Ich bin Prüfer, weil ...
Die duale Berufsausbildung würde ohne ehrenamtliche Prüfertätigkeit nicht funktionieren. Im vergangenen Jahr haben im südlichen Sachsen-Anhalt rund 1.300 ehrenamtliche Prüferinnen und Prüfer insgesamt etwa 18.400 Abschluss-, Zwischen-, Fortbildungs-, sowie Sach- und Fachkundeprüfungen abgenommen.
Ihnen ist die Rubrik „Ich bin Prüfer, weil“ gewidmet, in der ehrenamtliche Prüferinnen und Prüfer über ihr Engagement sprechen. Dieses Mal mit Jana Deutsch, Berufsschullehrerin für Biologie und Chemie und ehrenamtliche Prüferin, die 2025 für ihr 20-jähriges Ehrenamt ausgezeichnet wurde.
Ein Gespräch über Beruf und Berufung.
Mitteldeutsche Wirtschaft: Frau Deutsch, wie kam es, dass die Tätigkeit als Prüferin sie gleich zu Beginn erst einmal völlig überwältigte?
Jana Deutsch: „Seit 2004 sollen in Bitterfeld neben Chemie- auch Biologielaboranten ausgebildet werden. Ich war zu diesem Zeitpunkt die einzige Lehrerin im Bereich Labor- und Prozesstechnik der Berufsschule, die für die Fächer Chemie und Biologie ausgebildet war. Daher stand für mich eine Ablehnung des Ehrenamts als Prüferin nicht zur Debatte, als ich darum gebeten wurde. Doch dann wurde auch noch aus Magdeburg und Leipzig dringender Bedarf angemeldet und fühlte sich erst einmal erschlagend an. Trotzdem musste auch diese Lücke geschlossen werden, denn wie sollte sonst der Abschluss der jungen Leute sichergestellt werden? Lehrer sind in den Prüfungskommissionen unabdingbar, weil die fachlich versierten Arbeitgeber und Arbeitnehmer, mit denen wir die Prüfung gemeinsam durchführen, gar nicht mehr so tief in der Theorie stecken können, dass es reicht, um die theoretischen Kompetenzen in den fachlich breit angelegten Ausbildungsberufen bewerten zu können. Auch die Prüfungskomplexe zu erstellen und organisatorisch vorzubereiten, ist unsere Aufgabe als Lehrer. Das konnte ich ausschließlich in den Ferien tun und am Anfang war das sehr viel Arbeit, mit der ich fast alleine war.
Dennoch sind Sie am Ball geblieben…
Deutsch: Ich weiß nicht mehr, wie ich das gemacht habe, aber Aufgeben kam für mich nicht infrage. Die Auszubildenden zeigten sich stets so engagiert und ehrgeizig – das hat mich getragen und motiviert.
Ist es als Berufsschullehrerin prinzipiell leichter, dieses Ehrenamt zu übernehmen, als für Ihre Kollegen aus der Praxis? Erst einmal müsste es doch gleich sein, ob Sie Ihre Zeit im Klassenzimmer oder in der Prüfungskommission verbringen.
Deutsch: Ja, das sollte man meinen [lacht]. Tatsächlich ist es aber so, dass die Schulen die Abwesenheit der Schüler für eine theoretische Prüfung als Arbeitszeitminus für den Lehrer werten, da er dann rein formal gesehen gerade nichts zu tun hat. In meinem Fall hieß das dann aber, dass mein Arbeitszeitkonto als Lehrerin nach einem Zehn-Stunden-Tag im Ehrenamt im Ergebnis ein Minus von sechs Stunden für meine Haupttätigkeit als Lehrerin verzeichnete. Damit Sie sich das vorstellen können: Ich fuhr also morgens um 6.45 Uhr zur Beaufsichtigung der Theorieprüfung, hatte meine Schüler den ganzen Tag in ihrem regulären Klassenraum in meiner Obhut, bewertete anschließend mit meinen Kollegen die Prüfungsergebnisse, sendete sie an die IHK und war erst zwischen 17 und 17.30 Uhr fix und fertig wieder zu Hause – mit der Konsequenz, sechs Arbeitsstunden im Minus zu sein. Bei den praktischen Prüfungen ist es noch komplizierter. Denn dafür war stets Sonderurlaub zu beantragen, den es aber nur für drei Tage gibt – bei neun Tagen im Jahr, an denen die praktischen Prüfungen stattfinden. Dadurch konnte ich nicht – wie eigentlich vorgesehen – überall anwesend sein. Unserem Land scheint die ehrenamtliche Aufgabe also nicht viel wert zu sein, wenn sich in all den Jahren an diesen Hürden nichts geändert hat. Denn es kann doch nicht sein, dass nur ich von diesem Irrsinn betroffen bin. In starkem Kontrast dazu steht glücklicherweise die große Wertschätzung, die uns von der IHK entgegengebracht wird.
Bei so vielen Widerständen scheint es unglaublich, dass Sie trotzdem dabei geblieben sind und sich bis heute verantwortungsvoll für die Ausbildung engagieren – gibt es denn noch etwas, was Sie hier motiviert? Und welche Eigenschaft benötigt ein angehender Prüfer, wenn er dieses Ehrenamt auch übernehmen möchte?
Deutsch: Glücklicherweise hat sich der Kreis der Prüferinnen und Prüfer in den letzten Jahren schon deutlich verjüngt. Es ist schön zu sehen, wie groß das Interesse an der Qualifizierung unserer Nachwuchsfachkräfte ist. Ich hatte bei meiner Arbeit oft mit sehr klugen und inspirierenden Persönlichkeiten zu tun, das beflügelt und macht viel Freude, wenn man selbst im eigenen Beruf aufgeht und im Alltag diese Möglichkeiten sonst nicht hätte. Ich bin generell kontaktfreudig, sehr interessiert, neugierig und kommunikativ, das hilft ebenfalls. Und mich motivierte zusätzlich, dass ich häufig spüren konnte, wenn Leistung und Potenzial der jungen Leute nicht zusammenpassten. Es erschien mir wichtig, sie direkt und hartnäckig darauf hinzuweisen, um ihnen beim Sprung über den eigenen Schatten zu helfen. Heute macht es mich nun immer wieder stolz zu hören, was aus so manchem ‚Schlumpf‘ von damals geworden ist, nachdem er in der Ausbildung Kontakt zum eigenen Potenzial finden konnte und auf den Geschmack des Erfolgs gekommen ist. Ein Schüler hatte zum Beispiel sein Abi geschmissen und kam dann ganz unmotiviert zu uns. Er machte die Ausbildung schließlich mit zwei und ging danach direkt zur Abendschule, um sein Abi nachzuholen. Danach studierte er sogar noch Medizin! Menschen, die selbst begeistert sind, können mit diesem Feuer anderen im besten Fall dabei helfen, das eigene zu entdecken. An so etwas mitwirken zu können, ist ein tolles Gefühl.
Beim Blick in die Zukunft der Berufe ist die Frage, welche Auswirkungen die Künstliche Intelligenz wohl auf Ihren Berufszweig und die Prüfertätigkeit haben wird – was denken Sie?
Deutsch: Ich denke, dass die modernen Technologien vor allem dort zum Vorteil sein werden, wo es um Schnelligkeit, die Vergleichbarkeit von Ergebnissen oder die Effizienz einer organisatorischen Tätigkeit geht. Aber bis das trotz aller Vorteile Einzug halten kann, gibt es aus meiner Sicht noch eine Menge Hürden. Zum Beispiel müssten der KI in Bezug auf die Bewertung von Prüfungsleistungen sehr viele Lösungsgrenzfälle gefüttert werden, die in den Prüfungen tagtäglich auftreten, weil Menschen eben keine Maschinen sind und zum jetzigen Zeitpunkt viel komplexer denken. Hier genügen Schwarz-Weiß-Schemata nicht immer, um eine Leistung angemessen bewerten zu können. An diesen Stellen benötigt der Mensch noch die Urteilskraft eines anderen Menschen und dessen langjährige Erfahrung. Darüber hinaus mache ich mir Sorgen um den situativen Bedarf an entscheidenden Kompetenzen, die Menschen fachlich vielleicht irgendwann nicht mehr vermittelt werden, weil Maschinen diese grundsätzlich besser übernehmen können. Und zwar in den Fällen, in denen die Technik ausfällt und Sicherungsmaßnahmen auch nicht mehr greifen. Im Labor geht es dann auch schnell mal um Leben und Tod. Da sollten wir uns also besser nicht ausschließlich auf Robotertechnik oder Künstliche Intelligenz verlassen, auch wenn diese hier ohne Frage eine wertvolle Unterstützung sein kann.
IHK ehrt Prüferinnen und Prüfer
Ohne sie läuft nichts in der Ausbildung, daher wird die Arbeit der vielen ehrenamtlich tätigen Prüferinnen und Prüfer von der IHK Halle-Dessau unter anderem einmal jährlich mit der Prüferehrung sowie mit weiteren Anerkennungen und Auszeichnungen gewürdigt: Rund 1.300 Prüferinnen und Prüfer engagierten sich im Jahr 2024 in über 243 Ausschüssen der IHK. Sie nahmen rund 9.200 Prüfungen ab, davon ungefähr 6.300 Prüfungen in der Erstausbildung sowie 2.900 Prüfungen in der Weiterbildung und Sachkunde.
Prüferinnen und Prüfer gesucht
An einem ehrenamtlichen Prüferengagement Interessierte können sich an Frau Julia Wünsch (Ausbildungsprüfungen) sowie Frau Sabine Krüger (Fortbildungs- und Sachkundeprüfungen) wenden oder unser Kontaktformular nutzen.
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