Erklärung der rheinhessischen Wirtschaft zur Integration von Flüchtlingen

Der Wirtschaftsraum der Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen (IHK) ist so vielfältig wie die Gesellschaft, in der wir leben und arbeiten. In den rheinhessischen Unternehmen arbeiten Menschen unterschiedlichster Nationen friedlich miteinander und bestimmen damit maßgeblich die Kultur in ihren Unternehmen. Unsere IHK sieht in Zuwanderung eine Chance für die wirtschaftliche Entwicklung Rheinhessens und setzt mit dieser Erklärung auch ein deutliches Zeichen für Integration und gegen Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit. Unsere IHK macht es sich deshalb zur Aufgabe, gemeinsam mit Partnern (v.a. Arbeitsagenturen, Schulen, Ministerien, Behörden, Verbänden, Stiftungen, Landkreise, Städte) zu prüfen, wie Flüchtlinge mit Bleibeperspektive möglichst schnell und unbürokratisch in Ausbildung oder Arbeit gebracht werden können. Unsere IHK wird ausgehend von dieser Erklärung mit einem IHK Aktionsprogramm die Integration von Flüchtlingen in Ausbildung und Arbeit unterstützen.

Entscheidende Aspekte: Bleiberecht und Sprachkompetenz

Damit die Integration gelingt, sind zwei Aspekte grundlegend: Die rasche verbindliche Aussage über das Bleiberecht ist eine wesentliche Grundlage für personelle Entscheidungen in den Betrieben. Sprachkompetenz bildet eine weitere unabdingbare Grundlage für eine erfolgreiche Integration. Unter dieser Prämisse fordert die IHK für Rheinhessen die Politik auf, den Rahmen zu schaffen, damit zugewanderte und geflohene Menschen mit Bleibeperspektive sich schnell mit der deutschen Sprache vertraut machen können. Für eine erfolgreiche Ausbildung oder Tätigkeit als Fachkraft ist in den meisten Fällen mindestens das Sprachniveau B2 nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen erforderlich.
Als Auszubildende müssen Flüchtlinge bis zum Abschluss des ersten Ausbildungsjahres das Sprachniveau B2 erreichen. Ebenso ist die Politik gefordert, auch über 18-jährigen Flüchtlingen an Berufsschulen die Möglichkeit zur Erlangung der Berufsreife zu bieten.

Chancengarantie – Basis für den Zugang zum Fachkräftemarkt

Das System für den strukturierten Zugang junger Asylsuchender und Flüchtlinge in die berufliche Ausbildung ist das am Ausbildungsmarkt bewährte Modell der Chancengarantie. Dieses ist in unserer IHK bereits erfolgreich mit Jugendlichen praktiziert worden, die zum Beginn eines Ausbildungsjahres noch unversorgt waren.
Mit Kompetenzfeststellung und Berufsorientierungsmaßnahmen soll diesen Menschen in Zusammenarbeit mit allen Partnern möglichst schnell zu Praktika, Einstiegsqualifizierung und Ausbildung verholfen werden. Aus Sicht der Wirtschaft ist es erforderlich, dass den für die Ausbildung infrage kommenden Flüchtlingen ein Bleiberecht für die Dauer der Ausbildung und zwei Jahre darüber hinaus gewährt wird.
Drei Gruppen junger Flüchtlinge stehen bei der Chancengarantie im Fokus:
  • die neu zugewanderten schulpflichtigen Flüchtlinge (16 bis 18 Jahre),
  • die anerkannten Flüchtlinge (Beziehende von SGB II-Leistungen zwischen 18 und 35 Jahren) sowie
  • die neu zugewanderten Flüchtlinge (Beziehende von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zwischen 18 und 35 Jahren).
Aktionsprogramm zur Integration von Flüchtlingen
Um den Integrationsprozess im Sinne der Förderung der regionalen Wirtschaft nachhaltig zu stärken und gleichzeitig einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten, konzentriert sich die IHK für Rheinhessen auf folgende Aktionsfelder:
1. Stärkung der Netzwerke vor Ort
  • Strukturierte Zusammenarbeit der IHK mit ihren Partnern in Rheinhessen und Förderung von Kooperationen zur Erzeugung von Synergieeffekten
  • Durchführung von Multiplikatoren-Veranstaltungen durch die IHK mit Informationen über das System und die Chancen der Beruflichen Bildung
  • Bewertung und Ergänzung bereits verabredeter Maßnahmen im regelmäßig tagenden Runden Tisch „Flüchtlinge in Praktikum, EQ und Ausbildung“ unter Federführung der IHK
2. Erfassung und Vermittlung von Kompetenzen
  • Unterstützung der Agentur für Arbeit in Fragen der Erweiterung von vorhandenen Kompetenzen mit Unterstützung externer Träger
  • Prüfung der Feststellung der Gleichwertigkeit ausländischer Berufsabschlüsse mit Hilfe der IHK FOSA
3. Unterstützung mit Qualifizierungsangeboten
  • Angebot von Informationsveranstaltungen für Personaler/-innen, Ausbilder/-innen und Mitarbeiter/-innen zur betrieblichen Integration von Flüchtlingen
  • Aufbau eines Zertifikatslehrgang „Sprachmittler“ zur kurzfristigen Qualifizierung von Personen für Dolmetscheraufgaben
  • Angebot von Kurz-, Modul- und Ergänzungsqualifikationen
4. Information der Unternehmen
  • Sensibilisierung und zeitnahe Information über aktuelle Entwicklungen, Rechtsgrundlagen und Regularien für die Beschäftigung von Flüchtlingen durch Informationsveranstaltungen
  • individuelle Beratung im Rahmen von Betriebsbesuchen
5. Berufsorientierung und Ausbildungsberatung für Flüchtlinge
  • Setzen wichtiger Impulse zur beruflichen Orientierung durch Vorträge und Informationsveranstaltungen in Schulen und anderen Lernorten
6. Integration von Flüchtlingen in Praktikum, Einstiegsqualifizierung und Ausbildung
  • Einwerbung von Praktikums-, Einstiegsqualifizierungs- und Ausbildungsplätzen sowie von Plätzen für „duale Praktika"
  • Passgenaue Vermittlung von Flüchtlingen in Unternehmen
  • Angebot von Speed-Datings zwischen Unternehmen und ausbildungsreifen und ausbildungsfähigen Flüchtlinge am „Tag der Chancengarantie“
Resolution der Vollversammlung
der Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen
vom 1. Februar 2016