40 Jahre Sympatec - Weltmarktführer in der Partikelmesstechnik aus Clausthal

Zwischen dem Feldgrabengebiet der Technischen Universität Clausthal und der Pfauenteichkaskade des Oberharzer Wasserregals – seit 2010 UNESCO-Weltkulturerbe – erhebt sich ein selbstbewusstes und architektonisch ansprechendes Gebäude mit markantem Turm, das dem Weltmarktführer auf dem Gebiet der Partikelmesstechnik heute eine einmalige Markenheimat bietet. Die Sympatec GmbH hat vor 40 Jahren das vollbracht, wovon viele Gründerinnen und Gründer träumen: eine universitäre Ausgründung, die mit Innovationskraft und Unternehmergeist, ausgestattet mit Schweizer Risikokapital, auf historischen Fundamenten eine nachhaltig erfolgreiche Entwicklung genommen hat und aktuell den Übergang in die zweite Generation gestaltet. Das Unternehmen ist Erfinder und Pionier der Trockendispergierung und unterstützt mit innovativen Messsystemen weltweit operierende Kunden in der Entwicklung, Herstellung und Qualitätskontrolle anspruchsvoller Produkte, deren Funktionseigenschaften in den unterschiedlichsten Anwendungsbereichen von den physikalischen Eigenschaften ihrer kleinsten Bestandteile abhängen – den Partikeln. So bauen zum Beispiel pharmazeutische Wirk- und Hilfsstoffe, Kaffee und Schokolade, Zement, Farben und Lacke oder auch Feststoffbatterien, seltene Erden und die Pulvermetallurgie auf präziseste Messtechnologie, die in Clausthal entwickelt, gefertigt und weltweit verkauft und gewartet wird.

Ursprünge auf historischem Boden

Das Unternehmensgrundstück befindet sich östlich der Bergstadt Clausthal auf montanhistorischem Gelände. Die räumliche Nähe zur TU Clausthal und die historische Bedeutung des Areals – einst Sportplatz der TU, davor jahrhundertelang Heimat der zwei ertragsreichsten Gruben des Oberharzes „Dorothee“ und „­Caroline“ – verleihen dem Standort seinen besonderen Charakter. Nach einer mehrjährigen Odyssee auf der Suche nach einem geeigneten Standort, begann Sympatec Ende der 1990er-Jahre auf Vermittlung der Bergstadt Clausthal hier seine Heimat zu begründen. Nach aufwendiger Sanierung des vom Bergbau belasteten Bodens konnten die Firmengründer 2004 ihr erstes eigenes Gebäude beziehen, 2014 erfolgte die erste Erweiterung. Die prägnante Architektur der „Partikelmesstechnikfabrik“ ist prägend für die Landschaft. Die Bezeichnung der Firmenzentrale „Pulverhaus“ ist dem historischen Sprengstofflager der Grube Dorothee – dem „Pulverhäuschen“ – zu verdanken. Historische Alleen säumen das Gelände und führen zum Eingang des Besucherbergwerks „Caroliner Wetterschacht“, das sowohl öffentlich als auch vom Firmengebäude aus zugänglich ist. Gemeinsam mit dem Bergwerksmuseum und öffentlichen Partnern wurde der Wetterschacht während des Firmenneubaus aufgewältigt. „Wir sind uns unserer Verantwortung als ‚Corporate Citizen‘ bewusst und geben gerne etwas zurück – wir sichern unsere historischen Fundamente und fördern Talente“, berichtet Dr. ­Sebastian Röthele, heutiger geschäftsführender Gesellschafter und Sohn des Unternehmensgründers Dr. Stephan Röthele.
Wir sind uns unserer Verantwortung als ‚Corporate Citizen‘ bewusst und geben gerne etwas zurück – wir sichern unsere historischen Fundamente und fördern Talente.

Dr. Sebastian Röthele

Auch die Unternehmensphilosophie von Sympatec nimmt Bezug zum historischen Bergbau. „Zubuße, Freibau und Ausbeute“ markierten die Entwicklung und den wirtschaftlichen Erfolg einer Grube. Hatte man über zwei bis drei Generationen eine Grube in den Berg gehauen und förderte in der Folge erfolgreich Erze, erwirtschaftete die Grube schließlich Ertrag – machte also Ausbeute. Auf dem jeweiligen Grubengebäude wurde eine „Ausbeutefahne“ aufgestellt und markierte den ertragreichen Betrieb. Dieses Prinzip hat sich Sympatec für sein Gemeinsinn-Engagement seit Bezug des Pulverhauses zu eigen gemacht und daraus eine eigene Tradition entwickelt: Sympatec nimmt jedes Geschäftsjahr mit einem positiven Ergebnis zum Anlass, eine weitere Ausbeutefahne auf dem begehbaren Dach des Pulverhauses aufzustellen. Die moderne Interpretation der historischen Ausbeutefahne nimmt dabei Bezug zu Ereignissen, die das Geschäftsjahr besonders geprägt haben. Mit der Aufstellung verbunden ist eine signifikante Spende – in den letzten Jahren zu Gunsten der Sanierung der Clausthaler Marktkirche zum Heiligen Geist samt Orgelneubau.

Von der akademischen Invention zur technologischen Innovation

Die Erfolgsgeschichte der Sympatec begann, nachdem Stephan Röthele in den 70er-Jahren gemeinsam mit seinem Doktorvater Kurt Leschonski aus Karlsruhe an die TU Clausthal kam, um das Institut für mechanische Verfahrenstechnik aufzubauen. Hier entstanden in den 80ern erste Inventionen zur on-line-Probenahme und zur Dispergierung trockener Pulver in einem Luftstrom. Zur Verwertung von Entwicklungen an der TU Clausthal gründete Stephan Röthele 1980 im Keller seines Privathauses das Ingenieurbüro pantuc, das sich zunächst um die digitale Steuerung von Prozessen mit Industriecomputern kümmerte und sich als Vorläuferunternehmen erweisen sollte. Der Auftrag eines amerikanischen Partikelmesstechnik-Unternehmens für eine Einheit zur Trockendispergierung brachte dann den entscheidenden Impuls für die universitäre Ausgründung. Zwar kam es zu finanziellen Rückschlägen – die Amerikaner bezahlten die bereits gebauten Geräte nicht –, doch das Team ließ sich nicht entmutigen. Hatte man mit der Trockendispergiereinheit eine innovative Komponente, die aber nicht für sich allein eingesetzt werden konnte, musste nun für ein vollständig funktionsfähiges Messsystem noch ein optischer Sensor samt PC-Steuerung und Auswertung dazu entwickelt werden.

Durchbruch mit der Trockendispergierung

Während herkömmliche Verfahren zur Partikelmessung auf Flüssigkeiten zur Dispergierung im Nasskreislauf angewiesen waren, ermöglichte die eigens entwickelte Trockendispergierung die Vereinzelung und Analyse von Partikeln im Aerosolfreistrahl. Das vereinfachte die Probenvorbereitung und den Prozess der Messung, sparte Ressourcen, und erhöht die Effizienz vielfach. Um Kunden von den Vorteilen der Trockendispergierung zu überzeugen, entwickelte Sympatec in den Anfangsjahren parallel Geräte für die Nassdispergierung. Dies ermöglichte es, direkte Vergleiche anzustellen und die Effizienz und Vergleichbarkeit des neuen Verfahrens zu demonstrieren. „Die Skepsis, die der Trockendispergierung anfänglich entgegengebracht wurde, war signifikant – das Nassverfahren galt zur damaligen Zeit als etablierte Methode und wir mussten beweisen, dass es auch anders und vor allem besser geht“, so Sebastian Röthele. Die modular anpassbaren, hochauflösenden Laserbeugungssysteme konnten trockene und nasse Anwendungen zur Partikelcharakterisierung bedienen und lieferten dabei äußerst präzise und wiederholgenaue Messergebnisse. So konnte sich die Technologie der Trockendispergierung durchsetzen, erlangte ein echtes Alleinstellungsmerkmal und galt als entscheidender Fortschritt gegenüber damaligen Methoden zur Messung trockener Pulver.

Innovationsgeist überzeugt Risikokapitalgeber

Zu Beginn einer technologieorientierten Gründung steht man unweigerlich vor der Herausforderung, die Technologie marktfähig weiterzuentwickeln, Produktions- und Managementwissen verfügbar zu haben sowie das notwendige Kapital für die Realisierung der Produktion zu sichern. Genau in der Gründungsphase der Sympatec spielte die IHK Braunschweig eine Schlüsselrolle, indem sie den Kontakt zu einem potenten Partner herstellte: der schweizerischen Rieter AG. Rieter, ein globaler Hersteller von Spinnereimaschinen, der sich zur damaligen Zeit auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern zur Diversifizierung des Produktportfolios befand, verfügte mit der Maschinenfabrik Remlingen (MAREM) über eine Fertigungsstätte in der Region, die aufgrund mangelnder Auslastung auf neue Projekte angewiesen war. Sympatec war für Rieter die perfekte Gelegenheit: eine innovative Technologie, ein so genanntes „Window-of-technology“ mit großem Marktpotenzial, die gleichzeitig eine Chance zur Sicherung des Standorts Remlingen bot und die qualifizierten Arbeitsplätze absichern konnte. Und Rieter war für Sympatec der erfahrene und kapitalstarke „Angel Investor“, der 1984 als Mehrheitsgesellschafter die Gründung gemeinsam mit Stephan Röthele und Kurt Leschonski ermöglichte. Damit legten sie den Grundstein für eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte. Einen weiteren Anschub ermöglichte die IHK Braunschweig mit der Verleihung des ersten Technologietransferpreises im Jahr 1985.
Die Trockendispergierung mit Laserbeugung ist nach wie vor unser Alleinstellungsmerkmal und bleibt zuverlässig das Brot-und-Butter-Geschäft.

Dr. Sebastian Röthele

Auch aus Investorensicht gestaltete sich die Partnerschaft zunächst erfolgreich, wenngleich die schweizerische Muttergesellschaft ein schnelleres Wachstum erwartet hätte. Dennoch entwickelte sich die Zusammenarbeit für beide Seiten vorteilhaft: Sympatec etablierte sich in zunehmendem Maße in der Partikelmesstechnik, während Rieter von der technologischen Innovation und der verbesserten Auslastung seiner Produktionsstätten profitierte. Als sich das Kerngeschäft der Schweizer in den 1990er-Jahren erholte, konzentrierte sich der Konzern wieder stärker auf seine traditionellen Geschäftsfelder. Im Jahr 1988 beschloss Rieter, die Mehrheitsbeteiligung an Sympatec aufzugeben, bevor sie sich 1992 gänzlich zurückzog. Dies bot den Gründern Stephan ­Röthele, Kurt Leschonski und den Mitarbeitern der ersten Stunden die Gelegenheit, die Mehrheit in einem Management-Buy-out zurückzuerlangen. „Als junge Familienväter, mit neu gebauten Eigenheimen und entsprechenden Verpflichtungen“, wie Sebastian Röthele es beschreibt, „stürzten sich Ulrich Kesten, Wolfgang Witt und ­Detlef Niebuhr mit ihrem Privatvermögen – und dem ihrer ­Frauen – als operative Gesellschafter an der Seite von Stephan Röthele und Kurt Leschonski ins Risiko“. Seit 1989 erzielt Sympatec Jahr für Jahr Gewinn und ist aus Überzeugung ein selbstbestimmtes, unabhängiges Familienunternehmen.

Weltweiter Erfolg mit vielfältigen Anwendungen

Die Technologien von Sympatec sind vielfältig im Einsatz: sie finden Anwendung in Branchen, die auf den ersten Blick kaum miteinander verbunden zu sein scheinen. Ob in der Rohstoffgewinnung, im Pharmabereich, im produzierenden und verarbeitenden Gewerbe oder in der Lebensmitteltechnologie und Chemie – die Fähigkeit, Partikelgrößen zuverlässig mit höchster Präzision zu messen, erweist sich als Schlüssel zur Optimierung von Prozess-, Produkt- und Materialeigenschaften. Partikelgröße und Partikelform sind häufig kritische Größen, die sicherstellen, dass die Produkte erwünschte Qualitätsmerkmale aufweisen und Funktionseigenschaften erfüllen. In der Pharmaindustrie ist die Partikelgröße kein bloßes Detail, sondern kritischer Parameter in der Arzneimittelentwicklung und -produktion. Asthmasprays müssen so fein abgestimmt sein, dass sie problemlos in die Lunge gelangen und dort wirken, während Tabletten nur dann ihre gewünschte Wirkung entfalten, wenn die partikeltechnologische Formulierung eine sichere und zuverlässige Anwendung ermöglicht und der Wirkstoff wie gewünscht vom Körper metabolisiert werden kann. Der Zerfall einer Tablette, die Dosiergenauigkeit des Wirkstoffs oder dessen Wirkgeschwindigkeit hängen unmittelbar von der Partikelgröße ab.
In der Zementherstellung sind neben der Sicherstellung einer gleichbleibenden, sortenspezifischen Qualität weiterhin Herausforderungen hinsichtlich Energie- und Ressourceneffizienz zu bewältigen. Die Mahlfeinheit bestimmt die Festigkeitsklasse: Je feiner Zement gemahlen ist, desto schneller ist die Festigkeitsentwicklung, desto höher ist auch die Druckfestigkeit nach 28 Tagen. Rund die Hälfte der Produktionskosten in der Zementherstellung entfällt auf den Energieverbrauch – vorrangig beim Brennen und Mahlen. Sympatec-Technologien ermöglichen die Messung und Steuerung der Mahlprozesse in Echtzeit und leisten so einen wichtigen Beitrag zur Energieeffizienz und zur Senkung von CO₂-Emissionen. Doch das ist längst nicht alles: vom gemahlenen Kaffee und zartschmelzenden Schokoladen über die Beschaffenheit von Farben und Lacken bis hin zu Hochleistungsbatterien für die Elektromobilität oder in der additiven Fertigung – Technologien aus Clausthal messen Partikeleigenschaften und stellen so die Funktion und Qualität sicher, die in vielen Anwendungs- und Lebensbereichen entscheidend sind.
Mit nunmehr 7000 installierten Systemen, 200 Mitarbeitenden, 20 Standorten und Partnern in über 50 Ländern hat das Unternehmen nicht nur seine Nischenstrategie perfektioniert, sondern sich als weltweiter Marktführer in relevanten Anwendungen etabliert. Das Technologieportfolio umfasst neben der Laserbeugung die Hochgeschwindigkeitsbildanalyse, die Nanomesstechnologie mit dynamischer Lichtstreuung sowie das Nassmessverfahren mit Ultraschallwellen. „Die Trockendispergierung mit Laserbeugung ist nach wie vor unser Alleinstellungsmerkmal und bleibt zuverlässig das Brot-und-Butter-Geschäft“, fasst Röthele zusammen.

Gemeinsinn als Teil der Unternehmensidentität

Sympatec versteht sich nicht nur als Technologieführer, sondern auch als aktiver Teil der Gesellschaft in der Region. Unter dem Gemeinsinnkonzept „Fundamente sichern, Talente fördern“ engagiert sich das Unternehmen in zahlreichen sozialen, kulturellen und gemeinnützigen Projekten. In den vergangenen Jahren flossen über eine Million Euro in verschiedene Initiativen, darunter die Sanierung der Clausthaler Marktkirche und die Gründung und Förderung des HarzClassixFestivals. Die Entwicklung von Talenten im akademischen Bereich wird mit dem Deutschlandstipendium und die Nachwuchsarbeit im Biathlon im Harz finanziell unterstützt. Dieses Engagement wird durch umfangreiche ehrenamtliche Arbeit flankiert und hat Sympatec 2017 den Kulturkontaktepreis des Landes Niedersachsen eingebracht. „Die Stadt und die Region sind verantwortlich dafür, dass wir im Jahr 2024 auf eine imposante 40-jährige Firmengeschichte zurückblicken können. Mit den verfügbaren Mitteln aus unserem Hause möchten wir den Menschen hier etwas zurückgeben“, unterstreicht Sebastian Röthele.
Im vergangenen September fanden ausgiebige Feierlichkeiten im Rahmen des 40. Geburtstag statt, mit denen nicht nur die Erfolge der vergangenen Dekaden zelebriert, sondern auch das Erbe des im Januar 2023 verstorbenen Gründers Dr. Stephan Röthele ­geehrt wurden. Die Geschäftsführung übertrug er im Sommer 2022 an seinen Sohn, der seit 2011 im Unternehmen ist. Gemeinsam mit Dr. ­Thomas Reck, der seit 2021 die technische Leitung verantwortet und seit 2023 Co-Geschäftsführer ist, führt er das Unternehmen in eine neue Ära. Trotz einer herausfordernden Marktlage, insbesondere in China und Übersee, erzielte Sympatec 2023 einen Produktions- und Umsatzrekord. Der Generationswechsel in der Gesellschafter­struktur, der 2018 durch die Gründung einer Holdinggesellschaft eingeleitet wurde, ermöglichte zudem die Konsolidierung des Großteils der Gesellschafteranteile; Sympatec gelangt damit die Eigenständigkeit und vermeidet die Einflussnahme von Dritten.
„Die Diversifizierung unseres Produktportfolios und der Fokus auf wachstumsstarke Märkte sichern uns nach wie vor die Position als Innovationsführer in unserer Nische. Wir bleiben unseren Wurzeln treu, setzen auf nachhaltiges, organisches Wachstum und machen dort weiter, wo unsere Gründer begonnen haben: Konzentration auf unsere Kernkompetenzen, Innovation und Internationalisierung.“
jk
9/2024