Carsharing in Braunschweig: Sheepersharing und das Modell für nachhaltigere Mobilität

In einer Zeit, in der das Thema Nachhaltigkeit einen immer höheren Stellenwert in unserer Gesellschaft einnimmt und die Mobilität in urbanen Gebieten vor großen Herausforderungen steht, hat sich die BS-CarSharing GmbH in Braunschweig als wichtiger Stakeholder für das Verkehrskonzept der Stadt etabliert. Das stationsbasierte Carsharing-Unternehmen, das 2010 von Wolfgang Harms, Geschäftsführer der Autovermietung Harms an der Hamburger Straße, unter dem Markennamen „Sheepersharing“ ins Leben gerufen wurde und mittlerweile unter der operativen Leitung seiner Ehefrau Annett Harms steht, hat sich zum Ziel gesetzt, günstige und effiziente Fortbewegungsmöglichkeiten auf die Straße zu bringen – und das seither mit großem Erfolg.
Mit 46 festen Stationen und einem Fuhrpark von 82 Fahrzeugen bedient das Duo die Löwenstadt und ihre Randgebiete. Dabei sind die Standorte strategisch so gewählt, dass sie den Mobilitätsbedarf der Bürgerinnen und Bürger abdecken und gleichzeitig zur Entlastung der Parkplatzsituation beitragen. Denn für jedes Carsharing-Auto, das Sheepersharing zur Verfügung stellt, würden potenziell bis zu 20 Personen auf ein eigenes Automobil oder einen Zweitwagen verzichten, was nicht nur die Umwelt schont, sondern auch den lokalen Verkehr reduziert und in Summe die Lebensqualität hebt. „Unsere Kundinnen und Kunden sind überwiegend privat. Die dynamischen Rahmenbedingungen und die Möglichkeit des Verzichts auf einen eigenen Wagen kommen gut an“, meint Wolfgang Harms.

Das Konzept geht auf

Das Erfolgsrezept liegt dabei nicht nur im breiten Angebot an Fahrzeugen, das von klassischen Pkw über Transporter bis hin zu zwei E-Autos reicht, sondern auch in der guten Zusammenarbeit mit der städtischen Verwaltung. Diese hat sich nämlich als äußerst kooperativ und flexibel erwiesen, als es um die Bereitstellung von Stellplätzen ging, die damit vor allem ein klares Zeichen für umweltfreundlichere Mobilität zu setzen versucht. Ein wesentlicher Bestandteil des Erfolgs von Sheepersharing ist die enge Verzahnung mit dem öffentlichen Nahverkehr. Als Erweiterung zum ÖPNV bieten sie eine Lösung für die sogenannte „Letzte Meile“, sodass zum Beispiel Bahnreisende nahtlos an ihr Ziel gelangen können. Dadurch wird nicht nur die Nutzung des öffentlichen Verkehrs attraktiver, sondern auch die individuelle An- oder Abreise leichter gestaltet. „Das dichte Netz deckt die Gegend vollständig ab, sodass alle Kundinnen und Kunden ebenfalls alternative Stellflächen fußläufig und ohne großen Aufwand erreichen können“, erzählt Annett Harms.
Das dichte Netz deckt die Gegend vollständig ab, sodass alle Kundinnen und Kunden ebenfalls alternative stellflächen fußläufig und ohne großen Aufwand erreichen können.

Annett Harms

Interessierte können sich zunächst einmalig anmelden und erhalten im Anschluss eine Kundenkarte, mit der sämtliche Kraftfahrzeuge entsperrt werden können. Dasselbe funktioniert auch mit einer App. Der Buchungsvorgang erfolgt in Kooperation mit der Carsharing-Tochter der Deutschen Bahn „Flinkster“, die ihre technische Infrastruktur dafür bereitstellt. „Unser Kooperationsvertrag mit der DB hat uns den Einstieg um einiges erleichtert. Wir werden in Kürze auch von einer verbesserten Buchungsplattform profitieren, die das Kundenerlebnis maßgeblich steigert. Der gesamte Kundenprozess, inklusive der Anmeldung und Führerscheinkontrolle, erfolgt dann komplett digital“, fügt sie hinzu. Die Implementierung des „Free-Floating“ – also das stationsunabhängige Carsharing – wurde hingegen verworfen. „Braunschweig ist für dieses Geschäftsmodell einfach zu klein. Außerdem steht das Free-Floating im Wettbewerb zum ÖPNV. Wir verstehen uns mit dem stationsbasierten Prinzip als Ergänzung“, so Wolfgang Harms.

Externe Einflüsse stellen Hindernisse dar

Trotz des Erfolgs und des stetigen Wachstums stehen Sheepersharing auch einige Herausforderungen bevor. Insbesondere schwierig gestaltete sich die Einführung elektrisch betriebener Autos aufgrund der (noch) unzureichenden Ladeinfrastruktur. „Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass jedes E-Carsharing-Fahrzeug einen eigenen Ladepunkt benötigt oder einen wirklich starken Schnellladepark in gut erreichbarer Nähe. Hier sind Förderungen und Investitionen im öffentlichen Raum gefragt, die jedoch mit hohen Kosten und bürokratischen Hürden verbunden sind. An dieser Stelle sind vor allem Politik und Behörden gefordert, die mit einem Ausbau den Grundstein für eine noch umweltschonendere Mobilität leisten könnten“, erklärt er.
Ein früheres Projekt mit einer öffentlichen Ladestation entpuppte sich deswegen in der Umsetzung als unzureichend. Die zwei verbliebenen E-Autos werden in Kooperation mit einem Braunschweiger Energieversorger betrieben. Ein weiteres Problem stellt das häufige Fremdbelegen vakanter Stellplätze dar. Trotz des Engagements der Stadt kommt es immer wieder vor, dass reservierte Parkplätze von unachtsamen Fahrzeughalterinnen oder Fahrzeughaltern blockiert werden. Dies führt nicht nur zu Unannehmlichkeiten für die Kundschaft, sondern verursacht auch zusätzliche Kosten, da sämtliche Autos manuell umgeparkt werden müssen. „Carsharing sollte eigentlich ein vollautomatischer Prozess sein. Jeder händische Eingriff kostet Geld, viel Zeit und nimmt personelle Ressourcen in Anspruch, die eigentlich nicht zu gewährleisten sind. Wir möchten an dieser Stelle zu mehr Achtsamkeit appellieren“, betont der 65-Jährige und ergänzt: „In solchen Notfällen wären wir der Stadt mehr als dankbar, wenn stattdessen öffentliche Parkflächen kostenfrei und unkompliziert verwendet werden könnten. Eine bessere Kennzeichnung fester Stellplätze wurde uns bereits angeboten und wir wollen dieses Unterfangen gemeinsam angehen.“
Der Kundenkomfort leidet unter derartigen Vorfällen beträchtlich, zumal das Abstellen an Alternativstandorten im öffentlichen Raum zunächst bezahlt werden muss. Die entrichtete Summe wird im Nachgang jedoch vollständig vom Unternehmen erstattet. Besonders anfällig sind verschiedene „Brennpunkte“, also Orte, die durch ein hohes Verkehrsaufkommen ohnehin überlastet sind.

Ein Wortspiel ebnet den Weg zum Erfolg

Wer sich in Braunschweig regelmäßig aufhält, ist mit Sicherheit schon mal den weißen Autos mit dem grünen Schäfchen-Logo begegnet. Der eigentümliche Name ergibt sich aus einem Wortspiel zwischen den Begriffen „cheaper“ und „sharing“ (zu Deutsch: „günstiger“ und „teilen“) und deutet offenkundig auf das günstige Teilen von Mobilitätsmitteln hin. „Das ‚sheep‘ (zu Deutsch: Schaf) ist in letzter Konsequenz auf unsere durchwachsene englische Aussprache zurückzuführen“, so die kuriose Anekdote des Ehepaars. Die öffentlichkeitswirksame Benennung hat sich dennoch ausgezahlt: Die Neuregistrierungen nehmen weiter zu und die Bestandkunden melden immer mehr Fahrten an. Eigenen Angaben zufolge wurden im vergangenen Jahr 1,3 Millionen Streckenkilometer zurückgelegt. Solche Zahlen stimmen optimistisch. Trotz aller Herausforderungen bleibt Sheepersharing zuversichtlich und setzt weiterhin auf nachhaltiges, aber auch bedächtiges Wachstum. „Wir werden unsere Kundenzahlen weiterhin organisch steigern und wie bisher unseren Geschäftsausbau selbst finanzieren“, erfahren wir von Annett Harms.
Aus meiner Sicht stellt der Individualbesitz eines Kraftfahrzeugs eine große Verschwendung dar.

Wolfgang Harms

Zukunftsträchtige Mobilitätslösungen gefragter denn je Sheepersharing soll nicht nur für günstige Mobilität und Nachhaltigkeit stehen, sondern auch für eine gemeinschaftliche Vision einer lebenswerten Umgebung. Daher begreift sich der Betrieb auch als Dienstleister für eine automobile Ergänzung im Umweltverbund mit Bahn, Tram, Bus und Fahrrad in Braunschweig. „Aus meiner Sicht stellt der Individualbesitz eines Kraftfahrzeugs eine große Verschwendung dar. Unsere Innenstädte sind vollkommen überlastet, der Verkehr nimmt immer weiter zu, während die Klimakrise direkt vor der Tür steht. Unser Angebot geht gewiss noch Hand in Hand mit Verbrennern, jedoch würde eine deutliche Verringerung ebendieser einen erheblichen Beitrag zum Umweltschutz leisten. Auch für Unternehmen könnte sich eine Umstellung ihres Flottenmanagements finanziell lohnen. Sogar einen kleinen Fuhrpark zu unterhalten, ist stets mit hohem Aufwand verbunden. Fahrzeugbeschaffung, Versicherung, Schadenmanagement, Wartung und auch eine eigene Dienstwagenregelung verlangen immer Aufmerksamkeit des Managements. Wir bieten dafür Corporate-Carsharing-Lösungen an, damit die Firmen sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können“, konkludiert Wolfgang Harms.
Verschiedene Mobilitätslösungen können auch Auswirkungen auf die Stadtplanung haben. Durch die Reduzierung des Bedarfs an Parkplätzen und einer potenziellen Veränderung des Nutzungsverhaltens im öffentlichen Personennahverkehr könnte es zu einem Wandel in der städtischen Infrastruktur kommen. Ob dies jedoch zu einer nachhaltigeren Stadtentwicklung führt, ist abhängig von verschiedenen Faktoren und lokalen Gegebenheiten.
jk
3/2024