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40 Jahre ABV Braunschweig/Magdeburg – Ausbilden mit Herzblut
„Wenn wir unsere Jugend nicht auf ihre Zukunft vorbereiten, haben wir selbst auch keine“, mahnte einst Renate Pahlitzsch, ehemalige Geschäftsführerin des Ausbildungsverbunds der Wirtschaftsregion Braunschweig/Magdeburg (ABV), in einem Gespräch im Rahmen des 20-jährigen Jubiläums des eingetragenen Vereins mit der Braunschweiger Zeitung. Diese Einstellung ist vor allem heutzutage wertvoll, denn die allseits beliebten Problemthemen Ausbildung und Fachkräfte erfahren derzeit eine beispiellose Intensivierung und stellen die deutsche Wirtschaft vor ernsthafte Herausforderungen. Der 1984 in Braunschweig gegründete Bildungsträger leistet hier Abhilfe und setzt seit mittlerweile 40 Jahren in Eigenregie und in Zusammenarbeit mit Betrieben das Schaffen zusätzlicher Ausbildungsstellen um und unterscheidet sich dadurch in besonderem Maße von anderen Äquivalenten.
V. l. n. r.: Mitgründer Adalbert Wandt, Geschäftsführerin Christiane Horn und Vorstandsvorsitzender Dr. Ulrich Kühnast.
Der Ausbildungsverbund ist ein echter Schlüsselspieler, wenn es darum geht, junge Talente zu finden, zu fördern und Firmen in der Region auf diese aufmerksam zu machen. Mit klarem Blick auf die Ausbildung qualifizierter Auszubildender bildet der Verein eine Brücke zwischen angehenden Fachkräften und kleinen sowie mittleren Unternehmen, die ihre Rolle als Ausbilder wahrnehmen wollen, jedoch oft nicht alle Herausforderungen allein stemmen können.
Wirtschaftsjunioren legen Grundstein
Dr. Ulrich Kühnast, Vorstandsvorsitzender der ersten Stunde und Mitgründer des Vereins, erinnert sich nur zu gut an die für damalige Verhältnisse fast schon revolutionäre Idee: „Anders als heute sahen wir uns früher mit einem enormen Überschuss an potenziellen Fachkräften konfrontiert, während die Anzahl an Ausbildungsplätzen vergleichsweise überschaubar war.“ Gemeinsam mit anderen Mitstreitern der Braunschweiger Wirtschaftsjunioren, darunter Helmut Streiff, Adalbert Wandt, Wolfgang Niemsch, Peter Wolf, Christian Schiffer und Harald Möller, erfolgte die Ausgründung auch mit Unterstützung der IHK Braunschweig und ihrem damaligen Hauptgeschäftsführer Werner Vehling mit dem Ziel, insbesondere sozial benachteiligte junge Menschen im Alter bis 25 Jahren in Ausbildung zu bringen.
Wir begreifen uns gewiss nicht als Erziehungsersatz; dennoch stehen wir unseren Auszubildenden mit Rat und Tat in allen Lebensbereichen unentwegt zur Seite.Christiane Horn
„Wir wollten etwas auf die Beine stellen, dass einerseits jungen Menschen auf der Suche nach einer beruflichen Perspektive Hilfe bietet, aber andererseits auch der regionalen Wirtschaft zugutekommt“, ergänzt Adalbert Wandt, der das einstige Vorzeigeprojekt über Jahrzehnte begleitete. Nach dem Fall der Mauer wurde das damals in Braunschweig erfolgreich angelaufene Konzept in Magdeburg erprobt und feierte rasch erste Erfolge. „Die meisten unserer Mitarbeitenden sitzen derzeit dort, da unsere anderen Kampagnen und Initiativen vom Land Sachsen-Anhalt gefördert werden“, fügt Dr. Kühnast hinzu. Finanziert wird das Vorhaben seit jeher überwiegend durch Mitgliedsbeiträge der teilnehmenden Betriebe und einer Monatspauschale.
Ausbildung im Verbund birgt große Vorteile
Die Verbundausbildung bildet das Herzstück der Zielvorstellung: Sie richtet sich an Unternehmen, die allein nicht in der Lage oder bereit sind, eine vollständige Ausbildung zu bewerkstelligen. Sei es aufgrund organisatorischer Hürden oder weil diese nicht sämtliche Facetten eines Berufsbildes abdecken können. Sobald ein passender Lehrling gefunden ist, übernimmt der Verbund sämtliche zentralen Aufgaben – von der Organisation eines Eingangstests und dem Abschluss des Ausbildungsvertrags bis hin zur Abwicklung der Vergütung, die auf einem einheitlichen Haustarif basiert. Auch die Anmeldung zur Berufsschule und zu Prüfungen sowie die Betreuung der Auszubildenden inklusive Förderunterricht liegen in seiner Verantwortung. Der Ausbildungsvertrag wird entweder direkt zwischen dem Lehrling und dem Verbund geschlossen oder zwischen dem Lehrling und dem Betrieb, wobei der Bildungsträger in letzterem Fall fehlende Ausbildungsinhalte über Partnerfirmen ergänzt. „Unsere Jugendlichen sollen bestmöglich auf die Arbeitswelt und die Gesellschaft vorbereitet werden. Denn hier lauern große Herausforderungen, die für viele (noch) schwierig zu meistern sind“, betont Christiane Horn, die bereits 30 Jahre lang Teil des Ausbildungsverbunds ist und der seit 2013 auch die Geschäftsführung obliegt.
Dr. Ulrich Kühnast und Adalbert Wandt gründeten vor 40 Jahren mit weiteren Mitstreitern der Braunschweiger Wirtschaftsjunioren den Ausbildungsverbund.
Der ABV geht jedoch weit über die bloße Organisation von Ausbildungsplätzen hinaus. Mit Initiativen wie „Mein Weg – MiKA“ begleitet der Verein junge Alleinerziehende auf ihrem Weg in die Berufswelt. Auch mit dem Programm „FrauKe – Frauen mit interkultureller Kompetenz = gemeinsam erfolgreich“ zeigt der Verein, wie Integration in der Praxis gelingt. Frauen mit Migrationshintergrund werden dabei gezielt gefördert, sodass auch sie zu einer wichtigen Stütze des regionalen Arbeitsmarktes werden können.
Lehrlinge sind mit ihren Problemen nicht allein
Als quasi-pädagogischer Bildungsträger ist der ABV berufsbildender Betreuer aber auch Kummerkasten zugleich: „Unsere Lehrlinge sind zumeist noch Kinder, denen wir im Rahmen unserer Handlungsschwerpunkte Benimmtrainings und Sprachschulungen ermöglichen“, betont die Geschäftsführerin. Und sollten darüber hinaus noch private Hemmnisse vorliegen, kümmert sich das Team auch um diese Probleme. Derzeit werden verschiedene Workshops angeboten, die Jugendliche im Umgang mit Kundinnen und Kunden schulen oder auch das Auftreten in beruflichen Situationen verbessern. „Wir begreifen uns gewiss nicht als Erziehungsersatz; dennoch stehen wir unseren Auszubildenden mit Rat und Tat in allen Lebensbereichen unentwegt zur Seite“, so Horn. Gegenwärtig betreut der ABV knapp 100 Jugendliche.
Ein Rückblick auf erfolgreiche Zeiten
„Unser Unterfangen war trotz aller Widrigkeiten ein großer Erfolg und darauf sind wir auch 40 Jahre später ungemein stolz“, betont Wandt. Auch Dr. Ulrich Kühnast blickt positiv auf die ereignisreiche Vergangenheit zurück: „Durch das Zutun der Braunschweiger Wirtschaftsjunioren, der IHK und unserem ersten Geschäftsführer Holger Meyer wurde etwas Einzigartiges geschaffen, dass uns ein echtes Alleinstellungsmerkmal verschafft hat. Wir konnten so über 3000 zusätzliche Ausbildungsplätze allein in dieser Region schaffen und viele Betriebe auf die Notwendigkeit einer dualen Ausbildung im Unternehmen selbst hinweisen.“
Es scheint eine gesunde Mischung aus Pragmatismus, Innovation und sozialem Engagement zu sein, die den ABV zu einem unverzichtbaren Akteur im lokalen Wirkungskreis hat aufsteigen lassen. Weitere Infos zum ABV erhalten Sie hier.
jk
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