Infoserie
Zusammenhalten. Energie sparen.
Die Krise um die Versorgung mit Gas hat Auswirkungen auf tausende Betriebe im Oldenburger Land: Für Handwerk, Handel, Dienstleister und Industrie steigen die Energiekosten erheblich, nicht nur beim Gas. Unternehmen mit überdurchschnittlichem Verbrauch können gar in eine Notlage geraden. Und die Politik fordert eindringlich zum Sparen auf. Unter dem Motto “Zusammen.Energie sparen” veröffentlichen Handwerkskammer Oldenburg, Oldenburgische Industrie und Handelskammer und EWE deshalb gemeinsam Informationen zur Lage und geben Tipps und Beispiele.
- Auf Prozesse und Technik schauen
Unternehmen müssen ihre Energieverbräuche identifizieren und senken. Dazu Prof. Dr.-Ing. Mark Junge, Geschäftsführer der Kasseler Limón GmbH, einer Tochtergesellschaft der EWE.Was sind nach Ihrer Erfahrung die größten Energiefresser in Unternehmen?In den produzierenden Unternehmen sind es in der Regel die Produktionsmaschinen. Und das zu einem großen Anteil. Ein Beispiel: In einem kunststoffverarbeitenden Betrieb sind die Spritzgussmaschinen inklusive der Temperieranlagen und Kältetechnik häufig für etwa 70 Prozent des Energieverbrauchs verantwortlich. Große Einsparungen können also vor allem in der Produktion und der Optimierung der Prozesse erreicht werden. Die Einsparpotentiale bestehen dann in der Abstimmung von Bereitstellungstechniken und Verbrauchern, ganz besonders in dem Zusammenspiel von Wärme- und Kältetechnikanlagen und deren Verbrauchern. Wenn zum Beispiel eine Kompressionskältemaschine eingesetzt wird statt einer Freikühlung, kann das bis zu 80 Prozent Einsparung ermöglichen. Da lohnt es sich schon für den Betrieb, gemeinsam mit Experten auf Prozesse und Technik zu schauen.Auf welche Weise kann ich am besten meinen Verbrauch aufschlüsseln, um zu Handlungsoptionen zu kommen?Transparenz ist ganz wesentlich, um Effizienzpotentiale zu heben. Nur so kann man an den Stellen ansetzen, wo ein großes Potential besteht. Ein kontinuierliches Energiemonitoring ist dabei eine wichtige Komponente. Hier gilt, dass nicht unbedingt viele Messpunkte viel helfen. Wichtig ist es vor allem, an den Hauptverbrauchern anzusetzen und dann das Messkonzept zu verfeinern. Besonders an den Stellen, wo unerklärbare Verbräuche oder Verläufe auftauchen. Aus diesen Informationen zusammen mit den richtigen Kennzahlen bezogen auf Einflussgrößen, wie Produktionsmengen und Temperaturen, können dann ineffiziente Bereiche identifiziert und Handlungsoptionen abgeleitet werden.Was kann man, unabhängig von der Branche, ohne allzu große Investitionen sofort anpacken, wo ist der Effekt am größten? Und was kann jeder im Unternehmen selber schon heute tun, um Energie zu sparen?Kurzfristig geht es vor allem darum, die Energie bedarfsgerecht einzusetzen. Dies kann zum Beispiel das Abschalten in Nichtbetriebszeiten sein, also ein Standby-Management. Zudem ist es gerade bei Wärme und Kälte wichtig, das richtige Temperaturniveau zu verwenden. Eine Absenkung der Heiztemperatur bzw. Erhöhung der Kühltemperatur in Prozessen oder Gebäuden kann ggf. zu Effizienzsteigerungen führen. Hier handelt es sich häufig um organisatorische Maßnahmen, die keine oder nur geringe Investitionen erfordern. Auch die Nutzung von Abwärme ist eine meist einfache Effizienzmaßnahme ohne allzu große Investitionen. Unsere Erfahrung zeigt, dass es zur Identifizierung Sinn macht, die Mitarbeitenden mitzunehmen, da sie ein großes Know-how darüber besitzen, wo Einsparpotentiale liegen.Parallel dazu sollte aber schon mit der Überprüfung der wesentlichen Prozesse hinsichtlich der Umstellung weg von fossilen Energien begonnen werden. Dies ist wichtig, da gerade bei vielen Prozessen heute die Alternativen noch gar nicht durchdacht sind und zum Teil noch nicht mal existieren. Das muss sich ändern und bedarf vor allem der Zusammenarbeit mit den jeweiligen Anlagenherstellern, um ein ganzheitliches Energiekonzept für einen Standort zu entwickeln.
- Kurzfristige Maßnahmen
Seit 1. September gilt für Unternehmen eine Energieeinsparverordnung für sechs Monate. Unternehmen, Energie-, Immobilien-, Tourismuswirtschaft und Handel müssenkurzfristig eine Reihe von Maßnahmen beachten. Der Einzelhandel muss Ladentüren und Eingangssysteme, bei deren Öffnung ein Verlust von Heizwärme auftritt, geschlossen halten. Ausnahmen gelten für Fluchtwege. Werbeanlagen dürfen in der Zeit zwischen 22 und 16 Uhr nicht beleuchtet werden. Ausnahmen gelten aus Gründen der Verkehrssicherheit oder zur Abwehr anderer Gefahren, wenn dies kurzfristig nicht durch andere Maßnahmen ersetzt werden kann. Beispiele sind Anlagen „an Fahrgastunterständen oder Wartehallen, Haltepunkten und Bahnunterführungen, die aus Gründen der Betriebssicherheit und öffentlichen Ordnung wie Straßenbeleuchtung zu behandeln sind“ sowie Beleuchtung an Tankstellen und von Nebenbetrieben an den Bundesautobahnen.In Arbeitsräumen darf die Lufttemperatur – je nach Art und Schwere der Arbeit – Temperaturen von 12 bis 19 Grad nicht unterschreiten. Firmen können damit freiwillig um durchschnittlich 1 Grad weniger als es die Arbeitsschutzrichtline für Raumtemperaturen vorsieht, ihre Arbeitsräume rechtssicher beheizen.Für Gas- und Wärmelieferanten gelten Informationspflichten, wenn sie Eigentümer von Wohngebäuden oder Nutzer von Wohneinheiten leitungsgebunden mit Gas oder Wärme beliefern. Sie müssen ihren Kunden unter anderem den Energieverbrauch und die Energiekosten der vorangegangenen und künftigen Abrechnungsperiode mitteilen, aber auch das rechnerische Einsparpotenzial des Gebäudes bei Absenkung der Durchschnittstemperatur um 1 Grad.Eigentümer von Wohngebäuden mit weniger als zehn Wohneinheiten haben diese Informationen der Lieferanten unverzüglich an die Nutzer weiterzuleiten. Eigentümer von Wohngebäuden mit mindestens zehn Wohneinheiten müssen den Nutzern diese Informationen bis zum 31. Oktober 2022 mitteilen, ergänzt um spezifische Angaben zu der jeweiligen Wohneinheit. Erhalten sie vom Energielieferanten nur allgemeine Informationen, etwa für das Gesamtgebäude, müssen sie auf Grundlage typischer Verbräuche bis zum 31. Januar 2023 eine individualisierte Mitteilung erstellen. Sie sind zudem verpflichtet, Kontaktinformationen und eine Internetadresse einer Verbraucherorganisation, einer Energieagentur oder sonstigen Einrichtung mitzuteilen beziehungsweise auf die Kampagne „80 Millionen gemeinsam für Energiewechsel“ (energiewechsel.de) mit entsprechenden Tipps hinzuweisen. Quelle: DIHK
- Enormes Potenzial
Viele Dächer von Gewerbe- und Industriebauten eignen sich für Photovoltaik-Anlagen. Sie machen unabhängiger von steigenden Strompreisen.Viele Branchen bzw. Unternehmen verbrauchen insbesondere tagsüber Strom und können demnach Solarstrom optimal nutzen. Aufschluss hierüber gibt der „Lastgang“, den Unternehmen ab 100.000 kWh Stromverbrauch von ihrem Netzbetreiber bzw. Energieversorger kostenlos erhalten (Stichwort: Registrierende Leistungsmessung/RLM). Andere Unternehmen können „Standardlastprofile“ zur Rate ziehen. Anhand des Lastprofils legt der Solarberater bedarfsorientiert die PV-Anlage aus. Erweiterungsmöglichkeiten für zukünftige Stromanwendungen im Unternehmen sollten mit Planung einer PV-Anlage bereits mitgedacht werden – wie Ladestrom oder Heizen mit Wärmepumpe. So benötigt beispielsweise ein E-Auto mit einer Laufleistung von rund 20.000 Kilometer 3000 bis 4000 kWh Strom pro Jahr.Wenn ein größeres geeignetes Solardachflächenpotenzial vorliegt, besteht ab 1. Januar 2023 mit Inkrafttreten des Erneuerbare Energien-Gesetzes die Möglichkeit, zwei Anlagen parallel zu betreiben: optimierter Eigenverbrauch und Volleinspeisung. So kann eine Anlage auf einen hohen Eigenverbrauch ausgelegt werden und mit einer zweiten Anlage trotzdem das volle Potenzial der Dachflächen genutzt werden; beide Anlagen müssen dann messtechnisch voneinander getrennt sein.WirtschaftlichkeitDie Wirtschaftlichkeit einer Photovoltaikanlage hängt stark vom Anteil des selbst genutzten Solarstroms, vom Strombezugspreis und den erwarteten Strompreissteigerungen ab. In jedem Fall macht sie unabhängiger von steigenden Strompreisen. So weisen PV-Anlagen mit großen Eigenverbrauchsanteilen geringere Amortisationszeiten auf – meist unter zehn Jahren. Wird eine PV-Anlage zusammen mit einem Stromspeicher realisiert, ist prinzipiell die Rendite geringer und die Amortisationszeit länger; dafür steigt hingegen der Eigenverbrauch.Prinzipiell gilt: Je größer eine Anlage, desto niedriger sind die Kosten pro installierter kWp (Kilowattpeak/Leistung von PV-Anlagen). Die spezifischen Anlagenkosten betragen aktuell 1000 bis 1300 EUR/kWp. Insbesondere für kleinere Dachanlagen können die Kosten aufgrund von aktuellen Lieferengpässen und steigenden Rohstoffpreisen höher ausfallen. Die Stromgestehungskosten sind sehr abhängig von der Größe der Anlage und der aktuellen Preisentwicklung und belaufen sich derzeit auf circa 9 bis 13 Cent/kWh – verlässlich und planbar für das Unternehmen für mindestens 20 Jahre.Erlöse bzw. Stromkostensenkungen erzielt das Unternehmen zum einen aus der Differenz zwischen Strombezugspreis und Stromgestehungskosten für den selbst verbrauchten Solarstrom. Zum anderen erhält das Unternehmen eine feste Einspeisevergütung (je nach Größe der Anlage zwischen 5,8 und 8,2 Cent/kWh). Für Anlagen über 100 kWp greift die Direktvermarktungspflicht. Handelt es sich um eine so genannte Volleinspeiseanlage, für die eine feste Einspeisevergütung bezogen wird, beträgt diese zwischen 10,9 und 13 Cent/kWh. Eine Übersicht zu den gültigen Vergütungssätzen bietet die Bundesnetzagentur (bundesnetzagentur.de, s. Fördersätze Solaranlagen).Bautechnische VoraussetzungenPV-Anlagen mit dachparallelen Modulen oder auf Flachdach aufgeständerte Module sind laut Landesbauordnung in der Regel genehmigungsfrei. Die Tragfähigkeit der Dachkonstruktion ist vorab von einem Sachverständigen zu prüfen. Auch ist zu empfehlen, anstehende Dachsanierungen der nächsten Jahre vor der Installation einer PV-Anlage durchzuführen. Bei Anlagen über 30 kWp nimmt der Netzbetreiber eine Netzverträglichkeitsprüfung vor. Anlagen, die in das Mittelspannungsnetz einspeisen, benötigen eine Zertifizierung.
Weitere Informationen:
IHK-Energiepapier
Vollversammlung der IHK fordert von Politik
10 kurzfristige Maßnahmen.
Aktuelle Lage der Gasversorgung in Deutschland
In regelmäßigen Updates informiert die Bundesnetzagentur zur aktuellen Lage bei der Gasversorgung. Den jeweils aktuellen Lagebericht finden Sie
hier.
Bundesnetzagentur: Papier zur Hierarchie der Gasabschaltung
Die Bundesnetzagentur (BNetzA) muss im Fall einer Gasnotlage und Ausrufen der Notfallstufe als Bundeslastverteiler festlegen, wer in Deutschland weiter versorgt werden soll und wer abgeschaltet werden muss. Sie hat erste Kriterien in einem
Papier zur “Lastverteilung Gas” bekannt gegeben.