Sechs Freunde sollt ihr sein

Es war im Sommer 2022, als sie den Tipp bekamen, dass die Gaststätte am Braunschweiger PSV-Stadion alsbald einen neuen Betreiber brauchen würde. Nun wird Tim Lemke nicht umsonst als Braunschweigs Clubbetreiber-Urgestein gehandelt, dementsprechend erkannte er, der schon manch hässliches, angestaubtes Entlein als angesagten Schwan auferstehen ließ, das Potenzial sofort, welches in der Kneipe steckte. Christian Siebke (39) kann sich noch gut daran erinnern, wie er mit Lemke durch die Räume ging und dachte: „Oh Mann, hier muss aber alles komplett auf links gedreht werden.“ Andere hätten, diplomatisch formuliert, ob des Renovierungsstaus vielleicht dankend abgewunken. Aber Siebke und Lemke, die sich schon lange kennen und schon immer mal was zusammen in der Gastroszene machen wollten, ließen sich nicht abschrecken. Und drehten alles auf links. Schmuckes Ergebnis dieser Umkrempelei ist die Gaststätte Zur Freundschaft.
Der Name der Gaststätte klingt nicht nur einladend, er ist zugleich auch Konzept. In Anlehnung an den Spruch „11 Freunde müsst ihr sein, wenn ihr Siege wollt erringen“, der in den Sockel der Victoria-Statue (Vorgängerin der heutigen Fußball-Meisterschale) eingraviert ist, könnte man diesen Spruch als Geschäftsmodell der Freundschaft aufs Spielfeld kicken: „Sechs Freunde müsst ihr sein, wenn der Laden laufen soll.“ Betrieben wird die Gaststätte nämlich von sechs Partnern. Siebke ist neben manchem anderen der Mann für die Öffentlichkeitsarbeit.

Sportplakate der Kameradschaft und Freundschaft

Als ich an einem grauen Novembertag durch den Park in Richtung Polizeisportstadion gehe, muss ich an die furios gelungene Eröffnung der Freundschaft mit einer Tanz-in-den-Mai-Sause denken. Die lässige Party fand auf der herrlichen Terrasse statt, in der Gaststätte selbst schaue ich mich erst jetzt richtig intensiv um. Tannengrün die Wände, darauf Sportplakate, die nicht unbedingt den Moment des Sieges, sondern eher die Kameradschaft, die Freundschaft feiern. Roter Faden also auch in der Deko. Eine klare Linie prägt den Stil: viel Holz, viel dunkles, warmes Grün, schnörkellose Beleuchtung, Mut zu den massigen alten Heizkörpern, die vor dem Grün der Wände in Szene gesetzt wirken wie Designobjekte. Die Dielen, die auf der Großbaustelle zu Tage kamen, mussten vier Mal abgeschliffen werden. Maloche, die sich unbedingt gelohnt hat.
Der Vorstand des Vereins ist allzeit hilfsbereit.

Christian Siebke

Fallen wir doch gleich mal mit der knackigsten Frage ins Haus: Im Betreiberteam noch immer alles in Butter? Oder hängt der Haussegen mittlerweile schief? Viele Köche sollen ja bekanntlich den Brei verderben. Und zu sechst eine Linie zu finden, ist vielleicht auch nicht immer leicht. Siebke lächelt freundlich und sehr entspannt: „Läuft bestens.“

Der Verein steht hinter dem Konzept der Freundschaft

Vermieter ist der Polizeisportverein Braunschweig. Die Freundschaft versteht sich also nicht nur als Restaurant für jedermann, sondern auch als klassische Vereinsgaststätte. Wo die Fußballer nach dem Spiel gern bei Bier und Currywurst nachkarten und sich noch mal das Tor erzählen, wo das Tennisdoppel den Abend auf der Terrasse ausklingen lassen möchte. Nun hat man auch schon von Vereinsvorständen gehört, die im Umgang, sagen wir so, nicht unkompliziert sind. Stichwort: Vereinsmeierei. Siebke lächelt wieder sehr freundlich, wieder sehr entspannt: „Der Verein war vom zweiten Tag an begeistert von unserem Konzept.“ Wieso nicht vom ersten Tag an? Nun, Lemke werde zunächst immer mit Discotheken in Verbindung gebracht, obwohl er auch Gastronomie im Unternehmensportfolio habe, sagt Siebke. Als die „leichte Sorge“, dass hier am Stadion eine neue Disco eröffnet werden könnte, verflogen war, waren die Vereinsvertreter allesamt begeistert. Und das sei auch so geblieben.
Lemke und er hätten den Verein als Vermieter und seine Mitglieder als Hintergrund von Anfang an auch eher als Chance, denn als Nachteil gesehen: „Es ist der drittgrößte Verein Braunschweigs. Wenn wir nur einen Bruchteil der 2500 Mitglieder von unserem Lokal überzeugen können, so dachten wir, sollte es klappen.“
Dass es geklappt hat, davon zeugen nicht nur gut gefüllte Auftragsbücher. Am ersten Wochenende im Juni startete die Freundschaft quasi die Hochzeitssaison, seither haben hier schon etliche frisch vermählte Paare ihre Trauung gefeiert. Seit Mai dieses Jahres habe es für private Feiern aller Art und Firmenevents 60 Anfragen gegeben, auch das nächste Jahr ist „schon gut verplant, aber es gibt noch Kapazitäten“. Aber weil die Freundschaft eben nicht nur Lokal, sondern auch Vereinsgaststätte ist, dürfen die Kapazitäten für geschlossene Gesellschaften nicht komplett ausgereizt werden. Heißt: Wenn die Sportler an keinem Wochenende im Sommer mal ihr Bierchen auf der Terrasse zischen können, weil das Schild „Geschlossene Gesellschaft“ sie abweist, könnte es knirschen in der freundschaftlich-harmonischen Geschäftsbeziehung.

Ein bunter Ort für jedermann

Das Verhältnis zum achtköpfigen Vorstand sei nach wie vor top, „die sind allzeit hilfsbereit“. Das mag auch daran liegen, dass es dem Sextett gelungen ist, einen bunten Ort für jedermann zu etablieren, in dem sich frisch geduschte Sportler ebenso willkommen fühlen wie Stammgäste und neues Publikum. Kann man einfach auch mal kommen und einen Abend lang nur bei Getränken Rommee spielen? „Klaro.“ Wenn man nicht gleich mit 40 Leuten zum Würfeln oder Kartenspiel anrückt, runden solche Runden das breite Spektrum der Gästevielfalt gern gesehen ab.
Auch bei der Speisekarte musste der Spagat zwischen unkompliziertem Restaurant und solider Vereinsgaststätte gelingen. „Natürlich gibt es bei uns Currywurst!“ Die kostet unter zehn Euro, aber eben auch nicht nur 6,50 Euro. Solche Preise seien bei der derzeitigen Preisentwicklung im Einkauf unseriös kalkuliert, zudem würden sie auch nicht die gute Qualität widerspiegeln. „Fast alle unsere Gäste wissen das auch zu schätzen.“ Die Getränkepreise sind sehr moderat. Die Karte ist bewusst klein gehalten, die Gerichte wechseln bis auf einige Klassiker – neben der Currywurst zählt der Vorspeisenteller dazu – wöchentlich. „Die Küche hat darauf einfach Bock, die kamen teilweise aus Läden mit, sagen wir so, jahrelanger Kontinuität auf der Karte.“ In der Freundschaft arbeiten drei festangestellte Servicekräfte, je nach Bedarf kommen Minijobber dazu. In der Küche ist man zu dritt. 80 Gäste finden in den Räumen Platz, bei Hochzeiten kriegt man auch schon mal 100 Leute unter.

Das Grillwagenangebot wird 2024 vielfältiger werden

Nach einem guten halben Jahr kann man ja auch schon mal Bilanz ziehen: Was wird sich ändern, wo muss man nachjustieren, was bleibt?
Die Terrasse der Freundschaft teilt sich in einen Restaurant- und einen Selbstbedienungs-Bereich mit insgesamt 300 Plätzen. Das Angebot am Grillwagen soll im kommenden Sommer vielfältiger werden. Als sich in diesem Sommer teils lange Schlangen bildeten und die Gäste ob halbstündiger Wartezeiten maulig wurden, reagierte man sofort und besorgte ein Gästerufsystem. So kann man nach der Bestellung zurück zum Platz gehen und die Wartezeit sitzend und plaudernd verbringen bis der Melder blinkt.
Natürlich gibt es bei uns Currywurst!

Christian Siebke

Dieses Jahr ist die Gaststätte mit einer Tanz-in-den-Mai-Party in den Frühling gestartet, das wird 2024 wiederholt. Spargel wird es 2024 auch wieder geben. Doch vor dem Frühling kommt der Winter: Im Dezember soll es an zwei Adventswochenenden einen kleinen Weihnachtsmarkt mit Buden, Glühwein, Bratwurst, Musik geben. Braunkohl wird im Januar und Februar auch in der Freundschaft auf der Karte stehen. Der schmeckt natürlich noch dreimal so gut, wenn man vorher gewandert ist. „Wir überlegen in der Tat, Gruppen einen gut bestückten Bollerwagen für eine zweistündige Tour durch den Park zu vermieten.“ Und anschießend geht’s dann zum Braunkohlessen ins Restaurant. In aller Freundschaft.
suja
8/2023