INTERVIEW

E-Commerce: Wohin geht die Reise

Die Arnulf Betzold GmbH in Ellwangen steht beispielhaft für das aktive Mitgestalten und das erfolgreiche Ergreifen von Chancen, die der Wandel in der Handelslandschaft bietet und mit sich bringt. Gegründet wurde das Unternehmen im Jahr 1970 durch Arnulf und Justina Betzold. Zu dieser Zeit wurden die ersten potenziellen Kunden – Schulen im regionalen Umkreis – noch selbst besucht. Heute hat sich die Arnulf Betzold GmbH zu einem international tätigen E-Commerce-Unternehmen entwickelt, das von den Brüdern Ulrich und Albrecht Betzold in zweiter Generation geführt wird. Dieses Jahr feiert das Unternehmen, das zu den größten Bildungsexperten in Deutschland zählt, sein 50-jähriges Bestehen.

Welche Bedeutung hat E-Commerce mittlerweile im Handel?

Im Jahr 2019 ist der Umsatz des Distanzhandels um knapp 10 Prozent auf 94 Mrd. Euro gewachsen, das entspricht einem Anteil von fast 15 Prozent am gesamten Einzelhandel in Deutschland und dieser wird wohl auch in Zukunft zunehmen. Damit gehört insbesondere der E-Commerce zu den ganz starken Wachstumstreibern des Handels.

Wie wird die Zukunft im Onlinehandel aussehen?

Es gibt viele Tendenzen und Trends und es ist sehr schwierig, vorherzusagen, was sich durchsetzen wird. Klar ist jedoch, dass der eigentliche Online-Shop nicht der alleinige Weg bleiben wird. Voice-Commerce mit Bestellung über Sprach interfaces wie Alexa, Buy-Buttons direkt in den Social-Media-Sites und eventuell auch der Einkauf direkt über Suchseiten wie Google-Shopping sind auf jeden Fall sehr wahrscheinlich. Genauso werden auch die Marktplätze und allen voran natürlich Amazon massiv an Bedeutung gewinnen, ob uns das gefällt oder nicht.

Welche Rolle werden gerade die Sprachsysteme wie „Amazon-Alexa“ in Zukunft spielen?

Ich persönlich halte Sprachinterfaces für einen Bestellkanal, der in Zukunft ganz massiv zunehmen wird. Durch die sich immer weiter verbreitende Steuerung der Smarthomes über digitale Sprachassistenten werden diese automatisch auch vertrauter und in den Tagesablauf eingebunden. Insbesondere bei klar definierten Wiederholungskäufen wie zum Beispiel „Alexa, bestelle Waschmittel“ gehen bereits jetzt erhebliche Mengen über diesen Kanal.

Was macht das mit dem regionalen Einzelhandel?

Wie bei jeder neuen Technologie gibt es auch hier Licht- und Schattenseiten. Ich kenne viele Einzelhändler, die bereits jetzt über Social Media ihre Bekanntheit steigern und Kunden gewinnen. Mit der richtigen Strategie können diese ihren regionalen Vorteil gut ausspielen.

Und was für Tipps leiten Sie daraus ab?

Auf alle Fälle dorthin zu gehen, wo auch die Kunden sind und das sind nun einmal die Social-Media-Plattformen. Hier kann man mit wenig finanziellem Einsatz erhebliche Reichweiten generieren, zum Beispiel auch durch regional begrenzte Anzeigen. Genauso sollte man unbedingt auf sein Google-Profil und eine gute digitale Reputation in Form von Bewertungen achten.

Es gibt einen neuen Ausbildungsberuf, den Kaufmann für E-Commerce. Haben Sie schon Auszubildende?

Wir sind gleich mit vier Auszubildenden im ersten Lehrjahr eingestiegen und werden künftig in jedem Jahr weitere Auszubildende einstellen.

Gibt es ausreichend Bewerbungen für diesen Beruf?

Aus unserer Sicht schon, wir können die Stellen trotz der doch anspruchsvollen Anforderungen aktuell wirklich gut besetzen.

Und welche Bewerber sind aus Ihrer Sicht die Richtigen?

Nun, ich denke, hier sind hauptsächlich Engagement und Motivation gefragt. Bewerber sollten wirklich den Wunsch nach einer sehr vielseitigen Tätigkeit haben, denn im Gegensatz zu anderen Ausbildungen kommen sie wirklich ausnahmslos in allen Bereichen des Unternehmens zum Einsatz.

Worin sehen Sie den Vorteil für Ihr Unternehmen mit dieser Ausbildung?

Die E-Commerce-Kaufleute durchlaufen eine sehr anspruchsvolle Ausbildung mit einem viel tieferen fachlichen Einblick als andere kaufmän nische Ausbildungen. Durch dieses hohe Qualifikationsniveau können wir den Auszubildenden direkt nach der Ausbildung verantwortungsvolle Positionen anbieten, ohne zunächst Weiterqualifizierungen durchführen zu müssen. Das ist für Unternehmen ein nicht zu unterschätzender Vorteil.

Sie waren über den E-Commerce-Verband an der Inhaltsfestsetzung für den Ausbildungsberuf beteiligt. Welche Themen waren Ihnen für den neuen Ausbildungsberuf besonders wichtig?

Wir haben uns beim Verband für eine wirkliche Breite und Tiefe des Berufs eingesetzt. Die Auszubildenden sollen wirklich alle Funktionen des E-Commerce kennenlernen und später auch organisieren können. Meine Vision war dabei immer die Weiterqualifizierungsmöglichkeit zur Führungskraft, die bereits in der Ausbildung angelegt werden soll.

Das Kreisberufsschulzentrum in Ellwangen ist seit letztem Jahr Schulstandort für diesen neuen Ausbildungsberuf. Sie haben sich sehr engagiert, damit der Beruf nach Ellwangen kommt. Warum gerade Ellwangen?

Für Ellwangen sprachen zunächst einmal ganz einfach die Zahlen. Ein Großteil aller Auszubildenden kommt schlichtweg aus Ellwanger Betrieben, da hier in Ellwangen auch ein großer E-Commerce-Cluster angesiedelt ist. Des Weiteren gab es an der Schule bereits viele engagierte und mit der Materie sehr gut vertraute Lehrkräfte, sodass sich Ellwangen als Standort auch fachlich geradezu aufdrängte.

Zurück zum Handel. Die derzeitige Klimadiskussion hat ja auch immer den Online-Handel im Fokus. Eine Vielzahl an Schiffen, Flugzeugen und auch Paketversendern ist täglich unterwegs, um die Pakete an den Besteller zu versenden. Glauben Sie, dass der Online-Handel darunter leiden wird?

Nun , zunächst einmal bringen Schiffe und Flugzeuge die Waren nach Europa, das stimmt, ist aber beim stationären Handel auch nicht anders, deren Waren kommen ja auch nicht per Fahrrad aus China. Nun könnte man ja zudem fragen, ob 100 Privatpersonen, die mit 100 Autos zum Einkaufen in die Stadt fahren, nicht mehr Emissionen und Innenstadtstaus verursachen, als die gemeinsame Lieferung von 100
Paketen durch ein einzelnes DHL Elektromobil, doch das wäre auch nicht sachgerecht. Fakt ist, dass jede Handelsform Emissionen verursacht und darüber nachdenken muss. Dass der Online-Handel darunter leiden wird, glaube ich nicht, denn inzwischen sind viele Maßnahmen zum Klimaschutz bereits getroffen. Wir zum Beispiel versenden seit Oktober 2019 komplett klimaneutral und eine Vielzahl von Kollegen wird uns da folgen.

Durch den Onlinehandel sterben die Innenstädte immer mehr aus, gibt es Patentrezept dagegen?

Früher hieß es, die Fachmärkte auf der grünen Wiese würden die Innenstädte aussterben lassen, jetzt ist es der Onlinehandel. Doch ist das richtig? Händler können nur Angebote machen, online oder offline, aber letztendlich entscheiden die Verbraucher, wo sie kaufen wollen. Das einzige Rezept, um die Innenstädte zu stärken, wäre es also, die Attraktivität der Angebote für die Kunden zu steigern. Wie das geht, das weiß jeder Händler für sein Sortiment hoffentlich am besten.

Der Online-Handel hat für Sie als Unternehmer viele Vorteile, aber auch Nachteile. Können Sie von beidem Beispiele nennen?

Der größte Vorteil des Online-Handels ist sicherlich die hohe Zahl der erreichbaren Kunden, und aus dieser Attraktivität erwächst dann auch gleich der größte Nachteil, die hohe Zahl an Wettbewerbern. Ein weiterer Vorteil ist sicherlich die Möglichkeit uneingeschränkter Präsentationsfläche. Während im stationären Handel die Regalfläche das Sortiment begrenzt, sind wir sehr frei, ein extrem breites Sortiment zu führen.
Ein Nachteil des Online-Handels ist sicherlich die allseits bekannte Retourenthematik, der man sich jedoch gut stellen kann.

Wir bedanken uns für das Gespräch.

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