtige Sachverständige gefunden werden.
Wenden Sie sich an die zuständige Industrie- und Handelskammer oder Behörde, wenn Sie einen öffentlich bestellten Sachverständigen brauchen oder Probleme mit Sachverständigen haben.