5 min
Lesezeit

Mediterranes im Kiez
„Ich esse einfach wahnsinnig gern“, sagt Adam M‘Barek, als er sich auf dem Friedrich-Wilhelm-Platz von der Fotografin in die perfekte Position dirigieren lässt. Kurz überlegt der junge Mann noch, ob die Schürze nicht doch besser gegen eine bügelfrische ausgetauscht werden sollte, lässt sich dann aber nach ein bisschen Hin-und-her-Argumentieren davon überzeugen, dass das doch eigentlich Quatsch wäre. Ein Koch mit sauberer Schürze? Sähe doch nach Unterbeschäftigung aus. Aber zu wenig zu tun hat M‘Barek, der die Passanten auf dem Platz unterhält, indem er die Fotografin bezirzt, ihn unbedingt von seiner „Schokoladenseite“ abzulichten, wahrlich nicht. Seine Trattoria Bel Gusto hat sich seit dem Start im Dezember 2021 im Braunschweiger Kultviertel etabliert.
Zurück zum Essen. Wer wahnsinnig gern isst, belässt es meistens dabei. Und eröffnet nicht unbedingt umgehend ein Restaurant. Aber bei dem 27-Jährigen scheint es schon mehr als Gaumenfreude zu sein. „Leidenschaft“, sagt er. Da ist ihm (fast) kein Preis zu hoch und kein Weg zu weit. So holt er sich für sein kleines Restaurant gern mal „Inspiration“ in Hamburg oder Berlin, den Niederlanden, Italien, Spanien oder der Türkei.
„Gastro hat mich schon immer interessiert“
Nach seiner Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann bei „Küchen aktuell“ zog es ihn erst einmal weg vom heimischen Herd. Und an die Kochtöpfe in Rheinland-Pfalz. „Gastro hat mich schon immer interessiert, aber dort habe ich viel mitgenommen, teilweise in Restaurants auf Sterne-Niveau gearbeitet.“ M‘Barek ist eher der autodidaktische Typ, der sich übers Zuschauen und Assistieren viel Wissen aneignet und abspeichert. In der Trattoria beschäftigt er zwei Köche, er selbst schmeißt den Service.
Ein Klassiker der Antipasti-Variationen: Mozzarella auf Tomate.
© Claudia Taylor
Zurück in Braunschweig, wo er in der Stobenstraße groß geworden ist, griff er zu, als ihm der Zufall die Möglichkeit eröffnete, im Kiez einen Leerstand anzumieten und kulinarisch wiederzubeleben. Zuvor wurde hier vietnamesisch gekocht. Nun reicht ein Blick auf die Fotos an der anthrazitfarben getünchten Wand, um zu wissen, was einen auf der Speisekarte erwartet: Sophia Loren sitzt hinter einer gigantischen Schüssel, die locker eine Familienportion Spaghetti beherbergt. Und gabelt lustvoll zu. Da muss man gleich an das legendäre Zitat der Schönheit denken, die ihre Figur einmal so kommentierte: „Alles, was Sie sehen, verdanke ich Spaghetti.“ Das waren die unbeschwerten Jahre, als Kohlenhydrate noch nicht als der Feind auf dem Teller verteufelt wurden.
„Beim Pfälzer Wein stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis“
Aber das ist ein anderes Thema. Bei M‘Barek steht die Kost im Zeichen der mediterranen Küche. So liebte er es schon bei seiner Oma, so hält er es heute auch selbst, wenn er gemeinsam mit seinen Köchen die tagesaktuellen Gerichte kreiert. Auch in seiner Zeit in Neustadt an der Weinstraße lernte er das dortige Flair schätzen. „Es ist fast schon ein bisschen südländisch dort“, erinnert er sich gern an diese Jahre. Neben den schönen Erinnerungen hat er auch den Pfälzer Wein mit nach Braunschweig gebracht. „Das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt.“
Zurück zur tagesaktuellen Karte: Gegrillter Fisch, mal Dorade, mal Wolfsbarsch, oder Baby-Calamari mit Zitronenkartoffeln offeriert er seinen Kunden. Er erzählt, dass er sich während des Einkaufs für die wöchentlich wechselnde Tageskarte inspirieren lasse. Was dann im Einkaufswagen landet, folgt also auch ein wenig dem, was Frische und Angebot gerade hergeben.
Espresso rundet ein gelungenes Essen ab.
© Claudia Taylor
Bei meinem Besuch schafften es auf die schwarze Tafel unter der Überschrift „Außerhalb der Karte“ auch Carbonara di Pulipo und ein Nudelgericht mit Scampi und Zitrone, abgelöscht mit Grappa. Gerichte, die von einer eigenen Handschrift zeugen. Die Preise bewegen sich im mittleren bis gehobenen Segment. Stimmt die Qualität, belegen sie, dass hier solide kalkuliert wird. Die selbst gemachten Linguine Boscaiola von der Mittagskarte punkteten mit frischen Produkten und gekonntem Mut zu Würze mit den drei Klassikern: Salz, Pfeffer, Knoblauch.
Serviettenlob: „Ihr seid die Besten!“
Wie Kunden das Lokal rezensieren, wie viele Sterne sie spendiert haben, lässt sich ja jederzeit googlen. Das schönste Lob für den jungen Gastronomen und sein Team pinnt allerdings im Restaurant an der Wand. Ein Kind hat auf einer grünen Serviette einen Stern gemalt und dahinter mit Kuli seine Bewertung gesetzt: 5/5. Fünf von fünf zu vergebenden Sternen. Bestnote. „Ihr seid die Besten!“, steht da dann auch noch. Dass die Serviette keine Mogelpackung vom Chef ist, beglaubigen Fetttapser.
Pinsa ist bekömmlicher als Pizza
Neben klassischen italienischen Vorspeisen und Pastagerichten gibt es im Bel Gusto auch römische Pinsa. Anders als der Teig der klassischen Pizza aus Neapel, der aus Wasser, Mehl und Hefe besteht, wird der Teig der Pinsa aus Reis-, Soja- und Weizenmehl hergestellt. Soja soll für die Festigkeit im Teig sorgen, Reis für Leichtigkeit. Die wichtigste Zutat ist aber die Zeit: Eine originale Pinsa Romana soll bis zu 72 Stunden gehen. So ergibt sich am Ende eine leichter verdauliche Pizza-Alternative, bei der die Kruste schön knusprig, aber auch die Mitte fest ist. „Es ist eine hochwertigere Pizza“, sagt M‘Barek, der die Pinsa nicht rund, sondern als handliches Schiffchen serviert.
Diese bekömmlichere Variante gibt es auch in seinem Ladenlokal mit den beliebten Belägen Funghi e Prosciutto, Salami, Tonno, Capricciosa und vielen mehr. Wem der Gaumen mal nach anderen Sinneseindrücken steht, kann aber auch eine Pinsa mit Pistazienpesto, Mortadella und gehackten Pistazien bestellen. Oder zur Feier des Tages eine getrüffelte Pinsa wählen.
Dienstags muss der Rottweiler nicht zur Tagesmutter
Das Restaurant hat auf zwei Ebenen an Holztischen und grau bezogenen Stühlen Platz für 36 Gäste. Im Sommer wird an sechs Tagen die Woche auch draußen auf dem Platz serviert. Einen Espresso kann man auch im Winter an einem der Tischchen direkt neben der Restauranttür trinken.
Das Bel Gusto ist ein Familienbetrieb. Die Eltern halfen ihrem Sohn, der Erspartes in das Ladenlokal investierte, beim Renovieren, greifen auch jetzt immer mal tatkräftig unter die Arme, wenn Not am Mann ist. Denn Personalmangel ist auch hier kein Fremdwort. Für den Außerhausbetrieb hat er bis zu drei Fahrer. Klar, dass seine Tage arbeitsreich sind, aber für
M‘Barek ist das „völlig normal“. Und am Dienstag, wenn Ruhetag ist, freut sich auch sein Rottweiler, dass er mal nicht zur Tagesmutter muss.
M‘Barek ist das „völlig normal“. Und am Dienstag, wenn Ruhetag ist, freut sich auch sein Rottweiler, dass er mal nicht zur Tagesmutter muss.
suja