In der EU werden aus Briefen Gesetze

Auf europäischer Ebene gibt es zwar keinen Koalitionsvertrag wie in Deutschland nach einer Bundestagswahl. Dennoch können Sie die Arbeit der europäischen Kommission zumindest thematisch sehr gut verfolgen und in Ihren Unternehmensplanungen berücksichtigen.

Briefe ("mission letters")

Zu Beginn der Legislaturperiode erhalten die Kommissare und Kommissarinnen von der Kommissionspräsidentin ein individuell zugeschnittenes Schreiben – den mission letter.
Darin werden klar die politischen Prioritäten, Verantwortungsbereiche und Erwartungen festgelegt, indem die Ziele für die nächsten fünf Jahre definiert werden. Zusätzlich können übergeordneten Dokumenten eine Orientierung geben, wie den Draghi- oder Letta-Berichten zur Wettbewerbsfähigkeit und Zukunft der EU.
Zur Umsetzung dieser langfristigen Strategien gibt es jährliche Arbeitsprogramme. Sie enthalten konkrete Initiativen, Gesetzesvorschläge und Überprüfungen für das kommende Jahr. Im Jahr 2025 liegen die Hauptaufgaben darin die Innovationslücke zu schließen, die Dekarbonisierung voranzutreiben und Europas Abhängigkeiten zu verringern.

Arbeitsprogramm 2026 ("annual work programme")

Für den Bereich Energie und Klima sind aktuell noch drei Aufgaben zu erledigen. Die Änderungen am ETS II fehlen noch, um Mittel- und Osteuropa entgegen zu kommen. Ebenso müssen die CBAM-Weiterentwicklungen bzgl. Antiumgehungsmaßnahmen (bisher nur Grundprodukte) und das Netzpaket - mit Bezug zu H2- und Erdgasnetzen noch umgesetzt werden.
Für das Jahr 2026 wird es einen Elektrifizierungsaktionsplan (einschließlich Wärme und Kühlung) voraussichtlich im ersten Quartal 2026 geben. Die Energiesicherheit soll gestärkt und die Governance der Energieunion und Klimapolitik (einschließlich Auslaufen fossiler Brennstoffsubventionen) aktualisiert werden. Weiterhin wird am Energieunionspaket gearbeitet, dass die Entwicklung der CO2-Transportinfrastruktur und -märkte und die Errichtung des Energieeffizienzrahmens sowie des Rahmens für erneuerbare Energien zum Ziel hat. Klima-Resilienz und -anpassung ist ebenfalls ein Teil des Arbeitsprogramms in Form eines integrierten EU-Rahmens für Klimaresilienz.
Beim Thema Umwelt sind ebenso noch zwei Themen aus dem Arbeitsprogramm 2025 zu erledigen: der Umweltomnibus und die "REsourceEU"-Initiative, die eine gemeinsame Rohstoffbeschaffung aus Drittländern, eine strategische Lagerhaltung und wirtschaftliche Partnerschaften weltweit stärken soll, um ein unabhängigeres Europa zu schaffen.
Voraussichtlich im zweiten Quartal im Jahr 2026 wird ein “critical raw materials centre” in Europa gegründet werden, das die europäische Rohstoffversorgung beobachten, die gemeinsame Beschaffung verbessern, die Lagerhaltung vorantreiben und Investments organisieren soll. Ein weiteres Fokusthema ist der “circular economy act” zur Stärkung des Binnenmarktes und zum Ankurbeln von Angebot und Nachfrage in der Kreislaufwirtschaft. Die Überarbeitung von “REACH” steht nicht im Arbeitsprogramm, aufgrund der intern abgelehnten Folgenabschätzung.

Verordnungen und Richtlinien ("legislative initiatives")

Ein entscheidender Schritt ist der Übergang von Briefen und Arbeitsprogramm hinüber ins europäische Parlament. Einen sehr guten Überblick über gesetzgebenden und nicht-gesetzgebende Initiativen erhalten Sie über den Legislative Train Schedule. Grundsätzlich können Sie davon ausgehen, dass von der ersten Idee bis zum fertigen Gesetz ca. 2 Jahre vergehen.
Wenn Sie sich mit Ihrem Unternehmen einbringen möchten, verfolgen Sie unbedingt die EU-Homepage “have your say”. Dort können alle öffentlichen Konsultationen eingesehen werden und Sie können sich direkt zu neuen EU-Strategien und Rechtsvorschriften äußern.