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Dentaltechnik aus Goslar für die ganze Welt
Seit der Mensch Zähne besitzt, plagen ihn auch Zahnprobleme – und mit ihnen die gefürchteten Zahnschmerzen. Schon vor Jahrtausenden suchten unsere findigen Vorfahren nach Wegen, um den uralten Kampf gegen gewöhnungsbedürftige Kieferoptiken zu gewinnen. Dass dieser heutzutage weitaus moderner geführt wird, liegt einerseits an den Errungenschaften der Medizin, aber andererseits auch an den zahlreichen Innovationen der Dentaltechnik. Die ERNST HINRICHS Dental Gruppe darf sich mit Fug und Recht als Pionier auf diesem Gebiet bezeichnen, denn der Vorläufer des Harzer Traditionsunternehmens gehörte damals zu den ersten Betrieben überhaupt, das auf die Idee kam, den Baustoff Gips umzufunktionieren und für präzise zahntechnische Abdruckmaterialien und Modelle einzusetzen, die die Basis zur Herstellung von Zahnersatzprodukten bilden.
Die Geschicke des Harzer Dentalexperten werden seit vier Jahrzehnten von der Familie Rehse gelenkt. Hier im Bild: Christian Rehse (links) und Markus Rehse (rechts).
Ein Rundgang über das heutige Firmengelände offenbart eine überraschend bemerkenswerte Dichotomie: Während in einer Halle lärmende Gipsmischanlagen ihre Arbeit verrichten und den Eindruck eines Baustoffhandels erwecken, säumen tischgroße, modern anmutende und vor allem kastenförmige Gerätschaften die Räumlichkeiten des vor nicht allzu langer Zeit neu errichteten Büroanbaus. Ein Zusammenhang ist für das bloße Auge zunächst nicht zu erkennen, auch wenn die Vermutung nahe liegt, dass hier etwas Besonderes geschieht. Aber dazu später mehr.
Die Fräsmaschinen haben sich in den vergangenen zehn Jahren zu einem echten Kassenschlager entwickelt und eignen sich hervorragend für passgenaue Dentalrestaurationen.
Zunächst der Blick zurück: Die Erfolgsgeschichte führt uns ins Jahr 1888, als Ernst Hinrichs in Osterode am Harz ein Unternehmen zur Herstellung zahntechnischer Gipse gründete. Durch die Zusammenarbeit mit dem dort ansässigen Zahnarzt Dr. Kühns entstanden die ersten gipsbasierten Abdruckmassen und Modellgipse, die weltweit Verbreitung fanden. Mit diesen Neuschöpfungen wurden kontinuierlich Maßstäbe gesetzt, die sich sogar bis nach Südamerika herumsprachen – für den damals noch winzigen Betrieb ein echter Ritterschlag. Die Einführung moderner elektrischer Sicht- und Siebmaschinen verbesserte die Qualität von eigens entwickelten Dentalpräparaten in den 1920er-Jahren erheblich.
Die Dentalbranche befindet sich seit längerer Zeit in einer disruptiven Phase, der wir uns unentwegt und anhand technischer Neuheiten anpassen müssen.Markus Rehse
Und so etablierte Ernst Hinrichs über Jahrzehnte hinweg eine respektable Produktpalette, die mit dem 1985 erfolgten Eintritt Christian Rehses in die Geschäftsleitung eine neue Dimension erreichen sollte. Diese Entwicklung kam nicht von ungefähr, denn Rehse ist ein richtiges Eigengewächs: Ursprünglich in der Landwirtschaft aktiv, fungierte er ab 1971 als Quereinsteiger in der Produktion. „Wir erkannten rasch die Bedeutung der technischen Weiterentwicklung. Wir bauten das Sortiment kontinuierlich aus, erschlossen neue Marktanteile und brachten das Unternehmen so geradlinig auf Wachstumskurs“, erinnert er sich. Aufgrund des starken Wachstums verlagerte die Firma 1990 ihren Standort von Osterode nach Jerstedt bei Goslar, wo moderne Produktions- und Lagerhallen entstanden, die heute noch Bestand haben und sukzessive erweitert werden.
Zahnersatz im modernen Gewand
Die moderne Zahntechnik befindet sich in einem kontinuierlichen Wandel, der durch die fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung vorangetrieben wird. Wo einst manuelle Verfahren den Ton angaben, übernehmen immer häufiger computergestützte Technologien eine zentralere Stellung, insbesondere bei der Fertigung von Zahnersatz. Eine entscheidende Rolle spielt dabei Sohn Markus, der die Geschäftsführung seit 1998 komplettiert und das Unternehmen federführend in eine transformative Phase überführte und damit den herausfordernden Weg zur Marktführerstellung ebnete. „Die Dentalbranche befindet sich seit längerer Zeit in einer disruptiven Phase, der wir uns unentwegt und anhand technischer Neuheiten anpassen müssen“, lächelt der ausgebildete Dentalkaufmann.
Gipsabdrücke gehören heutzutage immer noch zum Standardrepertoire von Dentallaboren und bilden die Basis zur Herstellung von Zahnersatzprodukten.
Auch wenn die analoge Produktlinie der zahntechnischen Werkstoffe wie Spezialgipse, phosphatgebundene Einbettmassen und Dubliersilikone ständig weiterentwickelt wird, darf die digitalisierte Komponente im 21. Jahrhundert natürlich nicht fehlen. Seit 2013 vertreibt das Team Fräsmaschinen und 3D-Drucker, die Zahnersatz aus Dentallegierungen mit beeindruckender Präzision herstellen. Diese Geräte setzen digitale Konstruktionsdaten um und arbeiten mit einer Genauigkeit, die der hohen Qualität der manuellen Fertigung gleichkommt. Die Vorteile liegen auf der Hand: eine erhebliche Reproduzierbarkeit, enorme Zeit- und Personalersparnis und eine effiziente Materialverarbeitung. Inzwischen hat die Firma weltweit mehr als 2500 Fräsmaschinen absetzen können.
Wir erkannten rasch die Bedeutung der technischen Weiterentwicklung.Christian Rehse
Doch das Team geht noch weiter: Das Unternehmen gehört mittlerweile neben vielen analogen Werkstoffen auch zu den Marktführern auf dem Gebiet der Lasersinteranlagen, mit denen Metallpulver durch gezielte Laserbestrahlung geschmolzen und zu festen Bauteilen geformt werden. Diese Technologie erleichtert die Fertigung von metallischem Zahnersatz erheblich und bietet eine Alternative zur klassischen Gusstechnik. Die Beteiligung an der Darmstädter 2oneLab GmbH brachte den Stein ins Rollen. „Unsere Unternehmensgruppe wurde beständig vergrößert und umfasst gegenwärtig fünf Firmen: ERNST HINRICHS Dental GmbH, ERNST HINRICHS Produktion GmbH, SILADENT Dr. Böhme & Schöps GmbH, al dente Dentalprodukte GmbH und picodent Dental-Produktions- und Vertriebs-GmbH“, erläutert Markus Rehse das komplexe Gebilde.
Servicequalität macht den Unterschied
Maschinen und Werkstoffe schön und gut, aber: Wie kommt nun der Kunde ins Spiel? Hauptabnehmer sind in der Regel Dentallabore oder auch Zahnarztpraxen, die sich auf das fachliche Know-how des eigens geschulten und auch in Teilen selbst ausgebildeten Servicetechnik-Teams verlassen können. Sie betreuen Abnehmer im Umgang mit sämtlichen Produkten und bieten eine umfassende Beratungskompetenz. Und sollten weitere Unklarheiten aufkommen, schafft der technische Support Abhilfe mit speziellen Schulungen, bei denen Kunden konkret im Produktumgang sensibilisiert werden. Dieser Ansatz hat sich ausgezahlt, denn die Umstellung auf digitale Zahntechnik erfordert einen hohen Wissensgrad und technische Kompetenz. „Mit diesem Angebot sind wir deutschland-, wenn nicht sogar europaweit, einmalig unterwegs“, berichtet Markus Rehse stolz.
In den weitläufigen Lagerhäusern sind mittlerweile mehrere Tausend Einzelprodukte deponiert, die bequem von zu Hause aus geordert werden können. Das Team kann in diesem Kontext auch Kunden in über 80 Ländern beliefern und beschäftigt darüber hinaus 170 Mitarbeitende an insgesamt drei Standorten. Neben den zahntechnischen Laboren werden in zunehmenden Maßen die Zahnarztpraxen selbst mit digitalen Fertigungssystemen ausgestattet – eben eine Branche im Wandel.
Zahntechniker im Einsatz: Die gut ausgebildeten Fachkräfte beraten und unterstützen Kunden bei Fragen aller Art.
Herausforderungen nehmen zu
Trotz zunehmender Konkurrenz aus Asien bleibt „Made in Germany“ in der Dentalwelt ein weltweit anerkanntes Qualitätsmerkmal. Während asiatische Hersteller in puncto Qualität aufholen, fehlt es oft an umfassendem Fachsupport. Genau hier kann die Unternehmensgruppe mit seiner Expertise, seinem Netzwerk und seiner langjährigen Erfahrung punkten. „Es brechen uns immer wieder alte Märkte weg, vor allem die analogen Werkstoffe stehen hier im Mittelpunkt. Durch unseren immer höher werdenden Digitalisierungsgrad können wir diesen neuen Bedingungen adäquat entgegenwirken“, verlautbart Christian Rehse selbstbewusst.
Ein vorsichtiger Blick in die Zukunft zeigt: Die Digitalisierung in der Zahntechnik wird sukzessive und in verstärkter Intensität voranschreiten. Die Kombination aus 3D-Scantechnologie, hochpräzisen Fräsmaschinen und Lasersinterverfahren wird die Herstellung von Zahnersatzprodukten nachhaltig verändern. Die Firmen der ERNST HINRICHS Dentalgruppe haben diesen Wandel nicht nur frühzeitig erkannt, sondern prägen ihn aktiv mit. Markus Rehse bringt es auf den Punkt: „Wer sich nicht anpasst, bleibt zurück.“
jk
3/2025